Sonntagsausflug zum Schloss Branitz: Auf den Spuren von Fürst Pückler
Er war Reisender, Schriftsteller, Gärtner: Fürst Pückler lebte ein extravagantes Leben. Schloss und Park Branitz sind voller prunkvoller Erinnerungen an ihn. Ein Sonntagsausflug.
Zum perfekten Wetter für diesen Ausflug gehört eine plüschige Wolke, in der man sich Fürst Pückler denken könnte wie in einem weichen Sofa sitzend, gemütlich gewandet in seine Altersalltagskluft aus orientalischen Pluderhosen und Umhängen, auf dem Kopf den roten Fes gegen die Sonne. Der ist er da oben im Himmel ja bereits viel näher als die Menschen unten im Brandenburgischen, wo er in Branitz bei Cottbus ein Schloss nebst Garten hinterließ, als er im Februar 1871 mit 86 Jahren starb.
Vom Wolkensofa aus würde sich „der Fürst“, wie sie ihn unten noch heute nennen, erfreuen an jedem Besucher. Hermann Pückler-Muskau war ein leidenschaftlicher Gastgeber; dafür hatte er auf seine alten Tage den zweigeschossigen Bau und den 600 Hektar großen Park herrichten lassen. Und nichts verlangte er von seinem Besuch – die Hausordnung nannte: „Vollständige Freiheit für Wirth und Gäste“ – bis auf dies: „zum Dinner um 9 Uhr zu kommen, wenn der Tamtam zum zweitenmal donnert“.
Er würde den ganzen Tag bloggen
Das Speisezimmer lässt sich besichtigen. Man spaziert rein, und wenn es keine Absperrkordeln gäbe, wie gern würde man sich direkt niederlassen am halb gedeckten Tisch! Auch alle anderen Räume des nach dem Zweiten Weltkrieg fast leer geräumten Schlosses sind wieder so wohnlich und gebrauchsfertig eingerichtet, wie sie einst waren. Die farbigen Strukturtapeten sind sogar wieder modern, die mit 4200 echten Büchern vollgestellten Regale der Bibliothek ohnehin. In Berlin- Mitte könnte man ähnlich wohnen, wie überhaupt der Fürst als lebenslustiger Modefreund, Reisender, Schriftsteller, Gärtner und Kreativer einen super Mitte-Boy abgeben würde. Höchstwahrscheinlich würde er den ganzen Tag bloggen.
Als Kommunikator setzte er Maßstäbe schon vor 150 Jahren, als noch mit Federkielen herumgekratzt wurde. Alles hat er aufgeschrieben, was er machte, was er dachte, und das seinen Briefpartnern zugeschickt. Weil es so viele Briefkontakte waren, hatte er für jeden eine Mappe, in die er Kopien seiner Briefe und die Antworten ablegte.
Gab Geld mit beiden Händen aus
Damit es nicht zu Verwechslungen komme – nicht auszudenken bei seinen Liebeleien! Aus diesen Mappen weiß man auch, dass der Fürst nicht nur mitteilungsbedürftig, ideenreich und romantisch war, sondern auch pragmatisch: Seine besten Liebesbriefe kopierte er und versandte sie gleich mehrfach, wobei er nur den Namen der jeweils gerade Angebeteten aktualisierte, copy and paste auf Frühpreußisch sozusagen. Die dafür nötige Kopierpresse steht auf dem Schreibtisch in der Bibliothek des Schlosses.
Was würde der Fürst denken, wenn er heute die Menschen beim Herumspazieren zwischen Schloss und Marstall mit ihren Smartphones herumhantieren sähe? Wie sie in Echtzeit überall auf der ganzen Welt dabei sind, jede Information direkt erhalten, und beträfe sie auch nur die nächste Gondelfahrt über die Kanäle seines Parks? Wäre er ein bisschen neidisch – oder würde er ahnen, dass er sein Leben, das ihn durch die halbe Welt getrieben hat, so nicht hätte leben können?
Hermann Ludwig Heinrich von Pückler kam 1785 im elterlichen Schloss Muskau in Sachsen zur Welt. Schloss Branitz gehörte den Großeltern, hierher zog er erst, als er schon über 60 war und zuvor aus Finanznot Muskau verkauft hatte. Zeitlebens gab der Fürst Geld mit beiden Händen aus. Auch die Entscheidung für seine Hochzeit mit Lucie von Pappenheim, geborene Hardenberg, fiel unter Renditegesichtspunkten. Sie war 1817 bei der Eheschließung vergleichsweise uralte 40 Jahre, einmal geschieden und brachte eine 19-jährige Tochter sowie deren Freundin mit in die Ehe – was Pückler, so wurde gemunkelt, wenig väterlich nutzte.
Seine Briefe wurden ein Bestseller
Im ersten Stock von Schloss Branitz befindet sich das Zimmer, das Lucie im Alter bewohnte. Es ist das mit der schönsten, weitesten Aussicht in den Park und auf ein üppiges Rosenbeet, das Pückler in S-Form anlegen ließ. S für „Schnucke“, so hat er sie genannt. Sie nannte ihn Lou, und wider alle Erwartungen wurden die beiden ein Superteam. Beide liebten Gärten, Parks und alles Grüne, beide gaben gerne Geld aus.
