Partei versinkt im Chaos: Berliner AfD muss Landesparteitag erneut verschieben
Der für November terminierte Parteitag und die mit Spannung erwartete Vorstandswahl der Berliner AfD werden abgesagt. Die Partei hat Probleme bei der Raumsuche.
Die Berliner AfD verschiebt ihren für das Wochenende am 9. und 10. November geplanten Landesparteitag. Das erfuhr der Tagesspiegel am Dienstag aus Parteikreisen. Beschlossen wurde die Absage demzufolge während einer außerplanmäßigen Sitzung des Landesvorstands am Montag. Das Gremium unter Leitung von AfD-Landeschef Georg Pazderski war kurzfristig zusammengerufen worden, um über die aktuelle Situation zu beraten. Am Morgen danach sickerte die Information nach außen.
Resultat der parteiintern bis dato nicht kommunizierten Absage: Die Verschiebung der mit Spannung erwarteten Neuwahl des Landesvorstands. Weil die auf maximal zwei Jahre begrenzte Amtszeit der am 4. November 2017 gewählten Mitglieder des Gremiums zeitnah abläuft, muss ein Notvorstand einberufen werden. Dafür zuständig sind die Mitglieder des jüngst kommissarisch eingesetzten Landesschiedsgerichts.
Auch dieses Gremium hätten die AfD-Mitglieder am 9. und 10. November neu wählen sollen. Wann die Neuwahlen stattdessen abgehalten werden können, ist derzeit unklar.
Als Ursache für die erneute Absage eines Landesparteitags, selbiges war zuletzt am 1. September geschehen, gelten große Probleme bei der Suche nach einem geeigneten Raum. Bereits Anfang Oktober hatte der Landesvorstand die Parteimitglieder über bis dahin 76 Absagen informiert, die das Gremium während der Suche nach einer Location für den Landesparteitag erhalten hatte.
Wenige Tage später scheiterte auch der Versuch der Verlegung des Treffens nach Brandenburg. Der Inhaber des Hotel-Restaurants „Schloss Diedersdorf“ ließ die Meldung dementieren, der zufolge der Parteitag in seinem Hotel stattfinden werde. Von Bedrohungen gegen seine Person und Mitarbeiter des Hotels ist die Rede.
Auch Versuch einer Parteitag-Verlegung nach Brandenburg scheiterte
Tatsächlich lässt sich im Internet ein Aufruf zur „Wut-Kundgebung gegen die Vermietung an die AfD“ finden. Darin heißt es, der AfD-Landesparteitag solle „zu Brei gestampft“ werden. Tagesspiegel-Informationen zufolge hatte der Hotelinhaber seine Räumlichkeiten der AfD in der Vergangenheit mehrfach zur Verfügung gestellt, zuletzt im Frühjahr dieses Jahres.
Während am Dienstag weder die Mitglieder des Landesvorstands noch Parteisprecher Ronald Gläser zur Entscheidung vom Vortag zu sprechen waren, meldeten sich Stimmen, die Pazderski ein Spiel auf Zeit vorwerfen.
Hintergrund ist dessen Rolle als Vizevorsitzender der Bundes-AfD. Weil sich der zuletzt intern unter Druck geratene Landeschef seiner Wiederwahl auf Landesebene nicht mehr sicher sein könne, komme ihm die Verschiebung der Neuwahl zupass, so seine Kritiker.
Tatsächlich findet der Bundesparteitag der Partei inklusive Neuwahl des Bundesvorstands am 30. November in Braunschweig statt. Pazderskis Chancen auf die Verteidigung seines Vizepostens hätten durch eine drohende Abwahl in Berlin geschmälert werden können. Tatsächlich dürfte Pazderski aller Voraussicht nach dem nun vom kommissarischen Landesschiedsgericht zu bestimmenden Notvorstand der Berliner AfD angehören.
Debatte über Wechsel zum Delegiertenprinzip
Die Folgen der Raumnöte wiederum gehen möglicherweise über die nun bekannt gewordene Absage hinaus. Debattiert wird darüber, Parteitage künftig nach dem Delegiertenprinzip und nicht, wie bislang, nach dem Mitgliederprinzip abzuhalten. Aktuell gilt: Teilnehmen kann jeder, vorausgesetzt er ist Parteimitglied und frei von Beitragsrückständen – eine weitere Baustelle der Berliner AfD.
Während einer für die Vorstellung der Kandidaten für den Landesvorstand anberaumten Sitzung am vergangenen Freitag wurde das Thema offen diskutiert. Augenzeugen-Berichten zufolge sprachen sich mehrere Mitglieder des Landesvorstands und Bezirkschefs für einen Wechsel hin zum Delegiertenprinzip aus. Der wäre laut Satzung durch einen Beschluss des Landesvorstandes zu erwirken.
Jedoch: Ein solcher Schritt würde die AfD an die von ihr als „Alt- und etablierte Parteien“ bezeichnete Konkurrenz annähern. Von der von Vertretern der Partei, darunter Pazderski, zuletzt immer wieder gelobten „direkten Demokratie“ würde sich auch die Berliner AfD dann ein Stück weit verabschieden.
Einen anderen, nach Ansicht von Augenzeugen als „Tiefpunkt des Abends“ empfundenen Eklat, verursachte Nicolaus Fest. Der im Mai von Listenplatz 6 aus in das Europaparlament eingezogene Politiker soll Carsten Ubbelohde, derzeit Beisitzer im Landesvorstand, vor aller Ohren als „Kriminellen“ bezeichnet und damit für Entsetzen unter den übrigen Mitgliedern des Landesvorstands gesorgt haben.
Hintergrund der Streitigkeiten dürften Auseinandersetzungen der beiden im Bezirksverband Charlottenburg-Wilmersdorf sein. Dort hatte Fest, der bis Ende 2014 der Chefredaktion der „Bild am Sonntag“ angehörte, seinen Posten als Bezirkschef verloren. Vor wenigen Wochen soll Fest darüber hinaus einen Mitarbeiter Ubbelohdes als „Hund“ bezeichnet und nachgeäfft haben.