Rücktritt von Berlins Bausenatorin Lompscher: Eine Frau für die alten Mieter, nicht für die neuen
Katrin Lompscher hinkte von Anfang an dem Wachstum Berlins hinterher – und hat trotz ihres Rücktritts Bleibendes hinterlassen. Ein Kommentar.
Sie war eine der umstrittensten Politikerinnen Berlins. Und dennoch eine der anerkanntesten. Am Sonntagabend ist Katrin Lompscher überraschend als Stadtentwicklungssenatorin zurückgetreten.
Die Linken-Politikerin hatte in der abgelaufenen Woche auf eine parlamentarische Anfrage hin zugeben müssen, ihre Bezüge aus Verwaltungsrats- und Aufsichtsratstätigkeiten nicht korrekt abgerechnet zu haben; auch bei ihrer Steuer hatte sie versäumt, die Einnahmen korrekt anzugeben. Nun zog Lompscher konsequent die Konsequenz – den Differenzbetrag hat sie bereits an die Landeskasse zurückgezahlt.
Lompscher hatte von Anfang an eine sehr bewegte Zeit als Senatorin. Nach ihrem Amtsantritt musste sie sich lange damit beschäftigen, dass der von ihr berufene Staatssekretär Andrej Holm falsche Angaben zu seiner einstigen Stasi-Tätigkeit gemacht hatte.
Nach dessen Rücktritt holten Lompscher schnell die Wachstumsschmerzen der Hauptstadt ein, die mit dem beständigen Zuzug überfordert ist und deren Wohnungsmarkt inzwischen von spätkapitalistischer Dekadenz geprägt ist. Dagegen setzte die Linke mit Vorkämpferin Lompscher ein Mittel (das eigentlich die SPD erfunden hatte) und machte damit bundesweit Furore, auch wenn es der gerichtlichen Prüfung noch standhalten muss: den Mietendeckel.
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Lompscher gelang es mit politischem Geschick und Gespür für die Stimmung der alteingesessenen Berlinerinnen und Berliner, die Bestandsmieten zunächst gesetzlich zu begrenzen (falls der Deckel nicht rechtlich gekippt wird und Mieterinnen und Mieter womöglich nachträglich draufzahlen). Allen, die eine Wohnung suchen, ist damit allerdings noch nicht geholfen.
Zu wenig Wohnraum in der Stadt
Zur Bilanz von Lompscher gehört genauso, dass viel zu wenige Wohnungen entstehen. Potenziale auf vielen Dächern, in Lücken und auf größeren Entwicklungsgebieten der Stadt gibt es immer noch genug – doch zu viele Regularien und eine Berliner Verwaltung am Rande der eigenen Bewegungsfähigkeit machen das Bauen schwer. Und derzeit rentieren sich auf dem Immobilienmarkt selbst Brachen, die statt bebaut immer nur teurer weiterverkauft werden.´
Hinzu kommt der lokale Widerstand von Nachbarschaftsinitiativen, die nicht noch mehr neue Nachbarinnen und Nachbarn haben wollen – dieser Protest wurde etwa im Nordosten Berlins durch ungeschickte Kommunikation von Lompschers Verwaltung noch angeheizt.
So hinkte Lompscher von Anfang an und bis zuletzt den eigenen Zielen hinterher – und die städtischen Wohnungsbaugesellschaften ächzen immer mehr unter den Vorgaben, viel zu bauen oder zur Rettung einiger Mieter vor internationalen Investoren zuzukaufen und gleichzeitig weniger einnehmen zu sollen.
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Lompscher ging darüber und auch über andere Probleme ihrer Stadtentwicklungsbehörde, der weiterhin eine Vision für eine sozial austarierte, auch nach Brandenburg weiterentwickelte und ökologisch zukunftsfähige Stadt zu fehlen scheint, mit Berliner Nonchalance und auch mal einem schnauzigen Spruch hinweg.
Dennoch hat Katrin Lompscher drei wichtige Dinge und damit Bleibendes für Berlin erreicht: Sie hat die Interessen der Berliner Mieterinnen und Mieter wieder in den Mittelpunkt der politischen Debatte gebracht. Sie zeigt, dass Politiker nach Verfehlungen auch schnell zurücktreten können und sich nicht endlos im Amte winden müssen wie etwa Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Und sie hat den Kritikern ihrer Partei, der Linken, eine wichtige Angriffsfläche im heraufziehenden Wahlkampf genommen: sich selbst.