Flüchtlinge in Berlin: Schnellere Registrierung, aber jede Menge Altlasten am Lageso
Für eine Weile stand das Lageso als Synonym für vieles, das schiefläuft in der Flüchtlingspolitik. Inzwischen hat sich dort zwar einiges verbessert; manche Probleme bleiben.
Ein Morgen am Lageso. Die Schlangen sind kürzer geworden, nur noch ein halbes Dutzend Menschen steht vor dem Zelteingang an. „Die schlechteste Behörde Deutschlands“ sei das Lageso, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ im Dezember. Seitdem wurde viel getan. Das Landesamt stellte neue Mitarbeiter ein, die elektronische Gesundheitskarte wurde eingeführt, es gibt Wärmezelte, die auch nachts offen stehen, 220 Sprachmittler sind mittlerweile am Lageso eingesetzt und seit Kurzem gibt es eine Clearingstelle für Traumatisierte.
Laut Sascha Langenbach, Sprecher der Sozialverwaltung, können neu ankommende Flüchtlinge schon seit Wochen innerhalb von 24 Stunden registriert werden. Langenbach sagt: „Das Lageso ist ein Symbol dafür, wie man es schafft, aus einer Behörde kurz vor dem Kollaps einen flexiblen Apparat zu machen.“
Die Erstregistrierung funktioniert, die Leistungsstelle ist überfordert
Manches sei aus der Not geboren, doch man habe Infrastruktur und Arbeitsprozesse verbessert, auch mit der Hilfe der Beraterfirma McKinsey, die die Senatsverwaltung erst ehrenamtlich und seit zwei Wochen gegen Bezahlung unterstützt. Doch während die Erstregistrierung unter anderem wegen niedriger Neuankünfte im Winter gut funktioniert, bleibt die Leistungsstelle überfordert, berichten Flüchtlinge und Helfer. Wer hier versucht Geld zu bekommen, wird nicht mehr nur auf den nächsten Tag verwiesen, sondern darf oft erst in drei bis vier Wochen wiederkommen.
Damit entspannt sich zwar die Wartesituation, aber es ist auch ein Verschleppen der Altlasten. „Man sieht einfach viele Sachen nicht, weil die Menschen nicht mehr im öffentlichen, sondern im geschlossenen Raum verzweifeln“, sagt Christiane Beckmann, Sprecherin des Bündnisses Moabit Hilft, das im Haus D seinen Sitz hat. Laut Beckmann werden hier 200 Menschen am Tag mit Windeln, Shampoo und Jacken versorgt.
Ein Flüchtling sollte mit hundert Euro fünf Wochen auskommen
„Oft kommen Flüchtlinge zu uns, die gar kein Geld mehr haben, deswegen beim Schwarzfahren erwischt wurden oder sich kein Essen mehr kaufen können.“ Als Grund dafür führt sie die Anfang des Jahres eingeführten „Abschlagszahlungen“ an, die die Wartezeit auf die Kostenübernahmen für Essen und Unterkunft überbrücken soll. Dafür sind die Mitarbeiter im Haus J zuständig, in dem quasi über Nacht eine neue Bearbeitungsstraße eingerichtet wurde. „Das ist nach wie vor das Nadelöhr“, sagt Langenbach.
In dem Raum geht es ruhig und bedacht zu, Sprachmittler sitzen in einer Ecke, Securitymitarbeiter helfen den Menschen, ihren Platz zu finden. Hier hat auch Taha Sheikh Deia eine Abschlagszahlung in Höhe von 100 Euro erhalten, fünf Wochen sollte er damit auskommen, sagt er. Der Syrer ist schon seit fünf Monaten in Berlin. Eigentlich hatte er einen Termin am 28. Dezember, doch seitdem wird er immer wieder vertröstet. Er sagt: „Am Lageso hat sich nichts verändert, in all der Zeit war ich immer wieder hier und habe gewartet. Manchmal 15 Stunden lang.“
Hoher Krankenstand hat den Rückstau noch zusätzlich verschärft
Wegen hohem Krankenstand verschärfte sich der Rückstau im Januar noch einmal. Georg Classen, Sprecher des Berliner Flüchtlingsrats sagt, die „Abschlagszahlungen“ seien grundsätzlich rechtswidrig. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz müssten die Zahlungen für einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen 300 bis 450 Euro pro Person betragen. Statt einer Verbesserung sieht Classen nur eine „Systematisierung der Leistungsverweigerung“. 100 Euro reichen kaum aus, um einen Erwachsenen drei Wochen lang zu versorgen, das weiß man auch im Lageso. Deshalb wurden Sonderregelungen mit Heimbetreibern getroffen zur Gratisversorgung mit Essen.
Problematisch ist das jedoch für die Flüchtlinge, die in Hostels leben und sich selbst versorgen müssen. Um den Rückstau abzuarbeiten, eröffnet bald ein zweiter Kassenbereich in der Bundesallee. Sascha Langenbach wehrt sich gegen zu harte Kritik. Nicht alles sei, wie von den freiwilligen Helfern dargestellt. Vor allem die Leistung der Mitarbeiter im Lageso müsse anerkannt werden.
Die Situation in der Nacht habe sich entspannt
Einer dieser Mitarbeiter ist Krishnamurthy Vilwanathan. Der 63-Jährige ist für die Terminvergabe am Morgen zuständig, sein Arbeitstag beginnt um 5.30 Uhr. Kranke, Schwangere oder alleinstehende Frauen werden vorgezogen. „Es gibt 15 bis 20 Notfälle am Tag“, sagt er. Menschen, denen es gesundheitlich so schlecht geht, dass Vilwanathan und sein Kollege und Rettungssanitäter Ganiu Hilmi sie sofort ins Krankenhaus schicken müssen. „Es ist auch eine psychische Belastung“, sagt er.
Ein anderer Mitarbeiter ist Alexander Wilhelm, Leiter des neuen Campus-Managements Help Desk, das mit ehrenamtlichen Helfern, vor allem pensionierten Sozialarbeitern, zusammenarbeitet. Er sagt: „Die Situation in der Nacht hat sich sehr entspannt.“ Noch immer gebe es zwar Menschen, die kurzfristig in der Kälteschutzeinrichtung untergebracht werden müssten, doch das sei nicht mit der Lage im vergangenen Jahr zu vergleichen. „Im Moment machen wir vor allem viel Einzelfallbetreuung, versuchen Härtefälle herauszufiltern“, sagt Wilhelm.
Laut Sozialverwaltung kommen momentan nur noch knapp 70 Flüchtlinge pro Tag in Berlin an. Zu Spitzenzeiten im letzten Sommer waren es bis zu 1000. „Spätestens in zwei Monaten werden wir genau dieselbe Situation haben wie im letzten Sommer“, sagt Beckmann deshalb. Viele Menschen säßen an den Grenzen oder in der Türkei und warteten auf besseres Wetter und ruhigere See. Langenbach sagt, die Behörde sei auf einen Anstieg vorbereitet. Man habe die Zeit der niedrigen Neuankünfte genutzt, um die Strukturen auszubauen. „Wir haben jetzt Kapazitäten für 700 Menschen am Tag.“
Pascale Müller