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Wenn Tegel planmäßig geschlossen wird, werden tausende Anwohner vom Lärm entlastet.
© Sven Darmer

TXL-Volksentscheid in Berlin: Rechtlich ist der Flughafen Tegel schon dicht

Juristisch ist es eindeutig: Der Berliner Flughafen Tegel kann nicht offenbleiben. Unklar ist aber, was ein Ja beim Volksentscheid am kommenden Sonntag politisch bewirken würde.

Am Sonntag wird abgestimmt – nicht nur über den neuen Bundestag, sondern auch über das Volksbegehren zur Offenhaltung des Flughafens Tegel. Nachfolgend stellen wir die Ausgangslage, die Rechtslage und die Streitpunkte dar.

Die Ausgangslage

Der Flughafen Tegel wurde bis 1990 auf besatzungsrechtlicher Grundlage betrieben, das heißt über einen Vertrag mit den Franzosen. Im Zuge der Wiedervereinigung wurde die Fiktion geschaffen, Tegel sei ein luftverkehrsrechtlich genehmigter und rechtskräftig planfestgestellter Flughafen. 1990 wurden in Tegel 6,5 Millionen Passagiere abgefertigt. Schon damals klagten Anwohner gegen den Weiterbetrieb, da sie steigenden Lärm durch vereinigungsbedingt höhere Fluggastzahlen befürchteten. Ihre Klagen wurden 1996 zwar abgewiesen, das Oberverwaltungsgericht stellte aber dennoch fest, die gesetzliche Fiktion erlaube es nicht, den Flugbetrieb beliebig zu erweitern. Zu dieser Zeit wurden schon mehr als acht Millionen Passagiere abgefertigt.

Im Jahr 2007 stellte das Gericht klar, dass mehr Terminals unschädlich sind, so lange es nicht mehr Landebahnen werden. Deren Kapazität dürfe wiederum beschränkt werden, wenn der Lärm gesundheitsschädigend ist. Vergangenes Jahr flogen 21,26 Millionen Fluggäste ab Tegel. Die Anwohner des Flughafens kamen aber nicht in den Genuss eines verbesserten Lärmschutzes, den alle anderen Bundesbürger auf der Grundlage des 2007 erneuerten Fluglärmschutzgesetzes erhielten, da das Gesetz wegen der bevorstehenden Schließung von Tegel eine Ausnahme enthält, die bis 2019 gilt.

Vom Konsensbeschluss zum Landesentwicklungsplan

1996 beschlossen Berlin, Brandenburg und der Bund, dass die Hauptstadtregion nur noch einen Flughafen haben soll, und zwar in Schönefeld. Dieser „Konsensbeschluss“ ist der Anfang vom Ende Tegels (und natürlich Tempelhofs). Es folgten ein Landesplanungsvertrag, ein Landesentwicklungsprogramm (LEPro) und verschiedene Landesentwicklungspläne (LEP), von denen besonders der LEP Berlin-Brandenburg (LEP BB) und der LEP FS relevant sind. Das FS steht für Flughafenstandortentwicklung, es gibt darin Festlegungen, deren „beachtenspflichtiges Ziel“ mit der Nummer eins, also Z1, die Schließung von Tegel (und Tempelhof) binnen sechs Monaten nach BER-Inbetriebnahme ist. Das Ziel 6.6 des LEP BB nimmt darauf Bezug. Der Landesplanungsvertrag ist ein Staatsvertrag, die Landesentwicklungspläne sind Rechtsverordnungen, und der Planfeststellungsbeschluss ist ein Verwaltungsakt. Die Rechtsverordnungen mussten von Berlin und Brandenburg separat, aber wort- und zeitgleich erlassen werden.

Die rechtliche Sicht der Dinge

Im Juli 2004 wurde dem Flughafen Berlin-Tegel die Betriebserlaubnis entzogen, rechtlich ist Tegel seitdem dicht. Allerdings steht dieser Verwaltungsakt unter der aufschiebenden Bedingung einer Inbetriebnahme des BER. Zugleich wurde das Gelände entwidmet, es ist also kein Flughafen mehr. Dies geschah 2006, auch dies aufschiebend bedingt. Im Streit um die rechtlichen Fragen meinen nun einige, man könne doch einfach den Widerruf der Betriebserlaubnis widerrufen, dann lebe die Betriebserlaubnis wieder auf, und analog mit der Widmung verfahren. Doch ist dies zu einfach gedacht, denn es gibt ja auch die landesplanerischen Entscheidungen für die Schließung als Ziele der Raumordnung. Diese sind rechtlich höherwertig als der bloße Verwaltungsakt. Sie müssten zuerst geändert werden, was nur mit der Zustimmung Brandenburgs geht.

Das Argument mit den Fluggastzahlen zieht nicht

Hinzu kommt, dass es in den Schließungsverfahren Abwägungsentscheidungen zu den öffentlichen Belangen gegeben hat, die alle höchstrichterlich geprüft und bestätigt wurden. Wollte man nun bei derselben Abwägung zu einem anderen Ergebnis kommen, braucht es dafür einen guten Grund. An dieser Stelle werden meist die massiv gestiegenen Passagierzahlen angeführt, denen der BER allein nicht gewachsen sei. Doch auch dies ist schon durch Gerichte geklärt: Es kommt nicht auf die Kapazität der Terminals an, sondern auf das, was das Rollbahnsystem schaffen kann, die so genannte Betonkapazität. Diese ist aber nach Überzeugung des Senats und seiner Gutachter weiter ausreichend. Um neue Terminals zu bauen, bedarf es keines aufwendigen Verfahrens. Man müsste begründen können, warum es ausgeschlossen ist, neue Terminals am BER zu bauen. Dass dies ausgeschlossen ist, behaupten selbst Befürworter einer Offenhaltung von Tegel nicht.

Der Streit der Juristen

Zunächst mal: Alle Juristen sind sich einig, dass die geltende Rechtslage klar und eine Offenhaltung von Tegel eigentlich nicht möglich ist. FDP, AfD und Teile der CDU meinen allerdings, man könne die Rechtslage anpassen, die Rechtsverordnungen aufheben, die Ziele der Raumplanung ändern, um doch möglich zu machen, dass Tegel offenbleibt. Theoretisch mag das gehen, jedoch würde es lange Verwaltungsverfahren und Gerichtsprozesse auslösen, zudem braucht es die Zustimmung Brandenburgs und des Bundes, und beide sind derzeit nicht zu bekommen. Selbst wenn man diesen Prozess begänne, wäre er in dem Augenblick tot, in dem der BER ans Netz geht, da dann die Bedingung für die Stilllegung Tegels eintritt. Man müsste also entweder sehr schnell sein oder der Fortschritt am BER sehr langsam.

Politisch wird es schwierig, wenn der Volksentscheid mit Ja endet

Manche meinen nun, man könne doch einfach erstmal die Sechsmonatsfrist verlängern. Dafür bedarf es eines Zielabweichungsverfahrens, es müssen Bescheide geändert, die Beteiligten angehört und triftige Gründe gefunden werden – und man kommt dann in die Pflicht, Tegel noch teuer mit Schallschutz auszustatten.

Einen politischen Willen pro Tegel gibt es bisher nur in der Opposition – der rot-rot-grüne Senat ist für die Schließung. Es erscheint auch deshalb rechtlich gesehen als reine Theorie, den Airport offen zu halten. Interessant wird aber, welche politische Dynamik sich nach einem möglichen „Ja“ im Volksentscheid entfaltet.

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