Arbeit an pilzresistenter Sorte: Wie Forscher die Banane retten wollen
Ein Pilz bedroht die Bananensorte Cavendish. Doch Wissenschaftler wollen mit Genome-Editing eine Resistenz schaffen.
Befürchtet wurde es schon seit Jahren, jetzt ist es passiert: Die Variante „Tropical Race 4“ (TR4) des Schlauchpilzes Fusarium ist erstmals auf zwei Bananenplantagen in Kolumbien nachgewiesen worden.
Aus Südostasien kommend hatte sich der Schädling über die arabische Halbinsel und einige afrikanische Ländern verbreitet, nun hat er den Sprung nach Lateinamerika geschafft – von wo die ganze Welt mit den gelben und krummen Früchten versorgt wird. Kolumbien hat den nationalen Notstand ausgerufen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern.
Denn seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts ist bekannt, was die von dem Pilz ausgelöste „Panama-Krankheit“ anrichten kann. Fast der gesamte globale Bestand der damals wichtigsten Bananensorte „Gros Michel“ wurde von der Fusarium-Variante TR1 vernichtet. Die letzte Sorte, die dem Pilz widerstand, ist die heute gängige „Cavendish“ – doch TR4 hat sie nichts entgegenzusetzen. Die Pflanzen welken, vertrocknen und tragen irgendwann keine Früchte mehr.
Alle Versuche, neue, widerstandsfähige Sorten zu züchten, schlugen fehl. Denn die gängigen Bananensorten können sich wegen der fehlenden Samen in der Frucht nicht mehr geschlechtlich fortpflanzen, sondern müssen durch Ableger (Klone) vermehrt werden – entweder durch Wurzelsprossen oder Nachzuchten aus dem Labor.
Zwar gibt es eine Wildbananenart, Musaacuminata ssp. Malaccensis, die resistent gegen TR4 ist. Aber sie kann die Cavendish-Banane nicht ersetzen, für den Export oder den Plantagenanbau eignet sie sich nicht. Und eine klassische, züchterische Kreuzung mit der samenlosen Cavendish ist praktisch unmöglich.
Genschere soll Resistenz ermöglichen
Doch es gibt Hoffnung. Für die Banane, aber auch für viele andere, züchterisch bislang eher vernachlässigte Nutzpflanzen wie Cassava (Maniok), Yams, Süßkartoffel, Kuhbohne, Sorghum und viele andere, die mitunter nur regional beliebt und dennoch für die Ernährung von Abermillionen Menschen bedeutsamer sind als die „großen“ Sorten Reis, Mais oder Weizen.
Grund für die Aufbruchstimmung unter Züchtern solcher Sorten ist die Gen-Schere CRISPR/Cas (kurz Crispr), mit der „Genome Editing“, ein Umschreiben des Erbguts möglich ist. Mit der präzisen, vergleichsweise einfach anzuwendenden und preisgünstigen Gen-Schere können auch Entwicklungsländer ihre bislang vernachlässigten Sorten gegen Krankheiten wappnen, dürretoleranter machen oder auf höhere Erträge pro Hektar getrimmt werden.
Resistenz-Gene direkt in das Erbgut von Banane, Yams und Cassava schreiben
„Pflanzen wie Cassava oder Banane mit Crispr zu bearbeiten, ist deshalb so interessant, weil man sie auf klassischem Wege kaum züchterisch bearbeiten kann“, sagt Matin Qaim, Agrarökonom am Lehrstuhl für Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung der Universität Göttingen.
Die Bananenzucht sei – trotz intensiver Bemühungen – über die letzten hundert Jahre ziemlich erfolglos gewesen. „Die Hoffnung ist, mit Crispr jetzt auf die Bedrohung durch den Pilz reagieren und die Banane resistent machen zu können.“
Denn mit Hilfe der Gen-Schere kann eine resistent machende Erbgutsequenz, wie sie die Wildbanane im Erbgut hat, im Genom der Cavendish-Banane direkt nachgestellt werden: als würde man ein paar Worte aus der alten Luther-Bibel der Großmutter am Computer in den entsprechenden Bibelvers am Computer eintragen, weil die alte Übersetzung besser gefällt.
Dadurch entfällt die schwierige, fast unmögliche Kreuzung zwischen Wild- und Cavendish-Banane, sie behält ihre für Anbau und Export wichtigen Eigenschaften und gewinnt die Resistenz gegen TR4 hinzu.
Resistente Banane gibt es schon im Labor
Tatsächlich haben Forscher bereits eine Cavendish-Banane mit dem Resistenzgen (RGA2) aus der Wildbanane ausgestattet und dann auf einem TR4-verseuchten Feld getestet. Während fast alle unveränderten Kontrollstauden nach drei Jahren eingegangen waren, zeigten die veränderten keinerlei Krankheitssymptome, schrieb das Team um Robert Harding von der Queensland University in Australien Ende 2017 im Fachblatt „Nature Communications“.
