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Auf dem Campus der Universität von Ankara demonstrierten im Februar 2017 Studierende und Lehrende gegen politisch motivierte Entlassungen.
© Adem Altan/AFP

Verfolgte Wissenschaftler: Wo kritische Stimmen zum Schweigen gebracht werden

In vielen Staaten werden kritische Wissenschaftler entlassen, verhaftet und ermordet. Über aktuelle Fälle berichtet jetzt die Organisation Scholars at Risk.

In der Debatte um eine vermeintliche Bedrohung der Wissenschaftsfreiheit durch abgewürgte Vorlesungen an deutschen Universitäten gerät zuweilen aus dem Blick, dass Forscher in einigen Ländern noch immer ihre berufliche Existenz oder gar ihre Freiheit und ihr Leben riskieren.

Die aktuelle Bedrohungslage für Personen aus der globalen Wissenschaftscommunity – vom Studierenden bis zum Hochschulprofessor – wird jetzt im Jahresbericht der „Scholars at Risk“ ausgelotet. Das internationale Netzwerk, dem weltweit über 400 Hochschulen angehören, setzt sich für die Freiheit der Wissenschaft überall auf dem Globus ein. Die Organisation macht sich dafür stark, verfolgte, bedrohte oder geschasste Akademiker an einer ihrer Partnerunis unterzubringen, damit sie – von Repressionen unbehelligt – weiter ihrer Forschungsarbeit nachgehen können.

Im Bericht „Free to Think 2019“ werden insgesamt 324 Attacken auf Wissenschaftsakteure in 56 Ländern untersucht. Dies sei zwar nur eine empirische Stichprobe der Angriffe auf die internationale Scientific Community, so die Verfasser der Studie. Man könne aber für einige Länder klare Tendenzen benennen. In Indien, der Türkei und im Sudan, in China und in Brasilien sei ein deutlicher Anstieg von Gewalt zu verzeichnen.

Bedrohung für den weltweiten Wissenschaftsaustausch

Dabei hätten Angriffe auf die Freiheit der Wissenschaft ganz unabhängig davon, wo und in welchem Rahmen sie passierten, negative Konsequenzen für die Weltgesellschaft im Ganzen, sagt der Direktor der SAR, Robert Quinn. „In unserer hochvernetzten Welt stellen solche Attacken eine Bedrohung für den weltweiten Wissensaustauch dar.“ Ein solcher aber sei zum Verständnis und zur Lösung der globalen Probleme unbedingt notwendig, sagt Quinn.

Das Monitoring-Projekt verzeichnet insgesamt 97 der bekannt gewordenen gewalttätigen Übergriffe, Entführungen und Tötungen, 87 Inhaftierungen und 70 gerichtliche Anklagen. Zudem wurden 22 Fälle untersucht, in denen Forscher ihre Stellung verloren, und elf, in denen sie nicht reisen durften. Weitere 37 Fälle sind nicht näher spezifiziert.

Die untersuchten Attacken gehen dabei sowohl von staatlichen als auch von nicht-staatlichen Akteuren, wie etwa den afghanischen Taliban aus. Neben direkten Angriffen werden auch Fälle subtilerer Einflussnahmen dokumentiert.

In Brasilien etwa wird seit der Präsidentschaftswahl 2018, in deren Folge der Rechtsextremist Jair Bolsonaro die Regierungsgeschäfte übernahm, massiver Druck auf die dortigen Hochschulen ausgeübt. Neben häufigen Campus-Razzien durch die Polizei und Schikanen gegen Forscher, die Minderheiten angehören, listet der Bericht der SAR vor allem politisch motivierte Budgetkürzungen auf.

Dramatische Situation auch im Sudan, in China und der Türkei

Damit stelle sich Brasilien in eine Reihe mit Ländern, in denen das Modell der „illiberalen Demokratie“ schon längere Zeit reüssiert. In Indien etwa habe die hindunationalistische Regierung Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Studierenden als willkommenes Ereignis genutzt, um die Bürgerrechte derer zu beschneiden, die ihre Ideen nicht teilen.

Besonders besorgniserregend war die Lage aber jüngst im Sudan, in China und in der Türkei. So sind bei den diesjährigen Protesten gegen die sudanesische Regierung auch Studenten ums Leben gekommen. Zudem hat die sudanesische Militärführung ganze Universitäten geschlossen, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

In China hat nach wie vor jeder ein Problem, der sich aus dem von der kommunistischen Partei verordneten Wissenskonsens herausbewegt. Vor allem in der chinesischen Provinz Xinjiang, die mehrheitlich von den muslimischen Uiguren bewohnt wird, werden Akademiker laut SAR-Bericht noch immer in großer Zahl in „Umerziehungslagern“ interniert.

Für die Türkei verzeichnen die „Scholars at Risk“ nun schon im vierten Jahr einen Anstieg der Gewalt gegen die Wissenschaftswelt. Noch immer würden tausende von Akademikern entlassen, verfolgt und verhaftet. Wer eine kritische Petition unterzeichne oder sich mit Leuten zeige, die bereits in Ungnade gefallen sind, würde schnell zum Verräter erklärt.

Natürlich fallen Art und Qualität der Attacken je nach Region sehr unterschiedlich aus, erklären die Verfasser der Studie. Es gehe aber jedes Mal darum, den wissenschaftlichen Diskurs zu kontrollieren, und die Freiheit der Forschung zu beschränken.

Regierungen, wissenschaftliche Institutionen und Zivilgesellschaften sollten in Zukunft noch stärker für die Belange der Wissenschaft einstehen, heißt es. Das akademische Asyl, dass die SAR-Institutionen verfolgten Forscherinnen anbieten, ist somit nur ein kleiner Schritt auf dem langen Weg zur Freiheit der Forschung.

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