Hauptstadtflughafen: BER-Erweiterungspläne sind auf Sand gebaut
Alle fliegen auf Berlin. Nur der Flughafen selbst glaubt nicht an seinen Erfolg. Das Ausbauprogramm für den neuen Airport basiert auf falschen Zahlen.
Berlins neuer Flughafen steuert auf ein Abfertigungschaos zu, wenn er 2019 oder 2020 eröffnen sollte. Der BER und der dann weiter betriebene Schönefelder Flughafen werden vom ersten Tag an am Limit operieren, nachdem 6,5 Milliarden Euro ausgegeben wurden. Zwar versucht die von Chefmanager Engelbert Lütke Daldrup geführte Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburg und des Bundes (FBB) jetzt mit einem Ausbauprogramm, das Problem zu entschärfen – erst Recht vor dem Berliner Volksentscheid um ein Offenhalten des Flughafen Tegels.
Lütke Daldrup, früherer Berliner Flughafenkoordinator des Regierenden Michael Müller (SPD), lehnt einen Weiterbetrieb ab. Geplant ist ein 100 Millionen Euro teures Zusatzterminal am BER-Nordpier für sechs Millionen Passagiere, das aber nicht vor Frühsommer 2020 fertig sein wird. Auch wird für die Bundespolizei schon einmal ein dreigeschossiger Neubau nahe dem BER-Terminal geplant, wie es aus einer aktuellen Ausschreibung der Flughafengesellschaft hervorgeht. Und der Aufsichtsrat hat vor zwei Wochen ein Erweiterungsprogramm für die Jahre 2024 bis 2040 angeschoben.
BER an der Belastungsgrenze
Doch nach Tagesspiegel-Recherchen sind alle diese Planungen auf Sand gebaut – nämlich auf dramatisch zu geringen FBB-Prognosen für das Passagierwachstum. Voriges Jahr wurden an den beiden Altflughäfen Tegel (TXL) und Schönefeld/Alt (SXF) 32,9 Millionen Passagiere abgefertigt. Der BER schafft aber in den Anfangsjahren nur 22 Millionen Passagiere, etwa so viel wie Tegel. Im alten DDR-Flughafen Schönefeld, einst für eine Million Passagiere (1990) ausgelegt, checkten voriges Jahr 12 Millionen Passagiere ein oder aus – so viele wie in Köln/Bonn. Ohne den Weiterbetrieb von SXF, der wie Tegel geschlossen werden sollte, könnte zum BER-Start jeder dritte Passagier in Berlin nicht abgefertigt werden.
Doch alle fliegen auf Berlin, wo die Flughäfen Jahr für Jahr ein Rekordwachstum, deutlich über dem deutschen Durchschnitt, vermelden. 2016 waren es – vor allem wegen der Expansion der Billig-Airline Ryanair – über 10 Prozent mehr. Für eine Trendwende gibt es keine Anzeichen.
Von Prognosen und Luftschlössern
Üblich ist es, dass Flughäfen Erweiterungen mit einer Reserve zehn Jahre im Voraus planen. Berlin macht das Gegenteil. Der FBB-Entwurf für den „Infrastruktur-Masterplan BER 2040“ basiert bereits auf einer zu geringen Passagierprognose, nach der für 2017 in Berlin 34 Millionen Passagiere, 2018 dann 35 Millionen Passagiere, 2019 etwa 36 Millionen Passagiere und 2020 nur 37 Millionen Passagiere erwartet werden. Das entspräche Wachstumsraten von rund 2 Prozent, weit unter dem Trend in der Welt und in Deutschland. Die Entwicklung sieht anders aus – wie die jetzt veröffentlichte FBB-Bilanz für das erste Halbjahr 2017 belegt. Danach wurden bis Juni in Schönefeld und Tegel 16,2 Millionen Passagiere abgefertigt – 6,8 Prozent mehr als Vorjahreszeitraum.
Setzt sich das fort, werden 2017 nicht 34, sondern über 35 Millionen Passagiere abgefertigt. Und 2019 – vor Herbst 2019 ist ein BER–Start unrealistisch – müssten dann in Schönefeld mindestens 38 Millionen Fluggäste abfertigt werden: vier Millionen mehr als die Kapazität. Es wird eng. Man wird warten müssen. Doch im Tagesspiegel-Interview sagte Berlins Regierender Michael Müller(SPD), der bis Frühjahr FBB-Aufsichtsratschef war, vorige Woche: „Wir werden in Schönefeld schon ab dem Start bessere Bedingungen als jetzt in Tegel haben - bei der Abfertigung, den Kapazitäten.“ Schön wäre es.
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