Senatoren-Suche der Grünen: Bedingt regierungsfähig
Um das Senatsressort Verkehr und Umwelt tobt bei den Grünen ein peinlicher Quotierungs-Machtkampf. Regierungsfähigkeit sieht anders aus. Ein Kommentar.
Sie wollen besser als alle anderen regieren, sie möchten die Berliner stärker in Entscheidungen miteinbeziehen und halten ihre Debattenkultur bei jeder Gelegenheit stolz hoch. Die Grünen haben hehre Ansprüche. In der Wirklichkeit aber sind die Berliner Grünen zurzeit an Peinlichkeit kaum zu überbieten und reihen sich ein in die innerparteilichen Verwerfungstendenzen anderer Parteien.
Die Linke in Lichtenberg lässt ihre eigene Bürgermeisterkandidatin durchfallen, die CDU säbelte ihren Noch-Parteichef Frank Henkel systematisch ab, in der SPD laufen viele mit offenem Messer in der Tasche herum. Und bei den Grünen tobt ein Machtkampf zwischen Parteilinken und Realos bei der Suche nach ihren Senatoren. Als einzige designierte Senatorin ist Ramona Pop gesetzt und wird das Ressort Wirtschaft und Energie übernehmen. Der Parteilinke Dirk Behrendt soll das Justizressort übernehmen. Und dachte man, dass die Grünen ausgerechnet mit dem Ressort Verkehr und Umwelt ihren originären Markenkern treffen und sofort einen Senator präsentieren könnten, wird man nun eines Besseren belehrt.
Ein ausgewiesener Verkehrsexperte ist der Pankower Stadtrat Jens-Holger Kirchner. Nur hat Kirchner zwei Probleme: Er ist nicht Parteilinker, und er ist keine Frau. Aber zwei von drei Posten sollen Frauen bekommen. Statt guter Fachpolitik zählt in Berlin grüne Quotierungs-Arithmetik.
Dass das auch anders geht, hat sich bereits auf Bundesebene gezeigt. Im rot-grünen Schröder-Kabinett saßen zwei grüne Männer und Renate Künast. Das war möglich, weil der eine neben Joschka Fischer Jürgen Trittin hieß und Parteilinker ist.
Die Grünen-Flügel gönnen einander nichts
Hatten die Berliner Grünen in den Koalitionsverhandlungen davon gesprochen, dass man sich in einer rot-rot-grünen Regierung gegenseitig etwas gönnen müsse, gilt das für das Verhalten in der eigenen Partei nicht. Denn Personalpolitik ist Machtpolitik. Und das versucht die Parteilinke gerade auszuspielen. Sie hat die Mehrheit in der Fraktion und glaubt, sie könne die grüne Besetzung des Senats bestimmen. Da machen die Realos nicht mit. Die müssen erst einmal die Personalie Behrendt verdauen.
Es war der Parteilinke Behrendt, der die Fraktion 2011 fast zur Spaltung brachte. Fünf Jahre lang hielt der Burgfrieden, der zwischen Realos und Fundis erst nach Mediation geschlossen wurde. Offensichtlich nur eine schöne Fassade, geschmückt mit wohlfeilen Bekenntnissen. In dem Moment, in dem es um Macht und Positionen geht, geht’s wieder los.
Die Grünen präsentieren sich nur bedingt regierungsfähig. Wie sollen künftig wichtige Absprachen schnell getroffen werden? Mithilfe eines Mediators? Lädt man alle paar Wochen zur Krisensitzung? Es ist jetzt Aufgabe des Landesvorstands, einen Personalvorschlag vorzulegen und den Flügelstreit zu beenden. Oder die Grünen bitten die Berliner gleich um ihre Vorschläge für einen Verkehrssenator. Ganz im Sinne von gutem Regieren.
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