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Zum Haare raufen. Katrin Lompscher ist nicht mehr Senatorin für Stadtentwicklung.
© Wolfgang Kumm/dpa
Update

Nach dem Lompscher-Rücktritt: Bei den Linken beginnt die Nachfolgesuche

Ex-Bausenatorin bekommt Lompscher Respekt für ihren Rücktritt, drei Nachfolge-Namen kursieren bereits. Grüne und SPD stellen die Koalition nicht infrage.

Um 11 Uhr am Sonntagvormittag stand die Entscheidung von Katrin Lompscher fest: Die Linken-Politikerin und Stadtentwicklungssenatorin wusste schon vor dem rund zweistündigen Telefonat mit den Amtskollegen Elke Breitenbach und Klaus Lederer, der Fraktionsspitze Anne Helm und Carsten Schatz, und der Parteivorsitzenden Katina Schubert, dass sie mit sofortiger Wirkung zurücktreten wird.

Nachdem bekannt geworden war, dass Lompscher die durch Bezüge aus Verwaltungsrats- und Aufsichtsratstätigkeit fällig gewordenen Steuern für die Jahre 2017 und 2018 nicht gezahlt hatte, sei klar gewesen, „dass man diesen Fehler nicht erklären kann“, sagte eine Linken-Politikerin. „Ein dämlicher Fehler, den man nicht plausibel erklären kann.“ Lompscher habe sich um „wichtige fachliche Entscheidungen“ gekümmert, dieses Versäumnis habe sie nicht im Blick gehabt.

Lompscher gilt als persönlich unprätentiös. Parteifreunde und Spitzen in der Koalition unterstellen ihr nicht, dass sie sich an den zusätzlichen Einnahmen von 15.427 Euro für die Jahre 2017 und 2018, die sie steuerlich nicht abführte, hätte persönlich bereichern wollen.

Aber sie war schon einmal von 2006 bis 2011 Gesundheits- und Verbraucherschutzsenatorin. Sie hätte das Prozedere eigentlich wissen müssen.

An Alternativen, am „Aussitzen“ dieses Fehlers dachte bei den Linken niemand, denn das wäre der Partei während des Wahlkampfs um die Ohren geflogen. „Und wir hätten das auch niemand anderem durchgehen lassen“, betonen Linkspolitiker.

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Auf der Suche nach einem Nachfolger will sich die Partei diese Woche „für Sondierung und Sichtung“ Zeit nehmen, hieß es. Anwärter ist der für den Geschäftsbereich Wohnen zuständige Staatssekretär Sebastian Scheel, der fachlich versiert ist und den Verwaltungsapparat gut kennt.

Auch zwei Frauen werden als Nachfolgerin gehandelt

Auch Katja Jösting, eine enge Mitarbeiterin von Lompscher, wird in Koalitionskreisen als mögliche Kandidatin genannt. Die frühere Fraktionsvorsitzende Carola Bluhm wäre theoretisch auch eine Nachfolgekandidatin. Sie hat maßgeblich den Mietendeckel in der Koalition verhandelt und war von 2009 bis 2011 Sozialsenatorin.

Jedoch sind Bluhm und Udo Wolf auch aus privaten und familiären Gründen von der Fraktionsspitze zurückgetreten. Sehr unwahrscheinlich, dass sie sich als Interims-Nachfolger im Senat bis zur Wahl 2021 zur Verfügung stellen würden.

Carola Bluhm und Udo Wolf haben im Juni ihre Ämter abgegeben. 
Carola Bluhm und Udo Wolf haben im Juni ihre Ämter abgegeben. 
© Soeren Stache/dpa

Es gibt keinerlei Intentionen in der SPD und bei den Grünen, dass mit dem Rücktritt von Lompscher die Koalition infrage gestellt wird. Und es wird auch nicht über einen weiteren Austausch von Senatoren in den Parteien nachgedacht.

Müller: "Verlässliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit"

Am Rande der Pressekonferenz zur Unterzeichnung eines Letter of Intent über den Erhalt von vier Karstadt-Standorten in Berlin sagte Berlins Regierender Bürgermeister Müller zu Lompschers Rücktritt: „Ich bedauere es. Es gab schon mal unterschiedliche Vorstellungen zu Neubauzahlen und Plänen. Insgesamt war es eine verlässliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Sie (Lompscher) hat für sich selbst entschieden, dass ein eindeutiges Fehlverhalten vorliegt.“ Das sei zu respektieren.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) bedauert den Rücktritt Lompschers.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) bedauert den Rücktritt Lompschers.
© John MacDougall/AFP

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne): „Der Rücktritt kam überraschend. Sie hat persönlich einen Fehler gemacht und die Konsequenzen gezogen. Das ist souverän und zu respektieren.“ Eine weitere Senatsumbildung werde es nicht geben. „Das ist ein aus persönlichen Gründen erfolgter Rücktritt.“

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Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek sagte dem Tagesspiegel, sie sei „sehr überrascht“ von Lompschers Rücktritt. „Ich bedauere diesen Schritt. Ich habe mit Katrin Lompscher sehr gut zusammengearbeitet. Ihre Entscheidung ist ein Zeichen von Stärke und Mut.“

SPD-Fraktionschef Raed Saleh sagte dem Tagesspiegel: „Frau Lompscher hat aus Fehlern Konsequenzen gezogen, vor dieser Entscheidung habe ich Respekt.“ 

Der Geschäftsführer der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB), Alexander Schirp, sieht in dem Rücktritt dagegen eine Chance für einen Neubeginn in der Wohnungspolitik: „Berlin muss alle Potenziale nutzen, damit so schnell wie möglich mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht. Bislang ist die Stadt hier unter ihren Möglichkeiten geblieben.“ Es gelte nun, alle Akteure am Wohnungsmarkt an einen Tisch zu holen, um die Hindernisse für mehr Neubau aus dem Weg zu räumen so Schirp.

Die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK), Beatrice Kramm, teilte mit: „Wer auch immer die Nachfolge an der Spitze dieses Schlüsselressorts für die Zukunft Berlins antritt, übernimmt mit dem Amt auch eine Reihe von Baustellen. Die nicht erreichten Neubauziele und der Mietendeckel sind da nur zwei Beispiele.“ Der Wechsel biete, so Kramm, aber auch die Chance auf einen „Reset“ in der Zusammenarbeit mit allen Akteuren beim Thema Stadtentwicklung. „Berlin braucht mehr bezahlbaren Wohnraum – gerade auch für Menschen mit mittleren Einkommen. Nur gemeinsam mit der Wohnungsbauwirtschaft lässt sich dieses Ziel erreichen. Die Berliner Wirtschaft steht für die Zusammenarbeit bereit.“

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