Rapide Corona-Ausbreitung in Deutschland: Wird das Gesundheitssystem kollabieren? Eher nicht, sagen Experten
Die Corona-Neuinfektionen nehmen stark zu. Manche warnen deshalb vor einer drohenden Überforderung der Kliniken. Die sehen sich aber gut aufgestellt.
Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern ist ernüchternd. Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 steigt seit September steil an. In den Niederlanden hat sich die Zahl der wöchentlichen testpositiven Fälle pro 100.000 Einwohner von 21 Anfang September auf 254 Mitte Oktober mehr als verzehnfacht.
In Belgien ist die Zunahme mit zuletzt 340 Fällen vergleichbar groß, in Frankreich gab es eine Verdreifachung auf 182 Fälle und in Spanien eine Zunahme um fast 50 Prozent auf 151 Fälle.
In Deutschland gab es in der betrachteten Oktoberwoche 32 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Die Quote lag damit auf einem Niveau, das fünf Wochen zuvor für Belgien und die Niederlande gemeldet worden war. Doch auch hier nehmen die Infektionen zu und die Zahl der neuen Fälle pro Woche ist auf den Höchstwert angestiegen, der im April erreicht worden war.
Könnte es im Winter zur befürchteten Überlastung der intensivmedizinischen Versorgung, wenn die Zahlen weiter exponentiell steigen, sich also in regelmäßigen Abständen vervielfachen? Dann ist auch mit einer Zunahme schwerer Fälle mit einem lebensbedrohlichen Verlauf von Covid-19 zu rechnen.
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Stresstest für das Gesundheitssystem
„Es wäre besser, wenn wir den Stresstest für das Gesundheitssystem nicht provozieren, aber wir sind gut vorbereitet“, sagte Clemens Wendtner auf einer Online-Pressekonferenz des Science Media Centers Germany. Die Krankenhäuser hätten Pandemiepläne entwickelt, die aktiviert werden könnten, wenn die Zahl der Intensivpatienten wieder ansteigt, so der Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin der München Klinik Schwabing.
„Die vorhersehbaren Anstiege, die jetzt schon auf dem Weg sind, werden das Gesundheitssystem stärker fordern, aber nicht überfordern“, vermutet auch Reinhard Busse, der Leiter des Fachgebiets Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin. Zwar müsse man sich darum bemühen die Dynamik des Infektionsgeschehens zu brechen, aber dabei gehe es um die gesundheitliche Belastung der Bevölkerung und mögliche Langzeitfolgen und nicht um einen plötzlichen Zusammenbruch des Gesundheitssystems.
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Derzeit befinden sich in Deutschlands Krankenhäusern laut dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) 943 Covid-19-Patienten in intensivmedizinischer Versorgung, 424 davon müssen sogar beatmet werden. Insgesamt stehen bundesweit rund 30.000 Intensivbetten für alle Kranken zur Verfügung.
Neue Patientengruppen
Das heißt bislang liegt die Auslastung bei etwas mehr als drei Prozent - Tendenz steigend. Auf dem bisherigen Höhepunkt der Epidemie Anfang April waren zeitweise zehn Prozent der Intensivbetten mit Covid-19 Patienten belegt. Der Anteil der Covid-19-Patienten an den Intensivpatienten betragt etwas mehr als vier Prozent.
„Wenn wir die Zahlen von Belgien heute auf Deutschland übertragen, wären es etwa 2700 intensivmedizinisch betreute Patienten“, sagt Busse. Es sei mit geringeren Zahlen als im April zu rechnen, da der Anteil der Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, bislang weit kleiner als im Frühjahr ist.
„Sicherlich spielt das Alter der Infizierten hier eine dominierende Rolle“, sagt Uwe Janssens, Präsident der Divi und Chefarzt der Intensivmedizin im St.-Antonius-Hospital in Eschweiler. Im April habe das mittlere Alter bei 52 Jahren gelegen. Anfang August lag es bei 32 Jahren.
Auch in den aktuellen Zahlen drücke sich aus, dass Covid-19 bei jüngeren Patienten häufiger einen leichten Verlauf nehme und sie nicht im Krankenhaus behandelt werden müssen. „Unsere Sorge ist, dass die Infektion zunehmend auf ältere Patientengruppen überspringt, was seit September der Fall ist“, sagt Janssens.
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