CDU-Debatte um Jenna Behrends: Alle schweigen - eine spricht
Die CDU bemüht sich, nach außen wieder geschlossen aufzutreten und vereinbart Stillschweigen nach dem Treffen am Montag. Das funktioniert nur eingeschränkt.
Es könnte längst um die eigentlichen Fragen gehen: Haben die CDU und andere Berliner Parteien ein strukturelles Sexismus-Problem? Wenn ja: Was kann dagegen getan werden? Ist es als Sexismus zu werten, wenn ein gereifter Parteichef eine junge Frau als „große süße Maus“ bezeichnet? Stattdessen ist die CDU, vor allem im Kreisverband Mitte, noch immer damit beschäftigt, nach außen hin so etwas wie einen geschlossenen Eindruck herzustellen. Was schwerfällt nach der heftigen öffentlichen Auseinandersetzung um den Artikel von Jenna Behrends, die ihrer Partei ein strukturelles Sexismus-Problem attestierte und namentlich auch Parteichef Frank Henkel attackierte.
Bei einer Aussprache am Montagabend trafen die Kontrahenten persönlich aufeinander. Jenna Behrends war ebenso anwesend wie die Vorsitzende der Frauen- Union in Mitte, Sandra Cegla, die Behrends’ Glaubwürdigkeit öffentlich massiv angezweifelt hatte. Auch Frauenrechtlerin Zana Ramadani, die im Konflikt auf Ceglas Seite steht, war anwesend, ebenso wie Mittes CDU-Stadtrat Carsten Spallek.
Der Bundestagsabgeordnete Philipp Lengsfeld kam ebenfalls zu dem Treffen in Mitte – ging jedoch vor dem offiziellen Sitzungsbeginn wieder. Ihm hatte Behrends vorgeworfen, besonders aktiv falsche Gerüchte über ihre angeblichen Affären zu streuen. Dem Tagesspiegel sagte er: „Im Vorgespräch wurde einvernehmlich festgestellt, dass für den da konzipierten Sitzungsverlauf meine Anwesenheit nicht zwingend erforderlich ist. Ich bin dann vor offiziellem Sitzungsbeginn gegangen. Die Ergebnisse der Sitzung begrüße ich.“ Zu den Vorwürfen hatte er sich schon früher geäußert und diese "ausdrücklich" zurückgewiesen. Lengsfeld erklärte weiter: "Fakt ist aber, dass Jenna Behrends und ich mehrmals über inhaltliche, organisatorische und persönliche Dinge Auseinandersetzungen hatten. Die Konflikte haben wir aber ausführlich intern diskutiert. Und ich habe mich für einen Fehler entschuldigt. Alle Punkte waren aus meiner Sicht zur beiderseitigen Zufriedenheit ausgeräumt." Nicht an dem Krisentreffen teilgenommen hat Frank Henkel.
Differenzen zwischen Cegla und Behrends bleiben wohl auch nach dem Gespräch
Vereinbart wurde Stillschweigen über das Gespräch. Nur eine Erklärung von Carsten Spallek sollte an die Öffentlichkeit dringen: Die Beteiligten hätten sich offen ausgesprochen und vereinbart, das Thema Sexismus „ab sofort in Ruhe und in verschiedenen Gremien ausschließlich parteiintern zu diskutieren“.
Es ist völlig irrelevant mit wem die Frau sexuell aktiv war oder auch nicht. [...] Niemand hat das Recht sie derart anzusprechen. Niemand. Und auch dann nicht, wenn sie im knappsten Mini der Welt zur Arbeit ginge.
schreibt NutzerIn schwimmblogberlin
Das Stillschweigen hielt keine 24 Stunden. Am Dienstagmorgen sagte Sandra Cegla, dass sie ihre Aussagen nicht zurücknehme. Sie stehe auch zu ihrer eidesstattlichen Versicherung, allerdings wolle man jetzt intern diskutieren. „Vertrauensverhältnisse sind beschädigt, aber wir haben durch die Debatte auch gesehen, dass wir bei diesem Thema nicht gut aufgestellt sind“, sagte Cegla. Eine Arbeitsgruppe zu Sexismus sei in Planung.
Henkels Abwesenheit erklärte Cegla mit der kurzfristigen Einladung durch Spallek. Über die Organisation werde intern gerade kritisch diskutiert. Kurze Zeit später das nächste Telefonat. Nun heißt es, Cegla wolle sich nicht mehr zu den persönlichen Differenzen mit Behrends äußern.
