Von Epstein-Barr bis Papilloma: Wie häufig sind Viren Auslöser von Krebs?
Bestimmte Viren sind Ursache von Tumoren. Doch wie häufig das passiert, und warum manche Infizierte erkranken, andere nicht, ist nicht so leicht zu beantworten.
Wie oft verursachen Viren Krebs - und unter welchen Umständen?
Diesen Zusammenhang hat ein internationales Forscherteam in einem großen Projekt untersucht. Bei der Analyse von mehr als 2650 Proben, die von 38 Krebsarten stammten, fanden die Wissenschaftler in 13 Prozent Spuren von Viren.
Bei diesen 356 Proben spürten sie Erbgut von insgesamt 23 Virusarten auf, wie die Gruppe um Marc Zapatka und Peter Lichter vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg in der Fachzeitschrift «Nature Genetics» berichtet. Aber nicht alle Viren haben kausal mit der Entstehung von Tumoren zu tun.
Zehn Prozent, oder mehr?
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lassen sich 15,4 Prozent aller Tumore auf Infektionen mit Bakterien, Viren oder Würmern zurückführen. In Deutschland sind es nach Angaben des Krebsinformationsdienstes des DKFZ etwa 4 Prozent. Insgesamt elf Erreger gelten derzeit als krebserregend: Dazu zählt vor allem das Magenbakterium Helicobacter pylori, das weltweit pro Jahr für 770 000 Fälle von Magenkrebs verantwortlich ist. Die vier nächsthäufigen Infektionen, die zu Tumoren führen können, sind demnach viral:
- Humane Papillomviren (HPV) lösen weltweit jährlich 640 000 Fälle vor allem von Gebärmutterhalskrebs aus, aber auch von Tumoren von Hals und Rachenraum.
- Hepatitis B (HBV) verursacht demnach jährlich 420 000 Fälle von Leberkrebs.
- Hepatitis C (HCV) wird mit 170 000 Leberkrebs-Fällen pro Jahr in Verbindung gebracht
- Das zu den Herpesviren zählende Epstein-Barr-Virus (EBV) gilt als Auslöser von 120 000 Tumorerkrankungen pro Jahr, hauptsächlich Lymphome.
Insgesamt geht die WHO davon aus, dass etwa 10 Prozent aller Tumoren weltweit durch Virusinfektionen bedingt sind. Diesen Zusammenhang hat das Team um Zapatka und Lichter nun analysiert.
Mechanismen
Dabei geht es nicht nur darum, krebserregende Viren zu identifizieren, sondern auch jene Mechanismen zu klären, durch die eine Infektion zu einem Tumor führen kann. Generell, so Lichter, scheinen mehr als die von der WHO geschätzten 10 Prozent der Tumore auf Viren zurückzugehen. «Unser Prozentsatz ist etwas höher.»
Die HPV-Variante 16 fand das Team im Erbgut bei 19 von 20 Proben von Gebärmutterhalskrebs und bei 18 von 57 Fällen von Hals/Rachen-Tumoren. DNA von Hepatitis B trat in 62 von insgesamt 330 Fällen von Leberkrebs auf. Spuren vom Epstein-Barr-Virus tauchten in 5,5 Prozent der Krebsproben auf.
Für Papillomviren und Hepatitis B zeigten die Analysen, dass schon der Einbau des Viruserbguts in die menschliche DNA zu Mutationen führen kann. Dies scheint der häufigste Mechanismus für eine virenbedingte Tumorentstehung zu sein. Mitunter kann aber auch die zelleigene Virusabwehr, die sich gegen die Erreger richtet, folgenschwere Mutationen verursachen.
Krebsförderndes Virus bedeutet nicht unbedingt Krebs
Die Analyse soll auch die Frage klären helfen, wann eine Infektion Krebs verursacht und wann nicht. So ist das Epstein-Barr-Virus zwar bei mehr als 90 Prozent der Europäer verbreitet - aber nur wenige davon entwickeln eine Tumorerkrankung. Die Zusammenhänge sollen nun eingehender analysiert werden.
«Wir konnten bisher die häufig geäußerte Vermutung nicht bestätigen, dass weitere, bislang unbekannte Viren mit Krebs assoziiert sind», sagt Studienleiter Lichter. «In vielen Fällen sehen wir jetzt allerdings klarer, auf welche Weise die Erreger Zellen bösartig entarten lassen.»
«Die Frage, welche Viren mit Krebs in Verbindung stehen, ist für die Medizin hochrelevant», wird Erstautor Zapatka in einer DKFZ-Mitteilung zitiert. Bei virusbedingten Krebsarten sei eine echte Prävention möglich. Sobald ein krebserregendes Virus identifiziert sei, bestehe die Chance, mit einer Impfung der Infektion vorzubeugen und so die Entstehung von Krebs zu verhindern.
Impfstoffe
Beispiel dafür ist die HPV-Impfung für Mädchen und junge Frauen, die inzwischen auch für Jungen und junge Männer empfohlen wird. Am DKFZ wird derzeit an einem Impfstoff gegen das Epstein-Barr-Virus geforscht.
Eine Infektion mit einem dieser Viren führt jedoch nicht zwangsläufig zu Krebs: «Nur ein Bruchteil der mit tumorfördernden Viren infizierten Personen entwickelt tatsächlich einen entsprechenden Tumor und das meistens erst nach Jahrzehnten», betont der Krebsinformationsdienst. «Die Viren spielen zwar bei der Entstehung mancher Krebsarten eine mehr oder weniger wichtige Rolle, doch die Virusinfektion ist nie der alleinige Auslöser für eine Krebserkrankung.»
Zudem betont der Krebsinformationsdienst explizit: «Krebs selbst ist nicht ansteckend, auch nicht die Tumorformen, die von Viren ausgelöst werden können.» Die aktuelle Studie ist Teil des «Pan-Cancer Analysis of Whole Genoms» (PCAWG). In diesem Konsortium wollen rund 1300 Forscher klären, welche Erbgutveränderungen bei der Krebsentstehung eine Rolle spielen. (Taylan Gökalp und Walter Willems, dpa)