Konkurrenz durch Türkisch-AGs: Ankaras Lehrer in Berlin verlieren jeden dritten Schüler
Der türkische Konsulatsunterricht ist in Bedrängnis geraten. Aber noch gibt es ihn an 75 Schulen.
Das türkische Konsulat erreicht mit seinem umstrittenen Unterrichtsangebot inzwischen deutlich weniger Kinder als in den Vorjahren: Allein innerhalb des vergangenen Jahres ist die Teilnehmerzahl von rund 2300 in 2017 auf unter 1600 gesunken. Gleichzeitig stieg die Zahl der Schüler, die die neuen staatlichen Türkisch-AGs besuchen, auf über 800. Dies belegt die noch unveröffentlichte Senatsantwort auf eine parlamentarische Anfrage des Neuköllner SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck, die dem Tagesspiegel vorliegt.
Demnach stieg nur in Tempelhof-Schöneberg die Teilnehmerzahl. In allen anderen Bezirken war die Resonanz rückläufig - am stärksten in Friedrichshain-Kreuzberg und in Neukölln.
Den Konsulatsunterricht, der ursprünglich für die Kinder der „Gastarbeiter“ eingerichtet worden war, als man noch davon ausging, dass sie in ihre Heimat zurückkehren, gibt es noch in mehreren Bundesländern. Allerdings geriet er infolge der repressiven Politik Ankaras nach dem Putschversuch und der Suspendierung oder Verhaftung zehntausender Lehrer seit zwei Jahren zunehmend in die Kritik, denn der türkische Staat entsendet die Konsulatslehrer. Zudem hatte die Bildungsverwaltung den Rahmenplan untersucht und dabei „deutliche religiöse und nationalistische Inhalte“ ausgemacht statt der ausschließlich sprachlich-heimatkundlichen Ausrichtung.
"Die Strategie ist aufgegangen"
Das Konsulat veränderte nach der Kritik den Lehrplan, wie Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) Langenbrinck mitteilte. Zudem begann die Bildungsverwaltung auf Beschluss der Koalition mit dem Aufbau des eigenen herkunftssprachlichen Angebots im Rahmen von AGs, die offenbar gut angenommen werden. „Damit ist die Strategie der Koalition aufgegangen“, kommentierte SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasic die neuen Zahlen. Bereits vor zwei Jahren hatte der damalige Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu (Grüne) vehement einen Ausbau des staatlich verantworteten Türkischunterrichts gefordert: Damals hatte es sogar für rund 3000 Schüler an 150 Schulen Konsulatsunterricht gegeben, wie der Tagesspiegel berichtete. Staatliche Angebote waren die Ausnahme.
Eltern in Mitte und Reinickendorf kaum inzwischen kaum noch die Wahl zwischen beiden Varianten: Aus Mitte hat sich das Konsulat wegen Mietforderungen zurückgezogen, Reinickendorf will künftig keine Schulräume mehr überlassen. Somit sind es dieses Jahr noch 75 Schulen, die den Konsulatsunterricht anbieten.