zum Hauptinhalt
Generationswechsel im Roten Rathaus: Vor 100 Tagen hat Michael Müller von Klaus Wowereit den Stuhl des Regierenden Bürgermeisters übernommen.
© dpa

Nachfolger von Klaus Wowereit: 100 Tage Michael Müller - Ihr Eindruck?

Vor 100 Tagen hat Michael Müller Klaus Wowereit abgelöst. In manchen Bereichen ist seine Handschrift erkennbar, viele Kernprobleme harren noch der Lösung, so zum Beispiel die vielen Baustellen der Stadt. Und wie ist Ihre Meinung? Diskutieren Sie mit!

Hundert Tage ist er jetzt im Amt. Das ist eine Schonzeit, die der US-Präsident Franklin D. Roosevelt erfunden hat, als er während der Weltwirtschaftskrise 1933 das „New Deal“-Programm vorlegte und darum bat, dessen Wirkung erst einmal abzuwarten. Seitdem gelten die hundert Tage als ein Stillhalteabkommen neuer Regierungen mit Opposition und Medien, was nicht immer funktioniert. Auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) musste vorzeitig Kritik einstecken, aber er bekam hier und da auch Lob. Zum Beispiel dafür, dass er in die Debatte über das Humboldtforum neue Nutzungsideen einbrachte.

Mehr Investoren

Die Bilanz, die nach hundert Tagen traditionell gezogen wird, fällt gemischt aus. Das größte Projekt, dass die Müller-Regierung anschob, ist ein Sonderprogramm für Investitionen. Rund 500 Millionen Euro sollen in Bildungs-, Verkehrs- und soziale Infrastruktur fließen. Offen ist, wann und wie diese Pläne umgesetzt werden. Ideengeber für den Investitionsfonds für die wachsende Stadt waren übrigens Grüne und Linke. SPD-Landeschef Jan Stöß und die Fraktionschefs Raed Saleh (SPD) und Florian Graf (CDU) leiteten dann den Kurswechsel in der Finanzpolitik ein, um den gigantischen Sanierungsstau in Berlin langfristig aufzulösen.

Kein Olympia

Der Regierende Bürgermeister musste auch schon eine schwere Niederlage einstecken. Berlin darf sich nicht für Olympia 2024 bewerben, entschied der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). Hat der Senat da etwas falsch gemacht? Müller will es nicht wissen. Die Fehlersuche sei müßig, sagte er.

Kleine Schritte

Ansonsten hat Müller begonnen, seine Politik der kleinen Schritte umzusetzen. So brachte der Senat ein Hundegesetz auf den Weg, um das Verhältnis zwischen Tier und Mensch in der Großstadt neu zu regeln. Außerdem wurde ein Bäderkonzept beschlossen, das die bestehenden Schwimmbäder sichert und zwei neue Multifunktionsbäder in Pankow und Mariendorf vorsieht. Allerdings muss sich das Land Berlin einen Nachfolger für den Bäderchef Ole Bested Hensing suchen, der aus familiären Gründen im Juni geht.

Im Zentrum der Senatspolitik standen in den ersten hundert Tagen Stadtentwicklung und Wohnen. Das ist die politische Handschrift des ehemaligen Bausenators Müller. Zum Beispiel wurden Mauerpark und Buckower Felder zu Gebieten von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung erklärt, damit entzog der Senat die Bebauungsplanverfahren der bezirklichen Aufsicht und dem organisierten Protest der Bürger. Erschwert wurde die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Problemgebieten.

Mitte April startet ein öffentlicher Dialog zur Gestaltung der historischen Mitte. Es geht um das Areal zwischen Fernsehturm und Spree, Rotem Rathaus und Marienkirche. Gleich nach der Olympiapleite bestätigte der Senat die ursprünglichen Nachnutzungspläne für den Flughafenterminal Tegel und das gesamte Areal, das zum Forschungs- und Industriepark inklusive Wohnungsneubau am Kurt-Schumacher-Damm umgestaltet werden soll.

Erwähnenswert ist noch, dass ab dem Schuljahr 2016/17 die Früheinschulung flexibilisiert und damit dem Wunsch vieler Berliner Eltern entsprochen wird. Auszubildende der allgemeinen Verwaltung, die ihre Prüfung mit mindestens „befriedigend“ bestanden haben, werden künftig unbefristet in den öffentlichen Dienst übernommen. Und der Senat beschloss ein Aktionsprogramm zur Förderung des Berliner Handwerks. In diesem Zusammenhang wurde die Vergabe öffentlicher Aufträge reformiert. Bürokratische Hürden sollen fallen und die Grenzen für freihändige Vergaben wurden gesenkt.

Pfusch am Bau

Bis zur Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2016 sind es noch über 500 Tage. Bis dahin hat Müller Zeit, den hohen Vertrauensvorschuss, den er in der Bevölkerung bislang genießt, durch die Lösung der innerstädtischen Kernprobleme zu rechtfertigen. Es ist allerdings absehbar, dass viele wichtige Vorhaben in dieser Wahlperiode vielleicht noch auf den Weg gebracht, aber nicht vollendet werden können. Dazu gehört an erster Stelle der Flughafen BER. 2016 sollen die Bauarbeiten beendet sein und der Regierende Bürgermeister fände es sicher schick, dies vor dem Wahltag schon ein bisschen zu feiern. Aber eröffnet wird der Airport nach derzeitigem Stand der Dinge erst in der zweiten Jahreshälfte 2017 und es bleibt vorerst offen, wie, wann und mit welchem Geld der deutlich zu kleine BER anschließend erweitert wird.

Für das Flughafengebäude Tempelhof, in dem seit 2008 kein Passagier mehr abgefertigt wird, gibt es zwar Ideen für die Nutzung, aber für die Sanierung und den Umbau mit öffentlichen Mitteln fehlt das nötige Geld. Es geht um dreistellige Millionenbeträge. Völlig verhakt hat sich die rot-schwarze Koalition bei der Frage, was aus dem Internationalen Congress Centrum (ICC) werden soll. Shoppingmall, wieder ein Kongress-Standort, ein Hotel oder endgültig eine Bauruine? Ein Fragezeichen steht ebenfalls hinter der weiteren Entwicklung des Olympiaparks und dem künftigen Standort für die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB).

Besser Wohnen

Bezahlbare Mieten und eine gesunde soziale Mischung in den Kiezen sind für Müller ein Hauptziel seiner Politik. Was der Senat bisher zur Förderung des Neubaus und zur finanziellen Unterstützung schlechter verdienender Mieter auf den Weg gebracht hat, zeigt aber noch keine messbare Wirkung.

Im Wahlkampf 2016 wird sich der Regierende mit einem Volksbegehren für eine neue Wohn- und Mietenpolitik auseinandersetzen müssen, das Initiativen, Verbände und Oppositionsparteien derzeit vorbereiten. Auch ist es bisher nur bei der Ankündigung geblieben, für Studierende 5000 zusätzliche Heimplätze zur Verfügung zu stellen.

Sonstige Dauerbrenner

Die Unterbringung von 20.000 Flüchtlingen, die 2015 wohl nach Berlin kommen, ist noch nicht gesichert. Eine neue Personalpolitik für den öffentlichen Dienst lässt auf sich warten, die Zukunft der Berliner Energienetze steht in den Sternen, ebenso die Vergabe des S-Bahn-Rings. Spannend bleibt die Frage, ob die Tangentiale Verbindung Ost (TVO) jemals aus dem Planungsstadium herauskommen wird. Sie soll die östlichen und südöstlichen Bezirke mit dem Berliner Ring im Norden und der A 113 im Süden verbinden.

Zur Startseite