Vorwurf des Flüchtlingsrats: Bamf soll Asylverfahren in Berlin bewusst erschweren
Der Berliner Flüchtlingsrat erhebt einen schweren Vorwurf gegen das Bamf. Weil die Einladungen zur Asylanhörung zu spät verschickt würden, hätten Flüchtlinge keine Chance, zum Termin zu erscheinen.
Der Flüchtlingsrat Berlin hat dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) vorgeworfen, Einladungen zu Asylanhörungen systematisch zu spät zu verschicken. Der gemeinnützige Verein schreibt auf Facebook, das Bamf würde die Briefe so absenden, dass Asylbewerber keine Chance hätten, zum angegebenen Termin zu erscheinen.
In der Beschwerde eines Wohnheims, die der Flüchtlingsrat im selben Eintrag zitiert, heißt es: „In unserer Einrichtung häufen sich derzeit Fälle, in denen die Bewohner die Einladung zur Anhörung zu spät erhalten und folglich den Termin verpassen.“ Es sei deutlich, dass das Bamf seine Schreiben teilweise am Tag der Anhörung versende, oder nur einen Tag vorher.
In der Notunterkunft werde die Postzustellung nicht sichergestellt
Manche Briefe seien zwar auf vier bis sieben Tage vor der Anhörung datiert – die Zustellung erfolgte aber erst am Tag der Anhörung oder sogar danach. „Inzwischen könnte der Eindruck entstehen, dass die Asylbewerber bewusst um ihren Anhörungstermin gebracht werden“, heißt es weiter. Zudem hätten Bamf-Mitarbeiter angedeutet, dass auch E-Mails teilweise gar nicht erst gelesen oder weitergeleitet würden.
Wie viele Asylbewerber insgesamt von dieser Praxis betroffen sind, weiß der Flüchtlingsrat bisher nicht. Soweit bekannt, bestehe das Problem nur in Berlin, so Georg Classen, der Sprecher des Vereins. „Ich gehe aber davon aus, dass das in Berlin ein Massenphänomen ist“, sagte er dem Tagesspiegel, „Es scheint, als würde man beim Bamf da möglichst schnell möglichst viel abarbeiten wollen.“ Zudem würden Notunterkünfte weder geschult, noch verpflichtet, bei der Postzustellung einen korrekten Ablauf sicherzustellen. Auch deshalb passierten viele Fehler.
Das Bamf hat die Vorwürfe des Flüchtlingsrates bisher nicht zurückgewiesen: Sprecherin Andrea Brinkmann kündigte eine Überprüfung an – allerdings werde man erst am Montag Weiteres sagen können.
Die Linke spricht von bemerkenswerten Anschuldigungen
Derweil regt sich die Opposition. Der Fraktionschef der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, spricht von bemerkenswerten Anschuldigungen: „Mindestens genauso schlimm ist es, dass der Verdacht, dass das absichtlich geschieht, nicht unbegründet erscheint.“ Der Berliner Landesvorsitzende der Linken, Klaus Lederer, kommentierte: „Das ist ein Skandal, wenn das tatsächlich systematisch erfolgt. Wenn nicht, ist das zumindest ein grober Missstand.“
Und Bettina Jarasch, die Landesvorsitzende der Grünen, sagte dem Tagesspiegel: „Der Senat muss schleunigst mit dem Bamf klären, was an den Vorwürfen dran ist. Die Asylsuchenden brauchen eine faire Chance auf faire Verfahren. Dazu gehören natürlich auch Fristen. Sollten diese bisher zu knapp gesetzt sein, wäre es höchste Zeit, das zu ändern.“
Meldungen über Missstände beim Bamf, aber auch bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin häufen sich seit Monaten. Erst diese Woche hatte das Bundesinnenministerium auf eine Anfrage der Grünen versichert, es wolle daran arbeiten, das Qualitätsmanagement des Bamfs zu verbessern. Und wie die "Berliner Zeitung" berichtete, sind erst seit Ende Juni alle in Notunterkünften lebenden Flüchtlinge bei den Berliner Bürgerämtern gemeldet. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) äußerte, er sei stolz darauf. Mitte Mai waren es immerhin nur die Hälfte.