zum Hauptinhalt
Die mobile Wache am Alexanderplatz.
©  Kitty Kleist-Heinrich

Unverstanden am Alexanderplatz: Auf Protest folgt Beleidigung – aber hilft die Polizei?

Eine junge Frau aus Hongkong erzählt, wie sie von einem Mann angegriffen wird. Bei der Polizei habe sie danach ein Beamter diskriminiert. Der Fall wird geprüft.

Von Katja Demirci

Am Alexanderplatz sind täglich tausende Touristen unterwegs. Hier kommt auch die Berliner Polizei mit Menschen aus aller Welt in Kontakt. Die Beamten in der Alex-Wache seien auch für englischsprachige Besucher ansprechbar, heißt es aus der Behörde. Eine junge Frau, die aus Hongkong kommt, fühlte sich trotzdem unverstanden. 

Der Abend hatte für Alice und ihre zwei Freunde gemütlich begonnen: mit einem Essen am Alexanderplatz. Doch er endete mit einer rassistischen Beleidigung. Und einem unguten Gefühl an der Polizeiwache auf dem Platz.

Alice ist 25 und arbeitet seit Ende 2016 in Berlin. Zu ihrem Schutz möchte sie ihren Nachnamen nicht nennen. Als Mitbegründerin einer Organisation, die Hongkongs Protestbewegung unterstützt, hatte sie auch an diesem Montagabend, dem 15. Juni, einige Aufkleber dabei, um sie an Ampeln und Laternenpfählen rund um den Alexanderplatz anzubringen. Die Botschaft darauf: Demonstrieren ist ein Recht, kein Privileg.

Gerade als sie an der Kreuzung von Otto-Braun-Straße und Mollstraße wieder einen Aufkleber angebracht hatte, habe sie ein – ihrer Meinung nach angetrunkener – Mann angesprochen, der mit seiner Partnerin und einem Bekannten unterwegs gewesen sei, erzählt Alice. „Er sagte: Das ist scheiße.“

„Was?“, habe sie gefragt, sagt Alice, die zwar etwas Deutsch spricht und einiges auch versteht, sich aber im Englischen deutlich sicherer fühlt. Sie habe nicht alles verstanden, was der Mann gesagt habe, eines aber deutlich: „Geht zurück nach Hongkong.“

Gemeinsam mit ihren beiden Freunden sei sie Aufkleber verteilend weitergegangen, sagt Alice. Bis der Mann, der schimpfend hinter ihnen herlief, sie so wütend gemacht habe, dass sie ihn beleidigte – und er sie daraufhin angegriffen habe. Festgehalten und geschubst habe er sie, so lange, bis ihre Freundin ihr Fahrrad zwischen Alice und den Mann geschoben habe, um den Angriff zu stoppen.

Ein Polizist habe sich geweigert, das Gespräch auf Englisch zu führen

Eine Passantin bot schließlich Hilfe an und überzeugte sowohl Alice als auch den Mann, die nahe Wache am Alexanderplatz aufzusuchen. Dort habe sich der Mann beschwert, dass Alice illegal Aufkleber angebracht habe. 

Der Polizist habe sich wiederholt geweigert, ein Gespräch auf Englisch zu führen und gesagt, dass sie nach so langer Zeit in Deutschland in der Lage sein solle, Deutsch zu sprechen. Dies habe er wiederholt, bis ein zweiter Beamter gekommen sei und ihm gesagt habe, dass es nun genug sei, erinnert sich Alice.

Lesen Sie mehr zur Debatte um Diskriminierung bei Tagesspiegel Plus:

Von einer Anzeige habe sie schließlich abgesehen, sagt Alice, nachdem die Polizisten ihr erklärten, dass dies sehr viel Papierkram beinhalte. Und nachdem ihre Freundin in Tränen ausgebrochen war. Die Polizei, von der sie Hilfe erhofft hatten, verstärkte das Gefühl der jungen Frauen, diskriminiert worden zu sein. So wirkt es, wenn Alice erzählt.

Eine Anlaufstelle? Die Alex-Wache der Berliner Polizei.
Eine Anlaufstelle? Die Alex-Wache der Berliner Polizei.
© Kitty Kleist-Heinrich

Die Polizei Berlin, der dieser Vorfall bekannt ist, teilt mit, dass die junge Frau gesagt habe, dass sie „die deutsche Sprache sowohl spreche als auch verstehe“. Sie sei daraufhin gebeten worden, das Gespräch auf Deutsch zu führen. 

Doch: „Nach Verdeutlichung der Sach- und Rechtslage verweigerte die Frau eine weitere Gesprächsführung auf Deutsch. Sie wirkte zunehmend aufgebracht und erwartete, dass die Polizei Berlin, insbesondere auf dem Alexanderplatz, Englisch sprechen müsse.“

Ein zweiter Beamter setzte das Gespräch auf Englisch fort

Um die Situation nicht eskalieren zu lassen, sei das Gespräch auf Englisch fortgeführt worden. Mit dem zweiten Beamten, sagt Alice, der Englisch konnte.

[Sicherheit vor der eigenen Haustür: In unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken geht es auch oft um die Polizei. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Die Polizei teilt mit, dass die Kommunikation mit nicht deutschsprechenden Personen einen festen Bestandteil der polizeilichen Arbeit in Berlin darstellt. „Die Bandbreite der Fremdsprachenkenntnisse ist bei allen Mitarbeitenden der Wache Alexanderplatz individuell ausgeprägt und reicht von Grundkenntnissen über Kenntnisse der Stufe B2 bis hin zu muttersprachlichen Kenntnissen.“ Mimik, Gestik, Wörterbücher und Übersetzungssoftware sollen im Zweifelsfall weiterhelfen.

Möglich, dass beide sich unverstanden fühlten

Möglich, dass sich hier beide Seiten in einem Mix aus Sprachen unverstanden fühlten. Verständlich aber auch, dass eine junge Frau, die gerade von einem Mann – egal mit welcher Intention – physisch angegriffen worden ist, aufgebracht ist. Und Unterstützung sucht.

Die Polizei Berlin hat den Fall an ihre interne Beschwerdestelle weitergeleitet. Alice hat – bislang – von einer offiziellen Beschwerde abgesehen. Es wäre dieses Jahr die zweite gegen Dienstkräfte der Wache am Alexanderplatz.

Die erklärten den Streit für beigelegt, nachdem sie beide Parteien gebeten hatten, sich zu entschuldigen – was Alice’ Ansicht nach ihr gegenüber unzureichend geschah. Den Vorfall zu vergessen, sagt sie, werde ihr so schnell nicht gelingen.

Zur Startseite