Brandenburger Freiheitspreis: Baugenossenschaft aus Prenzlauer Berg ausgezeichnet
Die „Bremer Höhe“ erhält in diesem Jahr den Brandenburger Freiheitspreis. Gelobt wird ihr pflichtbewusster Umgang mit Wohnraum.
Wenn die Mieten steigen, es immer schwerer wird, eine bezahlbare Wohnung zu finden, stehen Familien, Ältere in Berlin und in Brandenburg vor großen und unlösbaren Fragen. Das sagt Wolfgang Huber, der Altbischof und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Wohnen als Gut sei hochgradig gefährdet.
Huber sitzt am Montagvormittag im Büro der Wohnungsbaugesellschaft „Bremer Höhe“ in Prenzlauer Berg und erklärt, warum genau diese nun mit dem „Brandenburger Freiheitspreis“ geehrt werden soll. Mit am Tisch sitzt Ulf Heitmann, ein Vorstand der Genossenschaft. Und deren Geschichte erzählt viel über die Probleme der Menschen in Berlin. Oder wie Huber es sagt: „Wie Menschen wohnen ist ganz maßgeblich dafür, wie sie ihr Leben gestalten und von ihrem Leben freien Gebrauch machen können.“
Das hat auch die Bewohner von 49 Häusern im Karree zwischen Schönhauser Allee und Pappelallee in Prenzlauer Berg im Jahr 1999 bewegt. Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft wollte die Häuser an einen privaten Investor aus Hamburg verkaufen. Die Bewohner gründeten die Genossenschaft, unterstützt vom Senat.
Damals ging das auf kurzem Dienstweg, wie Heitmann erzählt, nämlich am Rande eines Neujahrsempfangs im Gespräch mit dem damaligen Bausenator Peter Strieder (SPD). Die Genossenschaft hat die erworbene Häuser mit 460 Wohnungen saniert – und wächst seither. Andere Bewohnerprojekte gingen in der Genossenschaft auf, inzwischen gehören ihr Häuser in Lichtenberg, Schöneberg, das Georg-von-Rauch-Haus in Kreuzberg, sogar Flächen für eine Wagenburg oder ein einst besetztes Haus in Friedrichshain. Und seit 2010 ist die Genossenschaft auch in Brandenburg aktiv. Aber dazu später.
Steinmeier als Schirmherr
Ins Leben gerufen worden war der Brandenburger Freiheitspreis im Jahr 2015 vom Domstift Brandenburg. Schirmherr war damals und wie heute Frank-Walter Steinmeier, erst als Bundesaußenminister, nun als Bundespräsident. Vergeben wird der Preis am 11. Oktober, wenn die Grundsteinlegung für den Dom zu Brandenburg/Havel, die Wiege der Mark, im Jahr 1165 gefeiert wird.
Im Jahr 2016 ehrte die Jury das Menschenrechtszentrum Cottbus. Einst stand dort ein Gefängnis, politische Gefangene, Republikflüchtlinge saßen dort ein. Nach der Wende, als der Bau abgerissen werden sollte, die Flächen an einen Investor verkauft werden sollte, machten sie die früheren Insassen für die Erhaltung stark – damit die Erinnerung an diesen Ort wach bleibt, aber auch, um auf Menschenrechtsverletzungen in der Gegenwart aufmerksam zu machen, wie etwa auf den Völkermord der Terrormiliz IS an den Jesiden im Norden Iraks.
„Eigentum verpflichtet“
Nun ist es ein weiter Bogen von der Erinnerung an die Repressalien in einer Diktatur zu einer von Mietern in Not gegründeten Wohnungsbaugenossenschaft. Aber Freiheit ist eben mehr, nicht nur die Freiheit von Zwang und Fremdbestimmung, wie Steinmeier 2015 bei der Auslobung formulierte, „sondern auch Freiheit zu etwas: zum verantwortlichen Handeln, zum selbstbestimmten Leben“. Deshalb entlehnt der Domstift das Motto des Preises in diesem Jahr Bezug dem Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet: Freiheit und Verantwortung im wirtschaftlichen Handeln.“
Das zeigt sich aus Sicht der Jury in Hobrechtsfelde, einem Dorf kurz hinter der nordöstlichen Berliner Stadtgrenze bei Zepernick. Benannt ist es nach James Hobrecht, einem preußischen Stadtplaner, der Berlin im 19. Jahrhundert gewirkt hat. Einst war es ein Stadtgut, die Gebäude waren alt, die Substanz marode, teils standen sie leer, eine städtische Wohnungsbaugesellschaft Berlins wollte alles loswerden.
Und dann der Denkmalschutz. Die Bewohner haben sich an die „Bremer Höhe“ gewandt, seit 2010 gehört das Dorf zur Genossenschaft, vier Fünftel der Einwohner sind Mitglied. Seither werden die Gebäude nach und nach saniert, drei Viertel sind schon geschafft, die Mieten liegen bei 5,50 bis 6,50 Euro pro Quadratmeter, bei Neubauten auch bis zu 8,50 und 9,50 Euro.
Mieter wenden sich an die "Bremer Höhe"
Angesichts der Lage in Berlin sei das fast schon sozial verträglich, sagte Heitmann. In weiteren Neubauten sollen Gemeinschaftswohnprojekte entstehen. Ein Gemeinschaftshaus mit Tanzsaal wird saniert und ausgebaut, auch ein Dorfladen könnte entstehen. Damit neues Leben in das alte Gutsdorf einzieht.
Ist es auch schon: Damals, als die Genossenschaft kam, gab es ein Kind inmitten der rund 150 Einwohner, inzwischen sind es rund 30 Kinder, die Zahl der Einwohner stieg auf 180, Familien ziehen von der Stadt aufs Dorf. Wenn alles fertig ist, werden es einmal 250 sein. Es soll nicht das einzige Projekt der Genossenschaft in Brandenburg bleiben. „Wir sehen uns nicht nur als Berliner Genossenschaft, sondern strecken unsere Fühler aus, sind bereit, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Heitmann.
Und was hat das nun mit Freiheit zu tun? Das hat sich auch Heitmanns Vorstandskollegin Barbara König gefragt, als sie vor drei Wochen von dem Preis erfahren hat. Dann aber fand sie: Die Genossenschaft sei Selbsthilfe von Menschen, die sich zusammentun, eine freie Entscheidung treffen, Genossenschaftsanteile zu erwerben.
„Die Menschen stecken ihr Geld nicht in eine Eigentumswohnung, sondern entscheiden sich, eben keinen Wertzuwachs nutzen zu können“, sagt König. „Sie wollen das, was die Genossenschaft an Leben, Gemeinschaft und Nachbarschaft bietet – statt Profit.“
Und auch die Solidarität mit Mitgliedern mit geringerem Einkommen sei „eine Freiheit, die wir uns leisten“. Huber sagt es pastoraler: Der Umgang mit Wohnraum sei ein besonders wichtiger Prüfstein für den verantwortlichen Umgang mit Wirtschaftsgütern.