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Ralf Steeg auf der von ihm erdachten Anlage.
© Doris Spiekermann-Klaas

Sauberes Wasser: Berlin bremst das Projekt "Spree 2011"

Seit 15 Jahren arbeitet der Ingenieur Ralf Steeg an seinem Konzept für die saubere Spree. Er wird viel gelobt dafür – und zugleich sabotiert.

Als Anfang August die Chefs von Stadtentwicklungsverwaltung und Wasserbetrieben mit zwei Dutzend Journalisten über die Spree schipperten, priesen sie ein gigantisches Projekt – und verschwiegen ein anderes. Gepriesen wurde das 157 Millionen Euro schwere Stauraumprogramm der Berliner Wasserbetriebe (BWB). Das soll bis 2020 mindestens die Hälfte der etwa 30 jährlichen „Mischwasserüberläufe“ aus der Kanalisation verhindern: Straßendreck und Fäkalien sollen nicht mehr die Gewässer verschmutzen, sondern zwischengespeichert werden.

Im Osthafen zwischen Elsen- und Oberbaumbrücke tuckerte wie zufällig das vom Senat betriebene Belüftungsschiff „Rudolf Kloos“ neben dem Journalistendampfer her. Das pumpt im Sommer Sauerstoff in die Gewässer, damit nicht nach jedem Regenguss massenhaft Fische ersticken. Kosten: rund 350 000 Euro im Jahr.

Das Projekt wurde sabotiert

Ein anderes Mittel für denselben Zweck wurde dagegen nur auf Nachfrage gezeigt: Das ebenfalls im Osthafen stationierte Speichersystem „Spree 2011“, mit dem der Ingenieur Ralf Steeg seit rund 15 Jahren den Traum vom sauberen Fluss verwirklichen will. Mehrfach hat sich Berlin in aller Welt mit diesem Pilotprojekt geschmückt, das exemplarisch für grüne Technologie und deutsche Ingenieurskunst stehen kann: Die Brühe fließt aus der Kanalisation in gewaltige, versenkte Rohre; die entweichende Luft wird gefiltert, damit nichts stinkt. Nach dem Regen wird der Dreck ins Klärwerk gepumpt.

Das Bundesforschungsministerium förderte das Projekt mit zwei Millionen Euro, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit wünschte ihm in einer Rede noch 2014 „viel Erfolg und die nötige Unterstützung aller Partner, auf die es ankommt.“ Doch die, auf die es ankäme, sabotieren das Projekt.

Wanderweg direkt am Ufer

Zum Auftakt schrieb die landeseigene Hafengesellschaft Behala mehrfach an Steeg, dass ihm der Osthafen für sein Projekt „jetzt und zukünftig nicht zur Verfügung steht“. Nachdem die Anlage 2013 doch in Betrieb gehen konnte, stritt Steeg mit den Wasserbetrieben darum, die Oberfläche nutzen zu können.

„Wenn es nach uns gegangen wäre, würden wir jetzt in einer Art Dschungel stehen“, sagt er beim Ortstermin auf dem mit nackten Gitterrosten belegten Ponton mit Blick auf die Oberbaumbrücke. „Wir hätten hier überbordendes Grün, viele Menschen, wahrscheinlich eine Bar.“

Die Anlage fängt Dreckwasser auf.
Die Anlage fängt Dreckwasser auf.
© Doris Spiekermann-Klaas

Die Option zur Nutzung der Fläche steht sogar in seinem Vertrag mit den BWB. Die reagieren laut Steeg inzwischen nicht mehr, nachdem er sie immer wieder bekniet habe. Dem Tagesspiegel teilt das Landesunternehmen mit, die Frage der Nutzung stelle sich nicht, da es kein offizielles Wegerecht zur Anlage gebe. „Von wegen“, sagt Steeg. „Direkt am Ufer verläuft doch der öffentliche Wanderweg.“

Es wäre jetzt schon billiger

Als weiteres Argument gegen „Spree 2011“ werden seit Jahren die Kosten für die Hightech-Pontons angeführt. Die 480 Kubikmeter fassende Pilotanlage kommt auf eine Investition von 3660 Euro pro Kubikmeter Speichervolumen. Als Kosten für ihre eigenen Speicherbauten nennen die Wasserbetriebe auf Tagesspiegel-Anfrage 1500 bis 2500 Euro pro Kubikmeter. Die Stadtentwicklungsverwaltung nannte auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hin im Februar sogar nur 1000 bis 1500 Euro.

Solche Zahlen schwächen Steegs Position. Und: Er selbst hat auf Basis von – öffentlich zugänglichen – Mitteilungen der Wasserbetriebe ganz andere ermittelt. So kam er für deren Speicher auf durchschnittlich 4100 Euro pro Kubikmeter. Er wäre also schon jetzt billiger und würde seinen Vorsprung noch ausbauen können, weil größere Anlagen stets günstiger sind als kleine.

"Nicht ganz fair"

Selbst die BWB bezeichnen den Kostenvergleich mit der naturgemäß relativ teuren Pilotanlage als „nicht ganz fair“. Gerade wegen der Kosten sei der Bau von Anlagen mit weniger als 800 Kubikmeter Volumen „nicht als zielführend anzusehen“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit.

Doch in Neukölln haben die BWB 2011 selbst einen Speicher gebaut, der nur 700 Kubikmeter fasst und nach deren eigenen Angaben 4,5 Millionen Euro gekostet hat. Macht 6429 Euro pro Kubikmeter. Obendrauf kommen die Begleiterscheinungen der Großbaustelle, die bei Steeg wegfallen.

Noch viel dreckiges Wasser kommt in die Spree

Dass „Spree 2011“ funktioniert, hat die Technische Universität bescheinigt. Um die Spree zwischen Elsenbrücke und Mühlendammschleuse vor 90 Prozent der problematischen Regengüsse – weit mehr als die von den BWB avisierten 50 Prozent – zu schützen, müssten laut Steeg rund 28 000 Quadratmeter Pontons installiert werden.

Das entspreche 5,2 Prozent der Wasserfläche in diesem Bereich. Sichtbar wären nur 1,7 Prozent. Doch im Moment scheint die Pilotanlage im Osthafen nicht nur der Anfang, sondern auch das Ende seines Traums zu sein. Auch auf die Politik kann er kaum hoffen: Der Einsatz der Pontons in großem Stil wäre „nicht zielführend“, sagt Umweltstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) mit Verweis auf den Platzbedarf.

Als Steegs Co-Chef im vergangenen Jahr um einen Termin bei Gaebler bat, erhielt er eine Absage: kein Gesprächsbedarf. Es wird also noch viel dreckiges Wasser in die Spree fließen. Und Steeg muss hoffen, dass er bei den auswärtigen Fachbesuchern seiner Anlage mehr Begeisterung wecken kann als bei denen, von denen er in Berlin abhängig ist.

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