Berliner Lehrerbesoldung: 5300 Euro für alle
Monatelang wurde im Senat gerungen. Jetzt steht fest: Alle voll ausgebildeten Grundschullehrer sollen mehr Geld bekommen. Und die DDR-Lehrer?
Schon der Betreff klang vielversprechend: Um die „höhere Vergütung für Grundschullehrkräfte“ sollte es gehen, als Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) an diesem Dienstag mit der Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doreen Siebernik, über die weiteren Schritte informieren wollte. Monatelang war – auch mit dem Finanzsenator – um einen Kompromiss gerungen worden. Dabei ging es nicht zuletzt um die Frage, welche Art von zusätzlichen Fortbildungen die nach altem Modell ausgebildeten Ost- und West-Grundschullehrer vorweisen müssen, um 5300 Euro pro Monat (E13) zu verdienen – so wie die neuen Absolventen.
55 Millionen Euro - und ein Lob für Scheeres
Die sogenannten Bestandslehrer bekommen ab Sommer 2019 mehr Geld. Dafür müssen sie in den nächsten Jahren 30 Stunden an Fortbildungen nachträglich absolvieren. Insgesamt werden von der Neuregelung rund 5600 Lehrkräfte profitieren, was ab 2020 rund 55 Millionen Euro zusätzlich kosten wird. Für das zweite Halbjahr 2019 werden noch 21 Millionen Euro fällig.
Als Vorbild gilt Schleswig-Holstein, wo ein ähnlicher Weg beschritten wird, um Grundschullehrern zu einer höheren Besoldung zu verhelfen. Die Finanzverwaltung hatte aber Bedenken hinsichtlich der rechtlichen Konstruktion. Schließlich geht es um Pädagogen, die einer anderen Laufbahn zugeordnet sind. Immer wieder verzögerte sich die Einigung im Senat. Scheeres habe sich schließlich behauptet, lobte die GEW ausdrücklich.
Grundschullehrer werden mit Studienräten gleichgestellt
Traditionell verdienen Grundschullehrer rund 500 Euro weniger als Studienräte. Der Unterschied leitete sich früher unter anderem aus einer anderen Ausbildung ab. Inzwischen gleichen die Bundesländer die Ausbildungen aber an. Auch in Berlin studieren Grundschullehrer inzwischen ebenso lange wie die künftigen Lehrer der Gymnasien und Sekundarschulen. Daher war 2017 beschlossen worden, dass die Absolventen des reformierten und verlängerten Studiums ab sofort mehr Geld verdienen, und zwar rund 5300 Euro pro Monat, weil sie jetzt auch der Entgeltgruppe E13 zugeordnet sind.
Von Anfang an war aber klar gewesen, dass die Lehrer, die zum Teil seit Jahrzehnten in den Schulen arbeiten, nicht übergangen werden können: Sie haben zwar in der Regel ein kürzeres Studium absolviert, verfügen aber durch ihre Erfahrung über wesentlich höhere Kompetenzen und müssen auch selbst die Quereinsteiger und Junglehrer einarbeiten, die künftig mehr verdienen als sie selbst. Da diese Schieflage als unzumutbar galt, war klar, dass die Höherbesoldung auch für die Tausenden "Bestandslehrer" kommen würde. Die Frage war nur, wie die rechtliche Konstruktion ausfallen sollte und welche Hürden aufgebaut werden sollten.
Auch Lehrer für untere Klassen sollen profitieren
Das Gleiche gilt für 1300 "Lehrer unterer Klassen" (Luk-Lehrer), die noch in der DDR ausgebildet wurden und damals kein Abitur vorweisen mussten. Auch sie sollen auf die E13 angehoben werden, sofern sie nach der Wende Zusatzkurse - die so genannten Sternchenkurse - belegt hatten. Auf rund 500 LuK-Lehrer trifft das nicht zu: Zum Teil liegt das daran, dass sie zur Wendezeit im Hort eingesetzt waren und dort - wegen des allgemeinen Lehrerüberhangs - auch bleiben sollten. Rund 200 von ihnen wechselten allerdings 2016 zurück in den Unterricht, weil die Lehrer inzwischen so knapp geworden waren. Nach einer festgelegten "Bewährungszeit" könnten sie aber ebenfalls in den Genuss der E 13 kommen, erläuterte GEW-Tarifexperte Udo Mertens.
Ein weiter Weg der GEW
GEW-Chefin Siebernik erinnerte daran, wie lange für diesen Durchbruch gekämpft worden war – und zwar nicht erst seit 2016: Bereits vor zehn Jahren hatte die GEW ein Gutachten vorgelegt, wonach die psychosoziale Belastung der Grundschullehrer „deutlich höher“ sei als die der Oberschullehrer. Seit 2012 gab es dann immer wieder Streiks mit dem Ziel „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ – 28 Streiktage. 2014 dann änderte Scheeres innerhalb der SPD/CDU-Koalition das Lehrkräftebildungsgesetz, womit die Studiendauer beider Lehrämter angeglichen wurde. Spätestens da war klar, dass sich ein Gehaltsunterschied von 500 Euro im Monat nicht mehr lange halten lassen würde.
