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In mehreren Berliner Bezirken werden seit Februar 2018 Türkisch-AGs angeboten (Archivbild).
© Friso Gentsch/dpa
Update

Berlins Grundschulen: Ankara verliert an Einfluss

Seit einem Jahr organisiert der Senat Türkischangebote an Grundschulen - als Alternative zum Konsulatsunterricht. Die Nachfrage steigt immens - auch in Hamburg.

Die erst vor einem Jahr ins Leben gerufenen Türkisch-AGs an Berlins Grundschulen haben sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Die Senatsverwaltung für Bildung rechnet damit, dass die Teilnehmerzahl zum kommenden Schuljahr nochmals um 50 Prozent von knapp 1100 auf 1600 steigen könnte. Dies teilte Behördensprecherin Beate Stoffers auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Es handele sich bisher um eine Prognose.

Das AG-Angebot „Herkunftssprache Türkisch“ war im Februar 2018 an 21 Grundschulen gestartet. Im Sommer 2018 waren bereits 49 Schulen beteiligt: 15 in Mitte, acht in Friedrichshain-Kreuzberg, sieben in Steglitz-Zehlendorf und Neukölln, fünf in Reinickendorf, vier in Charlottenburg-Wilmersdorf, zwei in Tempelhof-Schöneberg und eine in Spandau. Eine aktuelle Abfrage im März ergab, dass knapp 1100 Erst- bis Sechstklässler in den AGs angekommen sind. Die Prognose für 2019/20 hat nun ergeben, dass insbesondere in Spandau, Reinickendorf und Tempelhof-Schöneberg Schulen hinzukommen. Voraussichtlich wird es ab Sommer 150 AGs an 73 Schulen geben.

Im Gegenzug schrumpft die Teilnahme am sogenannten Muttersprachlichen Ergänzungsunterricht des türkischen Generalkonsulats. Seit 2016/17 ist die Zahl der Schulen von zunächst 150 auf 108 Schulen und zuletzt 77 und von rund 2350 auf knapp 1590 Schüler geschrumpft. Es gibt einzelne Schulen, die sowohl Konsulatsunterricht als auch eigene AGs anbieten. Tendenziell strebten Schulen, die AG-Angebote bereitstellen aber an, „auf Parallelangebote Externer (also Konsulatsunterricht) zu verzichten“, teilte die Bildungsverwaltung mit. Nach Tagesspiegel-Informationen kommt es dabei auch zu Verstimmungen bei Eltern, die den Konsulatsunterricht vorziehen würden. Wie viele Anmeldungen es für den Sommer gibt, ist noch nicht bekannt.

Eine Institution aus den 60er Jahren

Die Türkisch-AGs waren eilig entwickelt worden, um den Einfluss des türkischen Staates auf die Schüler zu reduzieren: Der so genannte Konsulatsunterricht war seit den sechziger Jahren für viele türkischstämmige Grundschüler fast die einzige Möglichkeit, im Rahmen des Schulbesuchs ihre Muttersprache zu erlernen: Dies fand allerdings erst - mit einiger Zeitverzögerung - Beachtung, als der türkische Regierung nach dem verhinderten Militärputsch zunehmend demokratische Grundsätze verletzte. In den Vorjahren nahm kaum jemand in Berlin Notiz von dem staatlichen türkischen Angebot in den Räumen der staatlichen Schulen. Anders als etwa Hamburg bezuschusst Berlin Ankaras Lehrer aber schon lange nicht mehr.

Über 50 Prozent weniger Konsulatsschüler in Hamburg

In Hamburg gibt es eine ähnliche Entwicklung wie in Berlin. Als Antwort auf den Konsulatsunterricht wurden zum laufenden Schuljahr rund 45 Kurse an 17 Standorten neu eingerichtet. Das entspricht einem Zuwachs um 30 Prozent bei den Kursen und fast 60 Prozent bei den Standorten gegenüber dem Start im Schuljahr 2017/18, berichtet die Schulbehörde. Davon unabhängig gibt es zudem Schulen, die - wie in Berlin - Türkisch-Angebote in Form von AGs anbieten, etwa im Rahmen des Ganztagsangebots.

Parallel verläuft auch der Rückgang beim Konsulatsunterricht. Die Schulbehörde beziffert das Minus allein zwischen 2018 und 2019 auf über 50 Prozent. Hamburg bezuschusst den Konsulatsunterricht nur dann, wenn es an der betreffenden Schule kein staatliches Türkischangebot gibt. Das hat dazu geführt, dass es aktuell nur noch rund 350 türkische Konsulatsschüler in Hamburg gibt.

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