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Das angestrebte Ziel nur eines einzigen Berliner Flughafens, zumindest historisch betrachtet, der Stadt wesensfremd.
© Jörg Carstensen/dpa

Luftfahrtgeschichte: Berlin, die Stadt der Himmelsstürmer

Der Volksentscheid zur Offenhaltung des Flughafens Tegel erhitzt die Gemüter. Die Geschichte Berliner Flugplätze war indes schon immer bewegt.

Für künftige Starts und Landungen ist Berlins allererster Flughafen nicht mehr zu gebrauchen. Ja, selbst der Begriff „Flughafen“ passt hier nur in seiner weitesten Ausdehnung, obwohl es sich bei dem Fluggerät doch um eine Art Luftschiff handelte, einen gasgefüllten Ballon, um genau zu sein. Mit dem erhob sich der Franzose Jean- Pierre François Blanchard am 27. September 1788 vom Exerzierplatz am Brandenburger Tor, dem heutigen Platz der Republik, als erster Mensch in den Himmel über Berlin. Ein schon deswegen unwiederholbares Experiment, da Blanchard aus 1000 Metern Höhe zwei Hündchen abwarf, immerhin am Fallschirm. Dennoch: Das sollte er heute mal wagen!

Himmelsstürmer und Hopser

Die Berliner strömten zu Tausenden vors Stadttor – die Himmelsstürmer übten eine Faszination aus, die sich quer durch die Jahrhunderte erhalten sollte, wenngleich dann die ersten Flugversuche nach dem Prinzip „schwerer als Luft“ nur bessere Hopser waren. Zum Beispiel Otto Lilienthals Gleitversuche 1892 vom Steglitzer Fichtenberg und später vom eigens angelegten Fliegeberg in Lichterfelde.

Oder im September 1909, als Orville Wright, jüngerer der berühmten Flugpionier-Brüder, auf dem sonst für Exerzier- und sonstige Militärübungen genutzten Tempelhofer Feld seinen Doppeldecker vorführte – wie diverse Zeppelin-Besuche ein Vorgeschmack auf die dann 1923 einsetzende Nutzung des Geländes als Flughafen.

Der erste reguläre Flugplatz war Tempelhof nicht, der wurde im September 1909 in Johannisthal eröffnet, mit einem „Konkurrenz-Fliegen der ersten Aviatiker der Welt“. Hier endete auch der erste Überlandflug im Deutschen Reich, am 27. September 1909 ausgeführt von Hubert Latham, gestartet war er in Tempelhof. Schon bald wurden in Johannisthal auch Fluggeräte produziert, sogar die Brüder Wright hatten dort eine Niederlassung.

Der Tod eines Astronauten war das Ende des Johannisthaler Flugplatzes

Mit der Eröffnung Tempelhofs 1923 sank die Bedeutung des ersten deutschen Flugplatzes für die zivile Luftfahrt. In der NS-Zeit wurde er für Testflüge, nach dem Krieg vorübergehend von den Sowjets genutzt. Nach dem tödlichen Absturz des Astronauten Reinhard Furrer am 9. September 1995 endete die Geschichte dieses in den Jahrzehnten zuvor schon verwaisten Flugplatzes endgültig.

Der Flughafen Tempelhof war bei seiner Eröffnung am 8. Oktober 1923 von späterer Größe noch weit entfernt. Ein paar Holzbaracken, das war alles, erst ein Jahr später begann man mit festen Bauten, südöstlich des heutigen, in den dreißiger Jahren entstandenen, vor Kriegsbeginn nicht mehr ganz fertig gewordenen Komplexes aus Abfertigungshalle und Hangars. Dessen viel beschriebener Mythos hat viele Facetten, von denen die Luftbrücke 1948/49 sicher die populärste und berühmteste ist.

Berlin hatte auch schon vier Flughäfen gleichzeitig

Auch nach der Schließung des Flughafens 2008 blieb sie im kollektiven Gedächtnis der Stadt präsent. Für Berlins aeronautische Frühgeschichte waren noch weitere Orte von Bedeutung. 1915 hatte die Firma Zeppelin in Staaken einen Luftschiffhafen samt Produktionsstätte eröffnet, von dem ab 1922 auch Flugzeuge starteten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er vorübergehend von den Sowjets genutzt und dann geschlossen. Die Stadt Berlin hatte das Gelände bereits im April 1929 gekauft, kurz danach auch den Flughafen Johannisthal.

