zum Hauptinhalt
Berlin, Kaiserdamm.
© Michael Kappeler/dpa

Feinstaub- und Stickoxid-Belastungen: Wissenschaftsakademie Leopoldina fordert nachhaltige Verkehrswende

Von kurzfristigen Fahrverboten seien "keine wesentlichen Entlastungen zu erwarten", argumentieren die Experten in ihrer Stellungnahme zur Feinstaub-Debatte.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat sich am Dienstagmorgen zum Streit um Feinstaub- und Stickstoffoxidbelastungen in deutschen Innenstädten und die geeigneten Gegenmaßnahmen geäußert. Die Experten fordern in einer Stellungnahme "zusätzliche Anstrengungen, um die Konzentration von Schadstoffen in der Luft weiter zu reduzieren". Der Schwerpunkt müsse mehr auf Feinstaub als auf Stickstoffoxiden liegen.

Von kurzfristigen oder kleinräumigen Maßnahmen, etwa von Fahrverboten, sei keine wesentliche Entlastung zu erwarten. Stattdessen müsse es eine "bundesweite ressortübergreifende Strategie zur Luftreinhaltung" geben.

Außerdem weisen die Experten in dem Papier ("Saubere Luft ‒ Stickstoffoxide und Feinstaub in der Atemluft: Grundlagen und Empfehlungen") darauf hin, dass es keine untere Grenze gibt, ab der Stickstoffdioxid oder Feinstaub ungefährlich wäre. Eine exakte Grenzziehung zwischen gefährlich und ungefährlich im Sinne eines Schwellenwertes sei für beide Gefahrstoffe nicht möglich. Dies erschwere die Abwägung zwischen vorsorgendem Gesundheitsschutz und gesellschaftlichen Kosten.

Auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse habe Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Fortschritte bei der Luftreinhaltung erzielt. Dennoch komme es in Deutschland bei Stickstoffoxiden zu Überschreitungen des relativ strengen Grenzwerts, der in der EU seit 2008 gilt. Der weniger strenge Grenzwert für Feinstaub werde jedoch so gut wie flächendeckend eingehalten, so das Papier.

Für eine bundesweite Strategie zur Luftreinhaltung und eine nachhaltige Verkehrswende spricht, dass die Verbrennungsmotoren von Fahrzeugen nicht die einzige Quelle für Feinstaub sind. Zum einen werde er auch durch Abrieb von Reifen, Straßenbelag und Bremsbelägen erzeugt, aber auch durch Verbrennungsprozesse im Zusammenhang mit Energieversorgung und Haushalt, Landwirtschaft und Industrie. Einige dieser Bereiche seien bisher nicht gesetzlich geregelt.

Kleine Änderungen der Aufstellungsorte von Messanlagen, die innerhalb der gesetzlichen Vorgaben liegen, könnten bereits zu Unterschieden in den Ergebnissen der Messungen von Feinstaub- und Stickstoffoxidmengen führen, schreiben die Forscher. Sie empfehlen "Harmonisierungen der Messtechniken und Aufstellungsbedingungen".

Die Leopoldina vertritt seit 2008 als Nationale Akademie Deutschlands die deutsche Wissenschaft und nimmt in dieser Eigenschaft zu "wissenschaftlichen Grundlagen politischer und gesellschaftlicher Fragen unabhängig Stellung". Auf Anfrage der Bundesregierung zu Jahresbeginn wurde eine Arbeitsgruppe zum Thema Luftschadstoffe eingerichtet, unter der Leitung von Martin Lohse, dem Vorstandsvorsitzenden des Berliner Max-Delbrück-Centrums, dem Präsidenten der Leopoldina Jörg Hacker und Sigmar Wittig vom Karlsruher Institut für Technologie, in der Leopoldina für Mathematik, Natur- und Technikwissenschaften zuständig. Die Arbeitsgruppe umfasste Experten aus Medizin, Toxikologie, Biologie, Chemie, Epidemiologie, Technik- und Atmosphärenwissenschaften, Statistik, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, Soziologie, Verkehrsforschung und Materialwissenschaften. (skb)

Mehr zur Stellungnahme der Leopoldina erfahren Sie hier.

Zur Startseite