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Wassersportler auf dem Müggelsee in Berlin-Köpenick bei Sonnenschein, vom Strand aus gesehen.
©  Paul Zinken/dpa
Update

Erhitzte Gewässer als Brutstätte: In Berlins Badeseen steigt die Zerkarien-Gefahr

Juckreiz und rote Quaddeln: Das Lageso weist auf mögliche Saugwürmer in Müggelsee und Krummer Lanke hin. Wegen der Hitze vermehren sie sich besonders stark.

Ein heißer Frühsommer in Berlin und Brandenburg, schon früh im Jahr erwärmte Badegewässer – da vermehren sich Algen, Wasserpflanzen und auch Parasiten. So hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) jetzt saisonal auf die Gefahr von Zerkarien vor allem im Großen Müggelsee hingewiesen. Denn genau zur gleichen Zeit vor einem Jahr, Ende Juni, hatten dort mehrere Ausflügler über die sogenannte Badedermatitis geklagt, also Juckreiz und rötliche Quaddelbildung sowie Hautverdickungen. In diesem Jahr gab es bislang dort noch keine Meldung.

Einen konkreten Verdachtsfall von Zerkarien gibt es in diesem Frühsommer bisher nur in der Krummen Lanke. Zerkarien, das sind laut Lageso etwa ein Millimeter große Larven von Saugwürmern (Trematoden), die in die Haut von Badenden eindringen können, wenn sie eigentlich auf der Suche nach Enten und anderen Wasservögeln sind. Schwimmern empfiehlt das Lageso zur Vermeidung einer Entenbilharziose daher, unter anderem wasserpflanzenreiche Uferbereiche zu meiden und wasserfeste Sonnenschutzmittel zu verwenden.

„Gesundes Baden auch in stark erwärmten Badegewässern – Was ist zu beachten?“, heißt die aktuelle Lageso-Mitteilung. Demnach könnten „trotz derzeit sehr guter Wasserqualität im Großen Müggelsee Hautentzündungen durch Zerkarien“ auftreten. Zudem sollten Schwimmer aufpassen, dass sie nicht gegen die wegen der Wärme gut wachsenden „kratzigen Wasserpflanzen wie das raue Hornkraut oder das Nixkraut“ schwimmen, es könnten Hautrötungen auftreten, bestätigt die Lageso-Pressestelle.

Probleme mit den im Wasser schwimmenden Wurmlarven gibt es Parasitologen zufolge etwa ab einer Wassertemperatur von 24 Grad – der Müggelsee, Havel und Tegeler See haben diese Gradzahl wegen der Hitze jetzt schon erreicht. Eine unangenehme Folge der Hitzperiode in der Region, die führenden Wissenschaftlern zufolge eine Auswirkung des Klimawandels ist, betrifft also auch Parasiten in Badeseen beim an sich erfrischenden Ausflug.

Der Mensch wird nur versehentlich zum Wirt

Die Wurmeier gelangen Parasitologen zufolge mit dem Vogelkot ins Wasser, wo sie die im Uferbereich lebenden Schnecken als Zwischenwirt infizieren. In einer Schnecke, beispielsweise der Spitzschlammschnecke, entwickeln sich dann Hunderttausende Zerkarien. Bei warmen Wassertemperaturen schwärmen sie aus den Schneckennasen aus, berichtet der unter anderem mit Landesministerien und der Universitäten kooperierende Parasitologe Dennis Kallert aus Bayern auf Anfrage dem Tagesspiegel.

Im Wasser treibend und zeitweilig aussetzend, nahe der Wasseroberfläche schwimmend, suchen die Zerkarien mit einer Sehfähigkeit eigentlich Schwimmhäute von Enten, in die sie leicht eindringen können. „Die menschliche Haut enthält die gleichen Fettsäuren und Ceramide wie die der Entenvögel, daher verirren sich die bei Kontakt auf chemische Stimuli reagierenden Zerkarien zum Menschen als Fehlwirt“, berichtet Kallert. Die Hauptsaison eines potenziellen Befalls ist laut Lageso jetzt, eine zweite Periode gibt es im Spätsommer.

Badbetreiber fürchten, Gäste zu verlieren

Bei Erstkontakt reagiere die Haut laut Lageso „mit geröteten Flecken mit einem Durchmesser von rund zwei Millimeter und einem Juckreiz ähnlich wie bei Mückenstichen“. Die Würmer können laut Kallert über die Blutbahn bis in die Lunge gelangen, sterben aber spätestens da ab. Beim zweiten Befall aber reagiere der Körper dann sensibilisiert mit Abwehrreaktionen, die Haut juckt stark, es können sich rote Quaddeln, die bis zu zwei Wochen anhalten können, bilden.

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In Süddeutschland haben vor allem Badbetreiber Sorge, Gäste zu verlieren, berichtet Kallert. Daher hätten erste Firmen versucht, Gegenmittel zu entwickeln. Dem Parasitologen Kallert zufolge gibt es vor allem in Osteuropa noch mehr Parasitologen, die beispielsweise Reaktionen auf Zerkarien in Mäuseexperimenten untersuchten. Mitunter suchen sich demnach bestimmte Arten dieser Würmer die Nervenbahnen als Route sogar bis ins Gehirn der Warmblüter. Leider gebe es hierzu bislang keinerlei Erkenntnisse von wissenschaftlicher Seite.

Klimawandel verstärkt Problem

Auch eine Untersuchung, welche Arten dieser Erreger in Deutschland verbreitet sind, fehle bislang ebenso wie effektive biologische Bekämpfungs- und Prophylaxemaßnahmen für Badeseebetreiber. Der Klimawandel werde dieses Phänomen vermutlich noch weiter in den Vordergrund treten lassen, vermutet der Experte.

Das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales empfiehlt jedenfalls, sich nach dem Baden in Gewässern mit vielen Wasserpflanzen und Wasservögeln „kräftig mit dem Handtuch abzurubbeln, um gegebenenfalls ein vermehrtes Eindringen“ der dünnen Saugwurmlarven zu verhindern. Nasse Bekleidung sollte nach dem Baden ausgezogen werden, bei heftigeren Beschwerden ein Arzt aufgesucht werden.

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