Organisierte Kriminalität in Berlin: 50 Ermittlungen pro Jahr gegen mafiöse Gruppen
Organisierte Kriminalität in Europa nimmt zu. Laut Europol sind transnationale Banden mit Drogenhandel, Hehlerei, Betrug aktiv. In Berlin stammen die Verdächtigen aus 43 Ländern - oft in gemischten Banden.
Hehler, Schmuggler, Erpresser und Betrüger – mehr als 5000 Banden betreiben in Europa kriminelle Geschäfte. Die meisten davon sind in mehreren Staaten und Städten aktiv, darunter auch in Berlin. Das geht aus einem Bericht von Europol und aus Einschätzungen deutscher Juristen hervor. Wie Europol-Direktor Rob Wainwright am Donnerstag in Den Haag mitteilte, stammten die Tatverdächtigen aus 180 Staaten.
Insgesamt sind Europol zufolge seit 2013 mehr mafiöse Gruppen, also gut organisierte Kriminelle, aktiv. Demnach geht es vor allem um Drogenschmuggel, Verkauf von Diebesgut, Cyberkriminalität und Menschenhandel. Letzterer hat Europol zufolge mit der Flüchtlingskrise deutlich zugenommen. In Berlin stufen Ermittler rund 50 Mal im Jahr die Taten von Banden als Organisierte Kriminalität (OK) ein. Aktuelle Zahlen dazu dürften bekannt werden, nachdem Innensenator Andreas Geisel (SPD) am kommenden Montag die Berliner Kriminalstatistik vorstellt.
Welche Taten als OK eingestuft werden, interpretieren Fahnder und Juristen. Meist werden illegale Aktivitäten dann als OK bezeichnet, wenn die Täter arbeitsteilig und dauerhaft Profite durch illegales Handeln machen und diese in die legale Wirtschaft überführen. Im Jahr 2015 galt das in Berlin für 53 einschlägige Verfahren, bei denen lokale Behörden, das Bundeskriminalamt oder der Zoll ermittelt haben. In Deutschland belegt Berlin damit Platz vier.
16 der 53 OK-Komplexe wegen Autoschmuggels, Einbrüchen, Diebstählen
Die Fahnder beschäftigten sich in 16 der 53 OK-Komplexe mit systematischem Autoschmuggel, Einbrüchen, Diebstählen. In zehn OK-Verfahren ging es um Drogenhandel, in fünf um Wirtschaftsstrafsachen. Darüber hinaus wurden Passfälscher, Internetbetrüger, Waffenhändler und Schleuser verfolgt.
Die bekannten Tatverdächtigen stammten aus 43 Ländern, wobei es sich bei den meisten um deutsche Staatsangehörige handelte, darüber hinaus vor allem um Polen und Türken. Um einem Klischee zu begegnen: Nur eine Bande, die in Berlin 2015 aktiv war, wurde von Italienern dominiert. Eine zentral geführte OK-Struktur gibt es in der Stadt ohnehin nicht, auch wenn es sich bei mafiösen Gruppen stets um streng hierarchische Bünde handelt.
Viele Profi-Gangster arbeiten oft nur auf Zeit oder für bestimmte Aktionen zusammen. Die Verdächtigen sind flexibel, weshalb Bezeichnungen wie „Polenmafia“ oder „Türkenmafia“ kaum taugen. Für viele Täter steht nicht die ethnische Herkunft ihrer Komplizen im Vordergrund, sondern die Profitmaximierung. Allerdings gibt es Ermittlern zufolge auch fast homogene Gruppen – etwa unter Tschetschenen.
Kontakte zwischen Profi-Kriminellen und Islamisten
Der Europol-Chef Wainwright erklärte die hohe Zahl verdächtiger Gruppen auch mit mehr ausgewerteten Informationen – offenbar hat die Behörde mehr Daten betrachtet als noch 2013. Dennoch sei die Zahl von 5000 Banden ein Indiz für die Dynamik illegaler Märkte sowie für das Erstarken krimineller Einzelunternehmer. Dies gelte vor allem für Taten, die online durchgeführt werden.
In Den Haag hieß es am Donnerstag, Ermittler hätten auch Kontakte zwischen islamistischen Terroristen und dem Organisierten Verbrechen festgestellt. „Die meisten IS-Terroristen haben einen kriminellen Hintergrund“, sagte Wainwright. Anis Amri, der spätere Attentäter vom Breitscheidplatz, hat sich in Berlin nicht nur regelmäßig in den Gebetsräumen von Salafisten aufgehalten. Amri handelte mit Drogen und verkehrte, heißt es aus Justizkreisen, mit einem Berliner Araber, der einem in Rotlichtkreisen bekannten Clan zugerechnet wird.
Zuletzt war in Berlin vor einem Jahr viel von „der Mafia“ die Rede. Ein einst in Polen verurteilter Kokainhändler aus der Türkei ist in der Bismarckstraße durch ein Autobombe getötet worden. Einen Tatverdächtigen hat die Staatsanwaltschaft bislang nicht.