Ende der zwanziger Jahre besaß sie also mit dem 1923 erworbenen Tempelhofer Gelände und dem im Jahr darauf als Standort für die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt erworbenen Rittergut Britz insgesamt vier Flughafengelände. Der Flugplatz Britz wurde allerdings nie verwirklicht.

Tegel - Berlins jüngster funktionierender Flughafen

Gestartet wurde dagegen ab 1935 in Gatow, sogar Hitler kam zur Eröffnung des dortigen Militärflugplatzes. Nach Kriegsende von den Briten ebenfalls militärisch, teilweise auch zivil genutzt, auch die Queen und Lady Diana sind dort gelandet. Nach dem Abzug der Alliierten 1994 wurde Gatow geschlossen, auf der verkürzten Rollbahn landen nun nur noch kleine Propellermaschinen beim alljährlichen Flugplatzfest.

Die Geschichte des Flughafens Schönefeld hatte ein Jahr vor der Gatow-Eröffnung begonnen, als Flugplatz der Henschel-Flugzeugwerke. 1946 zog die sowjetische Luftwaffe von Johannisthal nach Schönefeld um, auch Aeroflot begann den ehemaligen Firmenflugplatz zu nutzen, der dann zum zentralen Flughafen der DDR ausgebaut wurde. 2006 begann der Bau des benachbarten Hauptstadtflughafens BER, die mehrfach verschobene Eröffnung ist bekanntlich noch immer offen.

Bleibt also Tegel, Berlins jüngster funktionierender Flughafen. Die Concorde ist dort schon gelandet, die Air Force One – und am 14. September 1961 sogar zwei Jagdbomber der Bundesluftwaffe, die sich über DDR-Gebiet verirrten und kurzerhand nach West-Berlin umdirigiert wurden. Tegel ist ursprünglich ein Kind der Luftbrücke. Denn Tempelhof, Gatow und die von Wasserflugzeugen genutzte Havel reichten als Landeplätze für die Versorgung West-Berlins nicht aus. Die Wahl fiel auf den ehemaligen Raketenschießplatz Tegel, auf dem in den dreißiger Jahren einige Technikpioniere, darunter der spätere „Vater der Mondrakete“ Wernher von Braun, frühe Raketenversuche unternommen hatten.

Ein einziger Flughafen ist, historisch betrachtet, der Stadt wesensfremd

Am 5. August 1948 wurde mit dem Bau begonnen, nach genau drei Monaten landete die erste Maschine. Zwölf Jahre später begann dort der zivile Flugverkehr, für den 1974 das markante Sechseck des später wiederholt ergänzten Hauptterminals eröffnet wurde.

Alles in allem ist also das angestrebte Ziel nur eines einzigen Berliner Flughafens, zumindest historisch betrachtet, der Stadt wesensfremd. Und sie wird damit, sollte Tegel tatsächlich, wie all die anderen Orte der Berliner Luftfahrtgeschichte, dichtgemacht werden, zwar keine Sonderstellung unter den internationalen Metropolen einnehmen, aber die Regel ist das Prinzip „Eine Stadt – ein Flughafen“ eher nicht.

Nehmen wir nur London: Europas größter Flughafen Heathrow reicht der britischen Hauptstadt bei Weitem nicht aus, wird durch die ebenfalls internationalen Flughäfen Gatwick, Stansted, Luton, London City und London Southend ergänzt. Paris ist durch Roissy-Charles de Gaulle, Orly, Paris-Beauvais, Paris-Le Bourget und Paris-Vatry mit der Welt verbunden, und selbst Moskau bietet gleich drei internationale Airports.

Madrid freilich hatte mit der Abkehr vom Berliner Prinzip „Einer für alle“ ausgesprochenes Pech. Zur Entlastung von Madrid-Barajas wurde im November 2008 der private Flughafen Ciudad Real eröffnet. Drei Jahre später wurde er geschlossen – mangels Nachfrage.

Die Debatte zur Tegel-Frage in der Urania
Hat der Flughafen Tegel eine Zukunft? Unter dieser Frage findet heute in der Urania auf Einladung des Tagesspiegels eine Diskussion zum Volksentscheid Tegel statt. Teilnehmer der Debatte sind: der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), der ehemalige Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes Professor Helge Sodan, FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja und Matthias Brauner, Vorsitzender der CDU Siemensstadt und Vorsitzender des CDU-Forums Stadtentwicklung. Die Debatte wird moderiert von Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt und Anna Kyrieleis, Leiterin Aktuelle Magazine beim RBB. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr. Sie können die Diskussion hier im Livestream sehen. Außerdem wird es einen Liveblog am Abend geben. Zudem begleiten wir die Debatte über unseren Twitterkanal.

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