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Im Kreise seiner Fraktionskollegen von der AfD: Bernd Pachal bei der BVV in Marzahn-Hellersdorf.
© Ingo Salmen
Update

Bernd Pachal aus Marzahn-Hellersdorf: AfD-Fraktionsvize lobt "kluge Politik" der Nazis

Bernd Pachal von der AfD in Marzahn-Hellersdorf würdigt bei Facebook die Rolle des SS-Mannes Reinhard Heydrich. Die SPD fordert Konsequenzen. Sympathien für Nazis sind bei der AfD im Bezirk nicht ungewöhnlich.

Die AfD in Marzahn-Hellersdorf demonstriert gern moralische Überlegenheit und erinnert die anderen Parteien an grundlegende Prinzipien demokratischen Zusammenlebens. Beim ersten Treffen der Bezirksverordneten nach der Wahl Ende Oktober warnte der Fraktionsvorsitzende Rolf Keßler die Konkurrenz vor einem „ganz großen Demokratiedefizit“, sollte sie Änderungen der Geschäftsordnung per Tischvorlage beschließen. Mit großem Pathos beschwor ihr neuer Stadtrat Thomas Braun im November erst das Grundgesetz („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“) und plädierte dann für eine „Verantwortungsethik“.

Wer sich anschaut, was mancher AfD-Politiker abseits offizieller Verlautbarungen von sich gibt, muss sich allerdings fragen, wie es die Partei selbst mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hält. Die umfasst schließlich auch Aspekte wie Rechtsstaatlichkeit und die Ächtung von Gewalt- und Willkürherrschaft. Einen besonders krassen Fall brachte am Donnerstag der SPD-Verordnete Dmitri Geidel in der BVV-Sitzung zur Sprache. Der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, Bernd Pachal, hatte sich bei Facebook anerkennend über einen führenden Vertreter des Nazi-Regimes geäußert. Pachal lobte dort „die kluge Politik des Reichsprotektors Reinhard Heydrich“ in der damaligen Tschechoslowakei. „Dieser stellte schon vom ersten Moment an die Weichen richtig.“

Heydrich ist als „Schlächter von Prag“ in die Geschichte eingegangen, als Chef des Reichssicherheitshauptamtes und Organisator der Wannsee-Konferenz zur „Endlösung der Judenfrage“. Doch das alles ficht den Vize-Fraktionschef der AfD nicht an. „Heydrich“, schreibt Pachal, „war beliebt.“ Die Tschechen seien „erst verhalten, später dankbar bis begeistert“ gewesen.

Die Äußerungen passen ins Bild, das man sich von Pachal bei diversen geschichtlichen Erörterungen machen kann. „Hitler revidierte ein Versailler Unrecht nach dem anderen“, resümierte er im Herbst letzten Jahres die 30er Jahre. Nach Wiederbewaffnung, Anschluss Österreichs und der Einverleibung des Sudetenlandes hätten die Nazis beim Angriff auf Polen einfach nur „zu hoch gepokert“. Später wollte er auch von „Hitlers Schuld an der Zerstörung Deutschlands“ nichts wissen. „Aber nicht Hitler zerstörte Deutschland, sondern die Alliierten.“

"Heydrich war beliebt": Bernd Pachal bei Facebook über den "Schlächter von Prag".
"Heydrich war beliebt": Bernd Pachal über den "Schlächter von Prag".
© facebook.com/KeineAlternativeFuerBerlin

Nicht nur in Marzahn fischt die AfD regelmäßig im Trüben. Im brandenburgischen Landtag wurde erst am Freitag ein Abgeordneter wegen des Zwischenrufs "Goebbels für Arme" aus der laufenden Sitzung ausgeschlossen. Er richtete sich gegen einen Redner der CDU, der den Plan von Bundesvize Alexander Gauland kritisiert hatte, auch dann im Potsdamer Parlament bleiben zu wollen, wenn er 2017 in den Bundestag einziehen sollte. Gauland will dadurch verhindern, dass der AfD-Kreischef in der Uckermark, Jan-Ulrich Weiß, nachrückt. Er wird dem Umfeld der Reichsbürger zugerechnet und ist auch schon durch eine antisemitische Karikatur bei Facebook auffällig geworden - worauf Gauland vergeblich versucht hat, ihn aus der Partei zu entfernen.

