„Mary Jane Berlin 2019“: Veranstalter erklärt Deutschlands größte Hanf-Messe
Duc Anh Dang, Veranstalter der Hanf-Messe Mary Jane Berlin, über Kiffer-Kultur, sein Idol Steve Jobs, Pillen für Hunde – und den Standort Berlin. Ein Interview.
Zur Messe: Bis Sonntag noch steigt in der Arena in Treptow (Eichenstr. 4, 12435 Berlin) die „Mary Jane Berlin“. Sie gilt als Deutschlands größte Messe und Festival rund um Hanf-Produkte. 250 Aussteller warten auf Besucher, darunter auch junge Firmen aus Berlin und Brandenburg. Zum Beispiel Berliner Wiese, eine Firma die mit Bio-Drinks rund um den (nicht bewusstseinsverändernden) Wirkstoff CBD in den Markt für Ernährung und Fitness drängt. Auch Händler Tom Hemds aus Kreuzberg, der viele CBD-Produkte im Sortiment hat, ist vertreten. Die Minds GmbH mit Sitz in Berlin und Herzberg (Kreis Elbe-Elster) präsentiert Verdampfer-Flüssigkeiten (E-Liquid) ihrer Marke Vane Dinner Lady.
Auf einem Begleitkongress halten Cannabis-Experten Vorträge und diskutieren mit Besuchern, darunter die Psychiaterin Eva Milz oder Mediziner Franjo Grotenhermen von der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin oder „Deutschlands härtester Jugendrichter“ Andreas Müller, ein Weggefährte der 2010 verstorbenen Richterin Kirsten Heisig. Auch Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap, einst Vorsitzender der Monopolkommission der Bundesregierung, wird erwartet. Tickets kosten ab 20 Euro. Unter 18-Jährige dürfen nur in Begleitung eines oder einer Erziehungsberechtigten aufs Gelände.
Zur Person: Duc Anh Dang wurde 1991 in Erfurt geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und Allgemeines Management in Frankfurt am Main und an der EBS im hessischen Oestrich-Winkel. 2015 gründete Dang die Mary Jane Berlin GmbH, die seit 2016 die gleichnamige Messe veranstaltet.
Herr Dang, Cannabis prägt Jugendkulturen seit Jahrzehnten. Was fällt Ihnen zu folgenden Stichworten ein: Cheech und Chong?
Nichts.
Das war ein benebeltes Commedy-Filmduo in den 70er und 80er Jahren. Und Ganja Farmer?
Leider nein.
Ein sehr schlechtes Computerspiel in den späten 90ern. Aber Cypress Hill kennen Sie hoffentlich.
Ja, Hip Hop. Das kann man sich anhören. Ich höre alle möglichen Musikstile.
Mit dieser Kifferkultur können Sie offenbar nicht viel anfangen.
Nein, ich selbst bin nicht der typische Kiffer. Ich habe angefangen, mich näher mit dem Thema zu beschäftigen, als der Vater eines Freundes an Krebs erkrankte und ich las, dass Cannabis-Präparate bei der Therapie helfen. Heute ist es meine Mission, alle Produkte rund um die Hanfpflanze raus aus der Subkultur in den Mainstream zu führen, um sie Menschen aus allen Generationen und Kulturen näherzubringen.
Trotzdem haben Sie Ihre Messe „Mary Jane“ getauft. Das ist ein amerikanischer Slang-Ausdruck für Marihuana. Klingt ein bisschen albern, wenn es Ihnen doch ums ernsthafte Geschäft geht.
Mein großes Vorbild ist Apple-Gründer Steve Jobs. Der sagte: Sei töricht! Ich denke, dass man auch mal etwas Verrücktes tun muss, um aus der Masse herauszustechen und Erfolg zu haben.
Den haben sie mittlerweile. Ihre Räume an der Arena Treptow sind ausgebucht. Vor vier Jahren sah das noch anders aus.
Stimmt. Damals kam ich von einem einjährigen Aufenthalt aus den USA zurück, wo ähnliche Messekonzepte seit Jahren etabliert sind. Ich war überzeugt, dass das auch in Deutschland funktioniert. In Europa gab es bisher nur größere Messen in Barcelona und in Prag. Es war zunächst nicht ganz leicht, Aussteller davon zu überzeugen, auf eine neue Messe in Berlin zu gehen. Aber wir haben nicht aufgegeben. Nachdem die ersten großen Firmen zugesagt hatten, folgten auch Kleinere. Bei der ersten Mary Jane 2016 hatten wir 80 Aussteller, heute sind es 250.
Sie hatten damals auch weniger Besucher.
Ja, die wussten zunächst wenig mit uns anzufangen. Viele Leute fragten: Hanf-Messe: Wie kann das sein? Gras ist doch illegal. Kann man da Gras kaufen? Wir mussten erklären, dass es rund ums Hanf viel mehr gibt. Und das völlig legal.
Was bieten sie ab Freitag denen an, die sich vor allem für den berauschenden Teil dieser Pflanze interessieren?
