Ausbildungsförderung: Kabinett beschließt Bafög-Reform
Die Bafög-Sätze sollen steigen, die Zahl der Geförderten ebenfalls: Das Bundeskabinett hat eine Bafög-Reform beschlossen. An den Plänen gibt es viel Kritik.
Studierende und Schüler aus sozial schwachen Familien sollen in Zukunft mehr Bafög halten. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den das Kabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht hat. Neben einer Erhöhung der Fördersätze soll dadurch auch der Kreis der Bafög-Empfänger größer werden. Dafür will die Bundesregierung allein in dieser Wahlperiode mehr als 1,2 Milliarden Euro zusätzlich ausgeben, wie Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) im Anschluss an die Kabinettssitzung sagte. Insgesamt sind bis zum Jahr 2022 1,8 Milliarden Euro zusätzlich vorgesehen.
Bereits im Vorfeld der-Kabinettsentscheidung gab es Kritik an der Bafög-Reform. Dass die vom Bund geplante Anhebung der Bafög-Sätze nicht ausreiche, kritisierte etwa Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag. „Auch mit der geplanten Novelle wird der Bedeutungsverlust des Bafög nicht gestoppt“, erklärte Gehring. Zwischen 2014 und 2017 sei die Zahl der Bafög-Geförderten um 180.000 auf durchschnittlich rund 557.000 Studierende und 225.000 Schülerinnen und Schüler im Monat gesunken. Mit der Bafög-Novelle würde dieser Rückgang keineswegs wettgemacht.
Ganz im Gegenteil rechne der Bund offenbar selber nur mit rund 35.000 zusätzlich Geförderten, kritisierte Gehring. Er berief sich dabei auf eine Antwort des Bundesbildungsministeriums (BMBF) auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag. Darin nennt das BMBF zwar keine konkrete Zahl. Allerdings lasse der Mehraufwand, mit dem das BMBF bei der Bearbeitung der Bafög-Anträge nach der Reform rechne, auf eben jene 35.000 zusätzlich Geförderten schließen, sagte Gehring. Auch die Hochschulgruppen der Jusos forderten zu Beginn der Woche "deutlich mehr Einsatz", um eine Trendwende beim Bafög zu schaffen.
Das Bafög-Höchstsatz soll bei 850 Euro liegen
Die Bafög-Novelle sieht vor, den Bafög-Höchstsatz ab dem kommenden Wintersemester in zwei Stufen bis 2020 von 730 auf 850 Euro zu steigern. Dabei soll der Grundbedarf zunächst um fünf Prozent und dann noch einmal um zwei Prozent steigen, die Wohnpauschale für Studierende, die nicht bei ihren Eltern wohnen, von 250 auf 325 Euro. Ebenso steigen die Zuschüsse für die Kranken- und Pflegeversicherung.
Weitere Kernpunkte der Reform: Die Freibeträge für das Einkommen der Eltern sollen in drei Schritten bis 2021 um 16 Prozent steigen, damit mehr Schüler und Studierende Bafög erhalten – die dritte Stufe war zunächst nicht vorgesehen und ist jetzt noch hinzugekommen. Der Freibetrag für das Vermögen der Bafög-Empfänger wird 2021 von 7500 auf 8200 Euro angehoben. Geplant sind auch Änderungen bei der Rückzahlung des Bafögs. Die monatliche Rate soll von 105 auf 130 Euro steigen. Dafür wird die Dauer der Rückzahlung auf zwanzig Jahre gedeckelt – die Tilgung der Restschuld wird denjenigen erlassen, die bis dahin nicht alles zurückzahlen konnten.
Die letzte Erhöhung gab es 2016
Die letzte Bafög-Erhöhung hatte es 2016 gegeben, und davor hatte sich sogar zehn Jahre lang nichts getan. Dass trotz der Erhöhung vor drei Jahren weniger Studierende Bafög erhalten, erklärt die Bundesregierung mit dem gleichzeitigen Anstieg der Einkommen in Deutschland, weil sich die Wirtschaft gut entwickelt habe. Die neue Reform sei aber "ganz besonders mit Blick auf die Familien geboten, die jetzt knapp über den einkommensbezogenen Anspruchsgrenzen liegen", erklärt das BMBF in seiner Antwort an Gehring. Bildungsministerin Karliczek hatte bereits in ihrem Eckpunktepapier für die Novelle erklärt, trotz des Wirtschaftsaufschwungs seien Lebenshaltungskosten gerade auch für Mittelschichtsfamilien gestiegen, was eine Ausweitung des Bafögs nötig mache.
Gehring forderte, Fördersätze und Freibeträge schon zum nächsten Semester um jeweils zehn Prozent zu erhöhen. Danach müsste das Bafög „automatisch und regelmäßig“ steigen – eine Forderung, die seit langem auch vom Deutschen Studentenwerk erhoben und auch von den Jusos bekräftigt wird.
Nur 900 Online-Anträge binnen zwei Jahre
Die Wohnpauschale ist aus Gehrings Sicht „unzureichend“, eine regionale Staffelung nach dem Wohngeldgesetz wäre gerechter. Auch weitere „Strukturveränderungen" müssten angepackt werden, etwa die bessere Förderung von Studierenden in Teilzeit, von pflegenden Studierenden oder eines Orientierungssemesters. Gehring kritisierte auch, dass die Bundesregierung offenbar gegen die Berichtspflicht beim Bafög verstoßen und den nächsten Bafög-Bericht erst 2021 statt 2019 veröffentlichen will.
Auffällig in der Antwort der Bundesregierung auf die Grünen-Anfrage ist die niedrige Zahl von Online-Anträgen für das Bafög. Zwischen August 2016 und April 2018 verzeichneten die Bafög-Ämter nur 900 Online-Anträge, was einem Anteil "im Promillebereich" entspricht, wie Gehring kritisierte. Die Bundesregierung verspreche zwar Veränderungen und sei dazu mit den Ländern in Gespräche eingetreten. In der Bafög-Novelle schlage sich dieses Versprechen aber nicht wieder.