Als keines mehr da war, ließen sie sich aus strategischen Gründen scheiden, und der Fürst suchte vor allem in England eine nächste reiche Frau. Mit Lucie blieb er innig verbunden, unterrichtete sie in Briefen über seine Eroberungen, aber auch die gesellschaftlichen Zustände in England: „Die armen Arbeiter sind doch mitunter übel dran!“ Lucie gab die Briefe einem Verleger. Die „Briefe eines Verstorbenen“ wurden ein Bestseller, was aber kaum darüber hinweghalf, dass Pücklers Geldsuche-Brautschau vergeblich blieb. Ebenfalls im ersten Stock des Schlosses befinden sich die Erinnerungen an die einzige Eskapade Pücklers, die Lucie ihm nicht verzieh.
Ein Baum für ein Stadttor
Im Teppichzimmer, damals zur Nachahmung wüstenhaften Lebensgefühls stets überheizt, stehen die Souvenirs seiner sechsjährigen Orientreise (1834 bis 1840). Von dieser Reise brachte der Fürst nicht nur seine geliebte exotische Kleidung mit, es hängt in dem Zimmer auch ein Gemälde von Machbuba, einem abessinischen Mädchen, das Pückler auf einem Sklavenmarkt gekauft hatte.
Schon während der Reise nach Muskau waren der Fürst und Machbuba überall eine Sensation, was der Daheimgebliebenen nicht gefiel. Ach, wäre sie doch Abessinierin, ach, wäre sie doch jung und schön, klagte Lucie in ihren Briefen. Am Ende gab sie dem Fürsten nach, allerdings unfroh, und auch Machbuba nützte die Entwicklung nichts. Sie starb kurz nach ihrer Ankunft in Muskau an Auszehrung.
Aus Pückler sei „ein Perfektionist geworden, der nicht mehr mit sinfonischen Paukenschlägen, sondern gleichsam kammermusikalisch arbeitet“, schreibt Heinz Ohff, ehemals Feuilletonchef des Tagesspiegels, in seiner Pückler-Biografie „Der grüne Fürst“. Mitten in die Ödnis bei Cottbus türmte der Fürst eine hügelige von Kanälen durchzogene Landschaft mit Seen und Inseln.
Er ließ uralte Bäume der Umgebung ausbuddeln und in den Park bringen. Eine alte Kastanie, die er aus dem Hof eines Gasthauses holte, kostete die Stadt Cottbus ein Stadttor: Das musste vorübergehend abgetragen werden, damit der mächtige Baum durchpasste.
Ein leidenschaftlicher Gärtner
Den Garten legte Pückler in Zonen an, das hatte er sich aus England abgeschaut. Kleine Hügel mit Bänken, durch Sichtachsen verbunden, Kanäle mit Brücken und eine Baumschule, dazu Gewächshäuser mit Nutz- und Zierpflanzen für die fürstliche Küche. Pücklers Händchen für den Gartenbau hatte sich früh längst herumgesprochen, vor allem dank seines Buchs „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ von 1834.
Männer und Frauen mit illustren Namen wie Goethe, Heine, Liszt, Mendelssohn, Varnhagen, Schinkel, Bülow, Humboldt oder Baron Rothschild wurden seine Freunde oder Bekannte .
Wie geht das, einen Park ins Nichts bauen? Was sich heute digital simulieren ließe, war damals eine strategische Herausforderung, wenn auch keine, die Pückler nicht gemeistert hätte. Er ritt zu Pferde das Gelände ab, ließ Baumattrappen aus Besenstielen und Heuhaufen aufstellen, betrachtete per Fernglas die Effekte.
So legte er ideale Plätze für Bäume und Gehölze fest. Wer heute durch diese Künstlichkeit spaziert, wird sie nicht spüren; es hätte die Natur selbst alles genau so werden lassen können. Mit einer Ausnahme: Im Parksee entstehen später die Pyramiden, damals ein populäres Gestaltungselement. Außergewöhnlich ist aber der Zweck, den Pückler für seine ersonnen hatte: Die Pyramide sollte die Grabstätte für ihn und Lucie werden, die da aber schon tot war, gestorben im Mai 1854.
In einer Pyramide bestattet
Pückler selbst hat noch fast 20 Jahre, bis er „schmerzlos, ruhig und mit Grazie“ stirbt. In seinem Testament verfügt er, dass sein Leib chemisch aufgelöst werde – Einäscherungen waren ihm als Katholiken verboten – und im Tumulus der Seepyramide bestattet. Ein Skandal!
Sein Erbe Heinrich von Pückler lässt den Tumulus später erneut öffnen und den Sarg von Lucie, der geschiedenen und doch treu gebliebenen Ehefrau, dort ebenfalls unterbringen. Es hält sich bis heute aber der Scherz, es sei nicht klar, ob tatsächlich Lucie beim Fürsten liegt oder nicht eher Adschame, sein Lieblingspferd.