Fortbildungen als Voraussetzungen
Um in den Genuss des höheren Gehalts zu kommen, müssen die Lehrer mindestens seit vier Jahren an einer Grundschule oder im Grundschulteil einer Sekundarschule arbeiten und 30 Stunden Fortbildung absolviert haben. Zudem müssen sie sich verpflichten, in den ersten drei Jahren nach der Höherbesoldung weitere 30 Fortbildungsstunden zu absolvieren – was allerdings keine Hürde sein dürfte. Scheeres rechnete vor, dass die verlangten Stunden beinahe automatisch zusammenkommen, weil alle Schulen Studientage anbieten. Zudem ist es üblich, am Ende der großen Ferien einen Fortbildungstag anzusetzen – zu Themen wie Mobbing, Inklusion oder Gesundheitsmanagement. An den Fortbildungen dürfte es also nicht scheitern. Entsprechend zufrieden waren denn auch die GEW-Vertreter.
Lehrermangel als Motiv
Die Höherbesoldung der Grundschullehrer passiert allerdings nicht ganz freiwillig. Abgesehen davon, dass die GEW Druck machte, spielt der gravierende Lehrermangel den Gewerkschaften in die Hände, denn insbesondere Grundschulkräfte sind knapp, wobei Berlin einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil hat: Es verbeamtet Lehrer nicht. Um die Grundschullehrer zu halten, blieb dem Senat daher nichts anderes übrig, als die Gehälter massiv anzuheben. Und auch dann verdienen die verbeamteten Lehrer in den anderen Bundesländern langfristig noch immer mehr als die angestellten mit ihren 5300 Euro in Berlin – zumal jetzt auch die anderen Bundesländer allmählich nachziehen und ebenfalls auf die höhere Besoldungsstufe wechseln.
Bis es soweit ist, könnte Berlin allerdings punkten, denn wenn ein verbeamteter Lehrer aus einem anderen Bundesland hierher wechselt, behält er nicht nur seinen Beamtenstatus, sondern bekommt dazu noch die höhere Berliner Bezahlung. Wenn er also in Bayern als Grundschullehrer zurzeit weniger verdient als ein dortiger Studienrat, würde er in Berlin schlagartig mehr Geld verdienen.
Weitere Lockmittel
Besonders interessant dürfte für Lehrer zudem die Tatsache sein, dass sie sogar noch kurz vor der Pensionierung die Möglichkeit bekommen, eine höhere Alterssicherung zu erhalten: Wer beispielsweise 2019 in Pension gehen würde, sich aber entscheidet, noch zwei Jahre weiterzuarbeiten, könnte damit eine Pension erzielen, die das Niveau eines Studienrats erreicht. Zurzeit wirbt die Senatsbildungsverwaltung stark um Lehrer im Rentenalter, um die vielen hundert Quereinsteiger einzuarbeiten, die in die Schulen kommen: Sie haben von diesem Sommer an Anspruch auf eine bessere und längere Einarbeitung, wofür vor allem die älteren Lehrer gebraucht werden.
Der Bedarf an Lehrern wächst enorm – wegen der Pensionierungswelle, wegen der steigenden Schülerzahlen und wegen der Stundenermäßigung für Quereinsteiger. Die kommenden drei Jahre gelten als besonders große Hürde, die in der Schulverwaltung manchen in Angst versetzt. Schon jetzt geht man davon aus, dass der Anteil der Quereinsteiger an den Neueinstellungen weiter steigen wird, obwohl er schon 2017 die 40-Prozent-Grenze erreicht hatte und bei den Grundschulen sogar bei über 50 Prozent lag. Deshalb gilt aktuell nahezu jedes Mittel als recht, um die absehbaren Lücken zu stopfen.
Wegen des Personalmangels ist alles auf dem Prüfstand
Aktuell durchforstet die Bildungsverwaltung die sogenannten Abordnungen: Das sind Stellen, die ganz oder teilweise dem Unterricht verloren gegangen sind, weil die betreffenden Lehrer Sonderaufgaben übernommen haben. So erfuhren gerade erst die Europaschulen, dass ihre zahlreichen Moderatorenstellen in Gefahr seien, abgezogen zu werden. Aus der Senatsverwaltung für Bildung hieß es dazu am gestrigen Dienstag, es sei noch nichts spruchreif: Die Senatorin und Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) würden alle Vorschläge zunächst prüfen.