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Ein Detail des Gesetzentwurfes zur Baför-Reform.
© Florian Schuh/picture alliance/dpa

Debatte um die Ausbildungsförderung: "Zeit für ein neues Bafög"

Die Ausbildungsförderung sollte elternunabhängig gezahlt werden, fordert die FDP-Fraktion im Bundestag. Ein Gastbeitrag.

Wer sich anstrengt, kann es schaffen. Egal woher sie oder er kommt. Das ist das zentrale Versprechen der Sozialen Marktwirtschaft und Prinzip der Chancengerechtigkeit. Kaum ein anderes Gesetz übersetzt dieses Versprechen in einen so handfesten Rechtsanspruch wie das Bundesausbildungsförderungsgesetz – kurz Bafög. Ziel des Bafög war von Anfang an, mehr jungen Menschen einen Weg ins Studium zu ebnen und individuelle Bildungschancen von der sozialen Herkunft zu entkoppeln.

Doch das ehemalige Bildungsaufstiegsgesetz Nummer eins verliert immer mehr an Substanz. Nur noch 18 Prozent der Studierenden erreichte das Bafög 2016, vier Jahre zuvor waren es noch 24 Prozent. Ausgerechnet bei Erstakademikern ist die Förderquote von 40 auf 27 Prozent dramatisch eingebrochen. Das ist nicht nur der besseren Wirtschaftslage geschuldet. Das Bafög betrachtet viele Eltern als Gutverdiener auf dem Papier. Die praktischen Finanzierungsprobleme löst das nicht.

Nicht Teil einer elterlichen Bedarfsgemeinschaft

Volljährige Studierende sind eigenständige Persönlichkeiten und nicht Teil einer elterlichen Bedarfsgemeinschaft. Sie sollen die Freiheit haben, selbstbestimmt über den Weg ihrer Ausbildung entscheiden zu können. Der Zugang zum Studium darf nicht von der Unterstützungskraft oder -bereitschaft der Eltern abhängen. Besondere finanzielle Probleme haben heute die Studierenden, deren Eltern für eine Bafög-Förderung zu viel und für den Unterhalt zu wenig verdienen. Studierende mit abgelehntem Bafög-Antrag erhalten im Schnitt nur 319 Euro monatliche Unterstützung von ihren Eltern. Auch wenn ihnen das Unterhaltsrecht mehr Geld zugesteht, verklagt kaum jemand die eigenen Eltern. Das macht zeitaufwendige Nebenjobs zur Notwendigkeit. 40 Prozent der Nicht-Bafög-Empfänger arbeiten mindestens zehn Wochenstunden in Nebenjobs, oftmals deutlich länger. Dass sie im bisherigen Bafög völlig durch das Raster fallen, ist eine fatale Ungerechtigkeit.

Jens Brandenburg, Sprecher für Studium, berufliche Bildung und lebenslanges Lernen der FDP-Bundestagsfraktion.
Jens Brandenburg, Sprecher für Studium, berufliche Bildung und lebenslanges Lernen der FDP-Bundestagsfraktion.
© Wolfgang Kumm/dpa

Mehr als ein Jahr hat Anja Karliczek auf ihren ersten Gesetzentwurf warten lassen. Er ist ein Offenbarungseid der müden Bildungsministerin. Nach Jahren der großkoalitionären Untätigkeit legt sie einen längst überfälligen Inflationsausgleich vor. Andrea Nahles lobt das zynisch als „größte Bafög-Reform seit Langem“. Der schwarz-rote Schlafwagen und die illusorischen Umverteilungsfantasien der Linken lähmen die Debatte über die Zukunft des Bafög schon zu lange. Mit einem strukturellen, aber kurzfristig finanzierbaren Reformvorschlag wollen wir Freien Demokraten neuen Schwung in die Debatte bringen. Wir versprechen nicht mehr Geld für wenige, sondern endlich handfeste Finanzierungschancen für ein Studium für alle.

Ein elternunabhängiges Baukasten-Bafög

Wir schlagen ein elternunabhängiges Baukasten-Bafög vor, das so flexibel und digital ist wie die Lebenswirklichkeit der Studierenden. 200 Euro im Monat erhalten Studierende unter 25 Jahren automatisch. Dieser Sockelbetrag ersetzt das bisherige Kindergeld beziehungsweise den Freibetrag für die Eltern volljähriger Studierender. Stattdessen wird der Betrag direkt an die Studierenden ausgezahlt. Mit weiteren 200 Euro unterstützen wir persönliches Engagement. Wer zehn Wochenstunden in einem Nebenjob, Ehrenamt, der Erziehung eigener Kinder oder Pflege naher Angehöriger Verantwortung für sich und die Gesellschaft übernimmt, erhält diesen Zuschuss. Die Möglichkeit eines flexiblen, zinsfreien und erst bei gutem Einkommen rückzahlbaren Darlehens ergänzt diese Bausteine. Das ermöglicht auch kurzfristig eine finanzielle Absicherung.

Der Bafög-Antrag wird einfach per Smartphone-App gestellt. Die wenigen nötigen Nachweise werden als Foto hochgeladen. Die Bafög-App prüft die Eingaben automatisiert und teilt sofort die Höhe des Bafög-Anspruches mit. Monatelange Planungsunsicherheit und Papier-Formblätter adé.

Doppelt so viele Studierende wie bisher würden den neuen Bafög-Zuschuss erhalten. Was für den sozialen Aufstieg gilt, ist auch für politische Reformen richtig: Wer sich anstrengt, kann es schaffen. Haben wir den Mut zu einer Bafög-Reform, die jungen Menschen ein selbstbestimmtes Studium ohne finanzielle Nöte ermöglicht. Es ist höchste Zeit für ein elternunabhängiges Bafög.

Der Autor ist Sprecher für Studium, berufliche Bildung und lebenslanges Lernen der FDP-Bundestagsfraktion.

Jens Brandenburg

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