Feinstaub: EuGH-Gutachterin für strenge Vorgaben bei Schadstoffmessung
Über die richtige Messung von Luftschadstoffen in deutschen Städten ist eine Debatte entbrannt. Ein EuGH-Gutachten bringt nun etwas mehr Klarheit.
Im Streit über Messstationen für Luftschadstoffe plädiert die zuständige Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof für eine strenge Auslegung des EU-Rechts. Schon wenn an einzelnen Messstellen die Grenzwerte für Stickstoffdioxid oder Feinstaub überschritten werden, solle dies als Verstoß gegen EU-Vorgaben zur Luftqualität gelten, erklärte EuGH-Generalanwältin Juliane Kokott am Donnerstag in ihrem Gutachten zu einem Fall aus Belgien. Es müsse also kein Mittelwert aller Messstellen in einem Gebiet gebildet werden (Aktenzeichen C-723/17).
Aus Sicht der deutschen EuGH-Generalanwältin haben Anwohner das Recht, Standorte von Messstationen gerichtlich überprüfen zu lassen. Grundsätzlich lege EU-Recht fest, dass die Messstellen vor allem in Gebieten mit den höchsten Konzentrationen von Schadstoffen stehen sollen. Die Behörden hätten bei der Standortwahl zwar ein Ermessen. Das EU-Recht verlange jedoch eine richterliche Kontrolle. Ziel der Richtlinie sei der Schutz von Leben und Gesundheit der Anwohner.
Einwohner von Brüssel und eine Umweltorganisation hatten die örtlichen Behörden auf Erstellung eines Luftqualitätsplans und Einrichtung der nötigen Messstationen verklagt. Das zuständige Brüsseler Gericht hatte bei den EU-Richtern in Luxemburg Rat zur Auslegung des EU-Rechts ersucht, das Vorgaben für Schadstoffgrenzwerte und für die Messungen macht.
Über die Messstellen wird in Deutschland im Zusammenhang mit möglichen Fahrverboten seit Monaten heftig gestritten. Zuletzt äußerte CSU-Chef Markus Söder Zweifel an der Platzierung der Apparate und der Aussagekraft der Messwerte. Er sagte, es sei „wenig sinnvoll, wenn von einigen Messstationen mittels Hochrechnungen ein Gesamtwert für eine Stadt ermittelt wird“.
Das Bundesumweltministerium vertritt zwar die Auffassung, die deutschen Messstellen entsprächen alle den Regeln. Wegen der hitzigen Debatte über Fahrverbote leitete das Ministerium aber dennoch eine Überprüfung des Messnetzes ein.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fühlt sich vom EuGH-Gutachten bestärkt. „Wir freuen uns über diese deutliche Rückenstärkung, haben aber auch nichts anderes erwartet“, sagte DUH-Chef Jürgen Resch am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Asthmatiker, Menschen mit Schäden der Lunge und vor allem Kinder benötigten saubere Luft und litten unmittelbar unter hohen Stickstoffdioxid-Werten vor Schulen, Kindergärten oder Wohnungen. „Wir müssen Gesundheitsschutz vor allem für solche besonders sensiblen und häufig vorerkrankten Mitmenschen betreiben“, sagte Resch.
Das Gutachten der deutschen Generalanwältin Juliane Kokott ist in dem Gerichtsverfahren noch nicht das letzte Wort. Ein Urteil fällt der Gerichtshof voraussichtlich erst in einigen Wochen oder Monaten. Die Richter folgen ihren Gutachtern oft, aber nicht immer. (dpa)