Von Pachal ist bekannt, dass er 2015 auch schon mal das Fronttransparent bei einer Bärgida-Demo trug. Mit anderen Pegida-Zweigstellen in Bayern hält die AfD eine Parteimitgliedschaft für unvereinbar. Auch antisemitische Positionen sind Pachal nicht fremd, wie der Tagesspiegel schon kurz nach der Berlin-Wahl berichtete. AfD-Fraktionschef Keßler, seinerzeit auf die Haltungen seines Stellvertreters angesprochen, gab sich schmallippig: Das müsse er prüfen.

Am Freitag erneut danach befragt, sagte Keßler, er habe in der Vergangenheit weder antisemitische, noch andere Äußerungen Pachals wahrgenommen, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes ständen. Zu den aktuellen Vorwürfen wollte Keßler sich nicht äußern. Die Fraktion müsse sich erst einmal damit auseinandersetzen und werde sich dann äußern.

"Wer in Deutschland lebt, muss sich an unsere Werte halten"

Der Sozialdemokrat Geidel will sich nicht länger vertrösten lassen. „Ich kann nicht fassen, dass im Jahr 2016 ein Mensch in einem deutschen Kommunalparlament sitzt und öffentlich Nazi-Schlächter lobt“, sagte er am Donnerstag im Marzahner Freizeitforum. „Wer in Deutschland lebt, muss sich an unsere Werte halten. Und Ablehnung des ganzen Nazi-Drecks steht da ganz oben.“

Geidel wandte sich auch direkt an den Fraktionsvize, der in der ersten Reihe Platz genommen hatte: „Ihre Aussage, Herr Pachal, geht gegen alles, wofür unser Deutschland steht. Sie haben sich als Demokrat absolut disqualifiziert.“ Er teile nicht die Ansicht, die AfD sei nur „eine NPD mit blauem Anstrich“, betonte der SPD-Verordnete. „Ich bin der festen Überzeugung dass die Mehrzahl Ihrer Fraktionsmitglieder aufrechte Demokraten sind, die von diesem Nazi-Gewäsch genau so angewidert sind wie ich“, sagte Geidel deshalb in Richtung aller AfD-Vertreter. „Lassen Sie sich von diesen Hitler-Nostalgikern nicht in Geiselhaft nehmen.“

Wie ist es um das Bekenntnis zur Demokratie bestellt?

Geidel verlangte von der Fraktion eine „Null-Toleranz-Politik gegenüber Sympathisanten von Kriegsverbrechern und Massenmördern“ und nahm Fraktionschef Keßler beim Wort. „Zeigen Sie uns, dass Sie es ernst meinen mit Ihrem Bekenntnis zur Demokratie und distanzieren Sie sich von Herrn Pachal.“

Eine Reaktion der AfD gab es in der Sitzung nicht. Kurz vor Mitternacht postete der Bezirksverband jedoch bei Facebook Fotos von Studierenden der Alice-Salomon-Hochschule und anderen linken Aktivisten, die vor Beginn der BVV gegen die Partei demonstriert hatten. Ein Gesprächsangebot des Fraktionsvorsitzenden Keßler hatten sie ausgeschlagen. „Merkwürdiges Demokratieverständnis der Möchtegerndemokraten“, wunderte sich die AfD.

