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Linken-Bundesprominenz, ganz vorn: Bernd Riexinger, Petra Pau, Katja Kipping. Daneben - mit kleinen Ohrringen im linken Ohr - der Berliner Spitzenkandidat Klaus Lederer.
© dpa
Update

Stimmgewinne für Linke in Berlin: 15-Prozent-Hürde genommen

Klaus Lederer holt mehr Stimmen als er selbst erwartet hat. Das stärkt den Berliner Linken-Chef und vor allem seine Partei für die Koalitionsgespräche.

Klaus Lederer weiß, woran ihn sowohl seine Kritiker als auch seine Unterstützer gemessen haben. Zugespitzt formuliert: allein daran, ob die Partei mit ihm als Spitzenkandidaten mindestens 15 Prozent der Stimmen holt. Bis Sonntagabend sah es danach aus, als hätte Lederer sie nicht enttäuscht. Die Partei könnte sogar bis zu 16 Prozent der ausgezählten Stimmen bekommen haben. Doch Lederer, der sonst so eloquente Schnellrhetoriker, blieb vorsichtig, geradezu bescheiden: „Ich hätte das so nicht für möglich gehalten.“
Der Druck auf den promovierten Juristen – 42 Jahre alt, seit den frühen 90ern politisch aktiv – war nach diversen Niederlagen der Linken in anderen Bundesländern enorm. Fast ungläubig wirkte der Landeschef deshalb am Sonntag, als er vom Wahlerfolg seiner Partei in den Fernsehrunden sprach. Auf der Wahlparty in einem Friedrichshainer Club jubelten die Mitglieder dennoch. Und Linken-Bundeschefin Katja Kipping sagte auf der Bühne sinngemäß: Den Erfolg habe man jetzt aber auch verdient – eine Anspielung auf die Debakel dieses Jahr, zuletzt bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern vor zwei Wochen.

Linke legt absolut und relativ zu - Lederer wird hart verhandeln können

Als einzige der Parteien, die derzeit im Abgeordnetenhaus vertreten sind, hat die Linke in absoluten und relativen Zahlen zugelegt. Lederer wird entsprechend hart verhandeln, wenn es nun um eine Koalition mit SPD und Grünen geht. Schon an diesem Montag, wenn er in der Parteizentrale in Mitte vor die Presse tritt, dürfte er erleichtert und deutlich selbstbewusster wirken als am Sonntag. Lederer hat das in der Partei einst wütend diskutierte Desaster der Abgeordnetenhauswahl 2011 zwar nicht ungeschehen machen können, aber doch geholfen, es leichter zu verdrängen. Jene Berlin-Wahl war Tiefpunkt eines langen Abstiegs: Einst, 2001, erhielten die noch als PDS kämpfenden Linkspolitiker 22,6 Prozent der Stimmen. Nach einer Legislatur in rot-roter Koalition waren es 2006 nur noch 13,4 Prozent, nach einer weiteren Amtszeit wurde die Linke 2011 mit 11,7 Prozent nach SPD, CDU und Grünen nur noch viertstärkste Partei.

Der Spitzenkandidat der Linken in Berlin, Klaus Lederer, gibt seine Stimme ab.
Der Spitzenkandidat der Linken in Berlin, Klaus Lederer, gibt seine Stimme ab.
© AFP

Für Lederer ist das mit den 15 Prozent an diesem Sonntag so wichtig, weil er in all den Jahren damals immer in wichtigen Parteipositionen dabei war. Der in Prenzlauer Berg lebende, offen schwule Spitzenkandidat hatte in den vergangenen Jahren einiges zusammendenken, ja sprichwörtlich zusammenhalten müssen. Zunächst: Die in Berlin zehn Jahre lang regierende Linke ist keine Protestpartei mehr, auch wenn viele Traditionswähler genau das erwarten. Folglich muss das Linken-Personal eben auch protestieren, gerade was die Wohn- und Mietenpolitik der SPD, ihres wohl künftigen Koalitionspartners, angeht. Denn wäre die Linke so leise wie die Grünen aufgetreten, stünde zu befürchten, dass sie unnötig Stimmen an die AfD verloren hätte. Das Streitgespräch übrigens, das Lederer trotz parteiinterner Widerstände mit AfD-Mann Georg Pazderski in der Tagesspiegel-Redaktion führte, hat den Linken wohl nicht geschadet.

Lederer musste zuletzt verstärkt auch die verschiedenen Traditionen innerhalb der Partei berücksichtigen: Er einte – grob vereinfacht – drei Milieus, zumindest vorübergehend. Da wären die Ost-Berliner Facharbeiter und Senioren, die ahnen, dass ein starker Staat nach wie vor unverzichtbar ist. Dann sind da die oft in der Innenstadt residierenden Aktivisten, die selbst in der Flüchtlingskrise auf arglose Liberalität setzen. Zuletzt ist dieses Mitgliedermilieu durch die von Lederer eingefädelten Übertritte zahlreicher Ex-Piraten gestärkt worden. Und da wären noch die gutmeinenden Technokraten, die in Verwaltungen und Verbänden das Handwerk der kleinen Politik lernten und – sozialpsychologisch gesehen – in der SPD gelandet wären, wenn sie im Rheinland aufgewachsen wären.

Griechischer Ex-Finanzminister Varoufakis: Auch um AfD-Wähler kämpfen

Die höchst fragmentierte Partei zusammenzuhalten, ist Lederer also weitgehend gelungen – und man kann ihm nicht vorwerfen, sich nicht einiges einfallen gelassen zu haben. Am Abend vor der Wahl hatten sich Lederer und Partei-Bundeschefin Kipping mit dem Ex-Finanzminister Griechenlands getroffen. Yanis Varoufakis war in den Jahren der Euro-Krise und des Athener Schuldendramas zum Star der Linken in vielen Ländern geworden. Bei einer Diskussion auf dem Friedrichshainer RAW-Gelände sagte Varoufakis am Samstagabend unter Applaus allerlei Strenges über die Bundesregierung, hatte es aber auch nicht nötig, den Gastgebern übermäßig zu schmeicheln. Die Linke müsse parteiübergreifend arbeiten, es brauche eine „große Allianz gegen rechts“. Mit Blick auf die AfD-Wähler sagte Varoufakis deutlich: „Behandelt sie nicht als Rassisten – selbst wenn sie etwas Rassistisches sagen. Diese Menschen haben wenig Hoffnungen, es liegt an der Linken, ihnen Hoffnung zu geben.“

Lederer erklärte gleich nach der Wahl, die Linke sei nach wie vor eine Protestpartei, aber eben nicht nur. Beides wird sich nun zeigen.

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