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Will die AfD Schüler zu Denunzianten erziehen?
© picture alliance / Rolf Vennenbe

Neutralitätsgebot an Berliner Schulen: Empörung über geplante Beschwerdeplattform der AfD

"Erziehung zum Denunziantentum", verletzte Persönlichkeitsrechte – die Kritik an der AfD-Beschwerdeplattform für Schüler ist groß.

Die Ankündigung der Berliner AfD-Fraktion, eine Internetplattform einzurichten, auf der sich Schüler anonym über angebliche Verstöße von Lehrern gegen das Neutralitätsgebot an Schulen beschweren können, stößt auf breite Kritik.

„Derartige Internetportale lehnen wir ab. Sie sind für ein gutes Schulklima nicht zweckdienlich“, teilte die Senatsbildungsverwaltung mit. Schulen müssten sich politisch, religiös und weltanschaulich neutral verhalten. „Wenn Schüler den Eindruck haben, dass das Neutralitätsgebot verletzt wurde, suchen sie in der Regel das Gespräch mit der Lehrkraft, der Schulleitung oder der Schulaufsicht“, sagte eine Sprecherin von Senatorin Sandra Scheeres (SPD).

Gestaltung des Diskurses ist Lehrer überlassen

Wie berichtet, gibt es seit Donnerstag ein solches Beschwerdeportal in Hamburg. Die AfD behauptet, von Lehrern benachteiligt oder einseitig dargestellt zu werden, und führt als Beispiel unter anderem Schulveranstaltungen vor Wahlen an, zu der sie nicht eingeladen worden seien. „Von einer systematischen Ausgrenzung der AfD aus dem politischen Diskurs an Schulen kann keine Rede sein“, sagt Maja Lasic, bildungspolitische Sprecherin der SPD.

„Dazu saß allein ich schon auf zu vielen Podien gemeinsam mit AfD-Vertretern.“ Alle Parteien müssten jedoch akzeptieren, dass es im Einklang mit dem Beutelsbacher Konsens den Lehrkräften überlassen sei, wie sie einen differenzierten Diskurs gestalten.

Der Beutelsbacher Konsens ist eine Übereinkunft aus den 1970er Jahren, die Grundsätze der politischen Bildung festlegt. Demnach sollen Lehrer Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen oder sie indoktrinieren. Bei Themen, die in Politik und Wissenschaft kontrovers diskutiert werden, müssen die kontroversen Positionen auch im Unterricht dargestellt werden. Außerdem sollen Schüler befähigt werden, politische Situationen und ihre eigene Position zu analysieren.

„Erziehung zum Denunziantentum“

„Der aktuelle Vorstoß der AfD verlässt bewusst diesen Rahmen und zeigt, dass es der AfD nur um die Selbststilisierung als Opfer geht“, kommentiert Lasic. Marianne Burkert-Eulitz (Grüne) sagte, die AfD versuche, Minderjährige zu instrumentalisieren. Regina Kittler (Linkspartei) spricht von einer „Erziehung zum Denunziantentum“.

Lehrkräfte müssten auf dem Boden des Grundgesetzes agieren. „Und wenn Vertreter der AfD gegen das Grundgesetz verstoßen, dann erwarte ich von den Lehrkräften auch, dass sie sich dagegen positionieren.“ Man müsse rechtlich prüfen lassen, ob man gegen eine solche Plattform vorgehen könne.

Persönlichkeitsrechte werden verletzt

Paul Fresdorf (FDP) verweist auf die existierenden Beschwerdestellen, zum Beispiel bei der Schulaufsicht: „Eine private Lösung, die von einer Partei betrieben wird und die dazu geeignet ist, Lehrer bloßzustellen und als politisch unliebsam zu markieren, lehnen wir aus voller Überzeugung ab.“ Auch die bildungspolitische Sprecherin der CDU, Hildegard Bentele, hält ein von der AfD betriebenes Portal für „natürlich kein geeignetes Instrument“. Sie forderte, dass im Politikunterricht mehr für die Vermittlung von Wissen getan werden müsse.

Tom Erdmann von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sorgt sich um die Sicherheit der Lehrkräfte. „Was uns bisher aus Hamburg bekannt ist, zeigt eine deutliche Grenzüberschreitung. Da werden Persönlichkeitsrechte von Lehrkräften verletzt.“ Er erwarte von der Bildungsverwaltung, dass die Lehrkräfte geschützt werden.

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