Weihnachtsmarkt-Video zieht Hass-Kommentare nach sich

AfD-Fraktionschef Rolf Keßler (Mitte) mit anderen Bezirksverordneten.
AfD-Fraktionschef Rolf Keßler (Mitte) mit anderen Bezirksverordneten.
© Ingo Salmen

Dass die Studierenden nicht mit der AfD reden wollten, hatte auch einen anderen, aktuellen Anlass. Am 4. Dezember hatte der Bezirksverband auf seiner Facebook-Seite ein Video vom Weihnachtsmarkt in Kaulsdorf hochgeladen. Es zeigt einen arabischen Musikbeitrag auf der Bühne. "Früher gingen die Weihnachtslieder aber anders", unkte die AfD. "Aber eine Islamisierung findet ja nicht statt."

Inzwischen ist das Video mehr als 200.000 Mal abgespielt worden. Mehrere Hundert Kommentare haben sich darunter angesammelt. Auch Kritiker der AfD äußerten sich. Viele fühlten sich aber berufen, ihren Hass auf Muslime bei der Partei abzuladen. "Schmeiß die puchmuchten raus,das ist unser Land", schrieb "Siegfried Brandt" exakt so. "Wir dürfen uns unserer Kultur nicht berauben lassen!!!! Der Wiederstand muß beginnen ,Jetzt sofort!!" Nutzer "Stefan Aramon Hahn" warnte vor einer "Ausrottung der deutschen Kultur". Und "Matze Peng" wünschte sich Neonazis herbei: "Alter, vor zwanzig Jahren hätten erstmal hundert Glatzen die Bühne dafür zerlegt. Und heute? Tanzen Zecken und Hipster sich einen zu ab."

Auf dem Kaulsdorfer Weihnachtsmarkt habe es den Musikbeitrag und einen Stand von Syrern aus einer nahegelegenen Flüchtlingsunterkunft gegeben, berichtete Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle am Donnerstag in der BVV. "Die meisten Lieder waren deutsch, man hätte sie munter mitsingen können", sagte die Linken-Politikerin. "Es war ein Weihnachtsmarkt, wie er im Buche stand." Über die Kommentare unter dem Video habe sie derweil die Staatsanwaltschaft in Kenntnis gesetzt.

In einer Kleinigkeit den Niedergang des Abendlandes zu sehen, hat bei der AfD in Marzahn-Hellersdorf eine gewisse Tradition. Vier Tage nach der Berlin-Wahl im September warf der neue Bezirksverordnete Bernd Lau, früher Mitglied der rechten Kleinpartei "Die Freiheit", der Spielplatzinitiative Marzahn "vorauseilenden Gehorsam" gegenüber dem Islam vor. Er werde den Verein "im Auge behalten" und sich über dessen Finanzierung informieren, drohte er unverhohlen. Die Spielplatzinitiative hatte für Kinder ein Zuckerfest zum Ende des Ramadans veranstaltet. "Die Islamisierung macht auch vor Marzahn nicht halt", kommentierte Gunnar Lindemann das im Sommer. Mittlerweile sitzt er als direkt gewählter Abgeordneter der AfD für Marzahn-Nord im Landesparlament.

AfD-Abgeordneter teilt sich Tribüne mit örtlichen Nazis

Lindemann hat in der Vergangenheit schon mal ein "Like" für Einträge der NPD bei Facebook verteilt. Er zeigte Sympathien für die "Nein-zum-Heim"-Proteste im Bezirk und die "Bürgerbewegung Marzahn", die gegen die Unterbringung von Flüchtlingen mobilisierten - organisiert von örtlichen Neonazis. Denen gegenüber hat er offenbar keine Berührungsängste. Am Donnerstag saßen Lindemann und die Bezirksvorsitzende Jeannette Auricht mit Rechtsextremen Seite an Seite auf der Besuchertribüne der BVV-Sitzung.

Unten sprach der Fraktionsvorsitzende der Linken, Björn Tielebein. Er sei um das "friedliche Zusammenleben besorgt", sagte er und verurteilte die "rassistische Stimmungsmache" der AfD. "Hass und Rassismus sind für uns keine Gesprächsgrundlage."

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