Gerade die eidesstattlichen Versicherungen waren es, die viel Schärfe in die Auseinandersetzung gebracht hatten. Es geht um die Frage, ob Jenna Behrends eine Affäre mit Peter Tauber hatte oder ob die beiden nach einem Flirt einvernehmlich feststellten, dass sie kein amouröses Interesse aneinander haben.
Politisch ist dieser private Vorgang irrelevant – eigentlich. Mit der Frage, ob die CDU ein Sexismus-Problem hat, hat er nichts zu tun – eigentlich. Doch Cegla machte dieses Thema zum Gradmesser der Glaubwürdigkeit ihrer Kontrahentin. Sie erklärte an Eides Statt, Behrends habe ihr von einer Affäre erzählt.
Am Montag sagte sie, dies gehöre zur Wahrheit dazu, da Behrends sich öffentlich über Affären- Gerüchte beklage, diese aber selbst in die Welt setze. Behrends wehrte sich ihrerseits mit einer eidesstattlichen Versicherung. „Ich hatte keine Affäre, Beziehung o. ä. mit Peter Tauber. ... Es gab keine sexuellen Handlungen zwischen Peter Tauber und mir“, heißt es darin. Das angebliche Gespräch mit Cegla habe nie stattgefunden. Nach der Aussprache am Montagabend soll auch dieses Thema nicht weiter öffentlich erörtert werden.
Was ist Sexismus?
Hinter dem Streit steht aber wohl auch eine grundsätzlich unterschiedliche Auffassung davon, was unter Sexismus zu verbuchen ist – und was nicht. Etwa in Sachen „Maus“, einer Aussage, die Frank Henkel nicht dementiert hat. Sandra Cegla wertete dies am Montag noch wie folgt: „Das war der Versuch, ein nettes Kompliment zu machen, und es ist vielleicht missglückt.“
Auch eine zweite, von Henkel nicht dementierte Äußerung ist umstritten. Er soll einen Parteifreund über Behrends gefragt haben: „Fickst du die?“ Cegla befand am Montag: „Wenn die Männer untereinander reden und die Frauen nicht dabei sind, weiß ich auch nicht, ob das dann Sexismus ist.“ Behrends hingegen hatte Äußerungen wie diese exemplarisch kritisiert.
Kai Wegner will CDU-Frauen nach ihren Erfahrungen fragen
Generalsekretär der Berliner CDU und Bundestagsabgeordnete Kai Wegner will die Frauen Union und Mandatarinnen der CDU zu einem Treffen einladen und deren Erfahrungen besprechen. "Da müssen wir fragen: Gibt es solche Vorfälle häufiger? Haben weitere Frauen in der CDU Sexismus erfahren? Dann müssen wir Maßnahmen entwickeln - auch damit die CDU für Frauen noch attraktiver wird", sagt Wegner.
Die Debatte über Sexismus müsse allerdings auch auf einer breiten gesellschaftlichen Basis geführt werden, sagt der Politiker. Sexismus sei kein Problem der CDU alleine, so Wegner. Vor dem Text von Jenna Behrends habe er persönlich noch nicht von solchen Vorfällen in der CDU gehört.
Henkels An- und Abwesenheit
Der Innensenator und CDU-Landeschef Frank Henkel nahm an der Senatssitzung am Dienstag teil und legte dort einen Bericht zur „Einführung des standardisierten IT-Arbeitsplatzes“ in der öffentlichen Verwaltung vor. Das rot-schwarze Kabinett tagte eine Dreiviertelstunde, die Atmosphäre war dem Vernehmen nach „sehr sachlich“.
Über Sexismus wurde im Senat erwartungsgemäß nicht gesprochen. An einem Krisentreffen des CDU-Kreisverbandes Mitte hatte Henkel am Montagabend nicht teilgenommen. Zum Fall Behrends wollte er sich auf Tagesspiegel-Anfrage nicht weiter äußern, die Vorwürfe gegen ihn hat Henkel bislang nicht dementiert.
Mittlerweile blickt Jenna Behrends fassungslos auf das, was sie ausgelöst hat, als sie den Sexismus in ihrer Partei anprangerte. Alles dazu lesen Sie heute auch auf der Seite 3 des Tagesspiegels - oder unter diesem Link.
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