Schwerpunkt auf der Messe sind in diesem Jahr CBD-Produkte, also zum Beispiel Öle oder Tees, die beruhigend wirken. Aber wir haben auch Aussteller für Paraphernalia-Produkte, das sind Konsum-Utensilien, die neusten Bong- oder Vaporisator-Kreationen zum Beispiel. Viele verteilen kleine Geschenke. Außerdem geht es um den Vibe, die Stimmung auf dem Gelände: Wo sonst kann man so viele Gleichinteressierte treffen? Man kann auf unserem Kongress, den wir begleitend veranstalten, mit Experten von Weltrang ernsthafte wissenschaftliche Themen diskutieren – und später bei entspannter Musik, einem kühlen Hanf-Bier und Blick auf Spree chillen.
Zur Klarstellung: THC-haltige Produkte werden nicht verteilt?
Illegale Produkte sind nicht erhältlich.
Offenbar wächst derzeit ja auch das Geschäft mit Produkten aus den nicht-berauschenden Teilen der Pflanze am stärksten. Was hat die Mary Jane da im Programm?
Es gibt ein breites Sortiment an Cannabidiol-Produkten, kurz CBD-Produkten. Der Wirkstoff wirkt – anders als das THC – nicht bewusstseinsverändernd, aber beruhigend, entkrampfend, entzündungshemmend, stresslindernd. Da gibt es Kosmetika, Nahrungsergänzungsmittel, vieles mehr, sogar CBD-Präparate für Hunde. Insgesamt haben wir rund 80 Aussteller in diesem Segment, viele davon mit tollen Innovationen.
Der Anbau, Verkauf und Kauf von Cannabis ist strafbar. Es gibt lediglich Ausnahmen für medizinische Produkte. Ist das der Anfang von einer Volllegalisierung?
Davon bin ich absolut überzeugt.
Bundesdrogenbeauftragte Marianne Mortler sieht Deutschland mit der Freigabe von medizinischem Cannabis am Ziel. Sie lehnt eine weitere Liberalisierung ab.
Ich respektiere ihre Meinung. Aber man sollte die Lebenswirklichkeit nicht verkennen: Es werden Cannabis-Produkte konsumiert, ob sie legal sind oder nicht. Gegebenenfalls werden Nutzer ihr Gras weiter an Orten wie dem Görlitzer Park kaufen. So hat der Staat keinerlei Einfluss auf die Qualität. Seriöse Studien aus den USA belegen, dass Konsumentenzahlen in Staaten, die den Handel erlaubt haben, nicht gestiegen sind. Und wenn bei einer Legalisierung Kosten der Strafverfolgung entfallen, der Konsum sicherer wird und der Staat Steuern einnimmt, ist das doch positiv. Eine Kriminalisierung von Konsumenten ist also weder logisch noch wirtschaftlich sinnvoll.
In einigen Ländern wie Kanada wird Cannabis bereits in industriellem Maßstab produziert. Hanffabriken sorgen für neue Jobs in Regionen, wo alte Industrien weggebrochen sind. Ein Modell für Deutschland?
Absolut. Es wurden ja auch hierzulande drei Lizenzen zum Anbau von Hanf für medizinische Anwendungen vergeben. Davon ging leider nur eine an eine deutsche Firma.
Berlin ist Deutschlands Start-up-Metropole. Interessiert sich die hiesige Gründerszene auch für Ihr Segment?
Ja, und wie! Erstmals haben wir auf der Mary Jane auch eine Start-up-Area eingerichtet. 20 bis 25 sehr junge Unternehmen stellen bei uns ihre Geschäftsmodelle und Produkte vor. Die meisten tummeln sich im CBD-Markt, also für nicht berauschende Mittel. Es gibt auch junge Firmen im Grow-Segment, das heißt bei der Entwicklung hochautomatisierter Pflanzanlagen, in denen Bewässerung, Licht, Temperatur, Düngung und Luftfeuchtigkeit automatisch gesteuert werden. Diese kann man aber natürlich für fast jedes Gemüse nutzen.
Sie sind in Erfurt geboren, haben in Frankfurt am Main studiert. Warum haben Sie Berlin als Standort gewählt?
Berlin ist meiner Einschätzung nach Deutschlands liberalster lokaler Markt für Hanf- und Cannabisprodukte. Und laut Statistik gibt es nirgendwo sonst so viele Konsumenten. Berlin ist offen für alles, hier gibt es nichts, das es nicht gibt. Insofern sind wir hier goldrichtig.
Ihre Messe wächst von Jahr zu Jahr. Wann wird Ihnen die Arena in Treptow zu klein?
Eigentlich ist sie das schon. Für Aussteller sind wir schon seit Januar restlos ausgebucht. Eigentlich hätten wir noch 50 weitere unterbringen wollen. Wir sind in Gespräche mit anderen Betreibern, darunter auch der Messe Berlin, aber die Arena hat einen großen Pluspunkt: Die Lage. Direkt an der Spree und mit dem Badeschiff. Das bietet sonst keine andere Location. Bei dem Produkt, um das sich bei uns alles dreht, spielt natürlich auch das Ambiente eine große Rolle.
Wann haben Sie eigentlich ihren letzten Joint geraucht oder Haschkeks gegessen?
Vor drei Monaten etwa.
Kevin P. Hoffmann