Hanfgarten in Köpenick: Berliner Drogenfahnder ernten 525 Pflanzen - auf Landesgrundstück
Auf einem Grundstück des Landes Berlin wachsen am Rande des großen Müggelsees jede Menge Cannabispflanzen. Ein kurioser Einsatz der Berliner Drogenfahndung.
Der Müggelwerderweg liegt verschlafen am östlichen Rand des großen Müggelsees in Berlin-Köpenick. Einfamilienhäuser sind umgeben von großzügig angelegten Gärten, Jägerzaunidylle mit Gartenlaube. Es ist Freitagvormittag um 11.15 Uhr und das beschauliche Rahnsdorf liegt still.
Die wenigen Anwohner, die um diese Uhrzeit zu sehen sind, haben ein Alter jenseits der 70 Jahre erreicht. Eine ältere Frau fährt in aufrechtem Sitz langsam auf ihrem Hollandrad vorbei. Dann legt sich wieder Stille über die Siedlung.
Zwei dunkle Kombis rollen den Weg entlang, die Fahrer halten vorgebeugt nach den Hausnummern Ausschau. Nummer 13, sie sind am Ziel. „Wir sind von der Polizei“, sagt die Frau, die aus einem der Wagen steigt, „Drogenfahndung“, und lässt ihren Blick über das verwilderte Gartenstück hinter ihr schweifen.
Und tatsächlich: Zwischen Unkraut und Dornen ragen hier die Cannabispflanzen mehr als zwei Meter in die Höhe. Die Blüten für den Drogenrausch sind noch nicht reif, die schiere Menge verspricht aber schon eine ansehnliche Ernte. 525 Pflanzen werden die Ermittler am Ende schließlich aus dem Wildwuchs schneiden. Wer pflanzt 525 Cannabispflanzen völlig offensichtlich in einer Seniorensiedlung?
Besitzer des Grundstück ist das Land Berlin, konkret die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). Eine Drogenplantage im Staatsauftrag? Auf Nachfrage teilt die BIM mit, es handele sich um ein „kleines Erholungsgrundstück im Bezirk Treptow-Köpenick, welches eingebettet zwischen Einfamilienhäusern liegt und vermietet beziehungsweise verpachtet ist“.
An wen die Fläche vermietet oder verpachtet ist, konnte die BIM am Freitag noch nicht sagen, nur, dass es eine Privatperson sein soll. Mit ganz berauschenden Vorstellungen von Erholung, wie es scheint.
„Ja, das nehmen wir jetzt alles mit“, sagt die Polizistin von der Drogenfahndung, Direktion 6, Kommissariat 34. Sie und ihre zwei Kollegen streifen blaue Einmalhandschuhe über, greifen Gartenscheren und Umzugskartons und beginnen die Rodung.
Zwei Beamte schneiden eine Schneise durch den überwucherten Garten, trennen Hanf von Ampfer und laufen mit großen Bündeln über ihren Köpfen wieder raus zum Straßenrand. Dort führt der Dritte eine Strichliste, Pflanze um Pflanze zählt er, bricht sie auf Kartonbreite und verstaut sie akkurat. Die Ernte ist dahin.
Ein alter Mann kommt zu den Polizisten, „Baujahr 1937“, sagt er. Seine beige Hose hat er in der Taille zusammengeschnürt, sein blau-rot gestreiftes Polohemd ist ordentlich in den Bund gesteckt, auf dem Kopf ein Basecap. „Ach. Dit is also Hanf.“
Gedankenverloren blickt er auf das Gartenstück und sagt mehr zu sich, als zu dem Polizisten: „Ja, ham wa och viel im Garten.“ Großes Staunen: „Was? Sie auch noch?“, fragt der Polizist etwas belustigt. „Jaja, wuchert ja überall jetze“, sagt der Nachbar, der dann doch das Unkraut meinte – normaler Plausch am Gartenzaun eben.
Und dieser Plausch ist im Müggelwerderweg am diesem Freitag klar vom Gras bestimmt. Eine Nachbarin blickt ungläubig auf die Cannabisbündel am Boden: „Wat, dit is Cannabis? Dachte immer dit wär Unkraut“, sagt sie und stützt ihre Fäuste in die Hüfte.
„Erkennen Sie an den fünf Blättern“, erklärt die Polizistin, „wird auch ,Fünf-Finger-Kraut‘ genannt.“ „Wat es allet jibt“, antwortet die Frau und geht kopfschüttelnd zu ihrer Nachbarin ein Haus weiter.
Nachbarn waren es auch, die die Polizei überhaupt erst auf den Hanfgarten aufmerksam machten. Vor mehr als einer Woche war das. Dass die Drogenfahndung erst am Freitag den Zugriff wagte, hat einen Grund: Der Fall ist nicht dringlich. Denn nach einem professionellen Anbau sehe der Wildwuchs hier nicht aus, erklärte die Drogenfahnderin.
Zu wenig ertragbringende Pflanzen, zu schmächtiger und kleiner Wuchs, zu mühsame Ernte. Und überhaupt: Bei den Temperaturen der letzten Wochen wären die Pflanzen professioneller Gärtner jetzt schon längst erntereif und würden ihren starken Hopfengeruch über die Siedlung verteilen.
Doch wie kamen die Hanfpflanzen dann in den Müggelwerderweg? Kollektivanbau zur Rheumavorsorge der betagten Nachbarn oder am Ende doch nur Vogelfutter? Bislang steht lediglich fest, dass das Grundstück erst vergangenes Jahr eingezäunt wurde, davor war das Erholungsgrundstück frei zugänglich.
Die drei von der Drogenfahndung streifen sich die letzten Kletten von der Kleidung und verstauen den Fund im Kofferraum. Jetzt werden erst einmal Blätter von Stilen getrennt, die Ernte geschreddert, um dann das ganze Gras kriminaltechnisch auf seinen Tetrahydrocannabinol-Gehalt zu untersucht. Also der Wert, der angibt, wie hoch die berauschende Wirkung der Pflanzen ist.
Und vielleicht offenbart sich dann in den weiteren Ermittlungen auch, wer sich hier eigentlich einen entspannten Sommer am großen Müggelsee machen wollte.