Nach Rückzug von Evrim Sommer: Lichtenberger Linke in der Krise
In Lichtenberg kämpft die Linke mit parteiinternem Streit und sucht eine weibliche Bürgermeisterkandidatin - doch die ist nicht in Sicht.
Die Lichtenberger Linke beklagt nach dem Rückzug von Evrim Sommer ein personelles Desaster. „Das war der größte anzunehmende Unfall“, sagte ein Spitzengenosse am Dienstag, denn man habe schlicht keine Alternative parat.
Sommer hatte am Montag ihre Bewerbung als Bezirksbürgermeisterin zurückgezogen, nachdem sie letzte Woche in zwei Wahlgängen die nötige Mehrheit verfehlt hatte. Zuvor hatte es Medienberichte gegeben, sie habe ihren Lebenslauf geschönt. In ihrer Rückzugserklärung hatte Sommer aber vor allem ihre eigene Fraktion für ihr Scheitern verantwortlich gemacht. Die habe ihr in Teilen misstraut und anonym gegen sie gestimmt.
"Sommer hatte und hat das vollste Vertrauen der Fraktion genossen"
Die Fraktion selbst äußerte sich zu den Vorwürfen am Montagabend nach einer Krisensitzung: „Evrim Sommer hatte bei ihrer Nominierung zur Kandidatin und bei der Wahl zur Bürgermeisterin die einstimmige Unterstützung der Fraktion“, hieß es in einer Pressemitteilung. Man bedauere Sommers Entscheidung und suche nun nach einem alternativen Kandidaten für die angestrebte Bürgermeisterwahl am 15. Dezember. Der Fraktionsvorsitzende, Daniel Tietze, ergänzte am Dienstag auf Nachfrage: „Frau Sommer hatte und hat das vollste Vertrauen der Fraktion genossen.“
Sommer reagierte im Gespräch mit dem Tagesspiegel enttäuscht. „Ich hätte mir mehr Selbstkritik erhofft“, kommentiert sie die Parteierklärung. „Schon im Wahlkampf wurde ich ständig angegriffen und diskreditiert.“ Namen will sie öffentlich nicht nennen. Eine Funktionärsebene von zehn bis fünfzehn Personen habe gegen sie Stimmung gemacht. „Die Basis hat mich aber unterstützt.“
Michael Grunst wird wohl nicht Bürgermeister
Dass Sommer nicht die volle Unterstützung des Kreisverbands hatte, konnte sie bereits auf der Hauptversammlung am 8. Oktober erleben. Dort galt die Kür der Spitzenkandidatin zur Bürgermeisterkandidatin eigentlich als parteipolitische Formalie. Letztlich wurde sie aber mit einem mageren Ergebnis von 74,2 Prozent gewählt und musste sich viel Kritik über ihren Wahlkampf anhören. Einige stellten infrage, ob sie dem Bürgermeisteramt überhaupt gewachsen sei und beantragten, die Wahl des Kandidaten um 14 Tage zu verschieben. Erst durch Solidaritätsbekundungen von Parteifreunden und eine Brandrede der Lichtenberger Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch bekam sie die verhaltene Unterstützung. Restlos überzeugen konnte die Genossen die Rede aber offenbar nicht.
Wer Sommer nun folgt, blieb am Dienstag unklar. „Wir sind in Gesprächen“, sagte Lötzsch dem Tagesspiegel. „Ich hoffe, dass alle erkennen, wie ernst die Situation ist.“ Klar sei, dass die nächste Bürgermeisterkandidatin eine Frau sein müsse. Damit würde Michael Grunst, der mit Sommer als Doppelspitze den Lichtenberger Kreisverband führte, keine Chance haben. Grunst sieht das auch so: „Ich gehe im Moment davon aus, dass ich Stadtrat werde.“
Kritik an Fraktions-Chef Tietze
Trotzdem erwarten erfahrene Genossen spätestens auf der nächsten Linke-Kreisversammlung am kommenden Sonnabend, dass „das Hauen und Stechen weitergehen werde“. Verärgert sind einige Genossen auch über Linken-Chef Tietze. „Er hätte seine Fraktion im Griff haben müssen“, heißt es. Stattdessen habe das Wahlergebnis der Partei geschadet.
Aber auch Evrim Sommer muss sich Kritik anhören. Langjährige Wegbegleiter sagen, die Politikerin sei beratungsresistent gewesen, als man sie auf die Gefahren einer Bürgermeisterkandidatur hingewiesen habe. Trotz ihres Rückzugs stärkt Lötzsch wiederum die Position von Sommer. „Es ist wichtig, dass Evrim Sommer weiterhin eine wichtige Rolle in der Partei spielt.“
Sommer selbst wollte sich am Dienstag noch nicht festlegen, wie es für sie weitergeht: „Ich bleibe erst einmal Mitglied in der BVV-Fraktion.“ Sie führe auch Gespräche mit alten Parteifreunden. „Eigentlich habe ich mir aber noch keine Gedanken über meine Zukunft gemacht.“