Dabei verwendeten die Forscher zwar klassisch gentechnische Methoden, um das Gen aus der Wildbanane in die Cavendish-Sorte zu übertragen. Doch mit der Crispr-Methode wollen sie nun das Erbgut der Cavendish-Banane direkt – ohne Gentransfer – so umschreiben, dass die Pflanze resistent gegen TR4 wird. Denn die Cavendish-Sorte hat selbst ein RGA2-Gen, das jedoch zehnmal weniger aktiv ist. Das könne durch Genome Editing verstärkt werden.
Es ist längst nicht nur die Banane, die durch Schädlinge gefährdet ist und dringend züchterisch bearbeitet werden müsste. „Wenn es um Nahrungsmittelsicherheit ging, haben wir bislang immer auf die großen, wichtigen Getreidekulturarten geschaut, Weizen, Reis und Mais“, sagt Qaim. „Die neuen Züchtungsverfahren hingegen erlauben und vereinfachen eine vielfältigere Zucht.“
Crispr sei eine so niedrigschwellige Technik, dass es auch für Forscher in Entwicklungsländern – eine gute Ausbildung vorausgesetzt – ohne Weiteres möglich sei, die in ihren Ländern wichtigen Sorten mit Crispr zu bearbeiten.
Yams haltbarer machen
Qaim meint Forscher wie Marian Quain. Die Molekularbiologin leitet das Biotechnologie-Forschungsprogramm an Ghanas Crops Research Institute (CSI), das eine holprige halbe Stunde Autofahrt von Kumasi oder gut sechs Stunden von der Hauptstadt Accra entfernt ist.
Auf dem weitläufigen Areal aus Waldstücken und Feldern werden Bewässerungssysteme getestet, Düngeprozeduren optimiert oder neu gezüchtete Sorten versuchsweise angebaut. Quains erstes Crispr-Projekt soll Yams gelten. Schon jetzt erforscht das Team der Botanikerin und Biotechnologin die stärkehaltige knollenbildende Pflanze mit diversen, herkömmlichen Methoden.
Yams ist (nach Kakao) das wichtigste Exportgut Ghanas, das mit etwa acht Millionen Tonnen jährlich der zweitgrößte Produzent weltweit ist, nach Nigeria. Allerdings sind Yamsknollen durchaus anfällig. „Ganze Container-Ladungen von Yams werden immer wieder abgelehnt, weil sie bei der Ankunft verrottet sind“, sagt Quain. „Es wäre sehr wichtig für Ghana, die Haltbarkeit von Yams verlängern zu können.“
Bei der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung hat Quain bereits ein Projekt eingereicht. Mit Hilfe der Crispr-Genschere will sie die Anfälligkeit für Krankheitserreger reduzieren und so die Haltbarkeit verbessern. „Wenn Yams nicht korrekt behandelt wird, dann wird es von Bakterien und Pilzen infiziert und der gesamte Vorrat geht verloren“, sagt Quain.
Eine andere Option wäre, den Gehalt des Pflanzenhormons Ethylen, das den Reifeprozess vorantreibt, mit Hilfe von Crispr-gesteuerten Eingriffen zu reduzieren. Bislang kam Quains Antrag allerdings nicht durch.
Das Interesse, mit Crispr bislang vernachlässigte Nutzpflanzen zu bearbeiten, steigt weltweit, weiß Mat Müller. Der Direktor der Abteilung „Business Development-Open Innovation, Technology Acquisition & Licensing“ von Corteva Agriscience kann es beurteilen, weil über seinen Tisch die Lizenzvereinbarungen für die Technik laufen: Corteva, die ehemalige Landwirtschaftsdivision von DowDuPont, besitzt wichtige Crispr-Patente.
„Wir sehen, dass die Technologie in Pflanzen benutzt wird, bei denen gen- technische Veränderungen zuvor keine Option waren, weil sie zu teuer waren, etwa Banane, Kaffee, Trauben, Toma- ten.“ Müller betont, dass für die Züchter keine Kosten für Lizenzen anfallen, wenn Non-Profit-Organisationen oder For- schungsinstitute involviert sind, oder bei Vorhaben, die am Ende Kleinbauern helfen sollen. Nur direkte Konkurrenten zahlen die vollen Gebühren.
Maniok gegen die Braunstreifen-Krankheit wappnen
Ein Projekt, an dem Corteva selbst mitarbeitet, versucht, Cassava widerstandsfähiger gegen die berüchtigte „Braunstreifen“-Krankheit zu machen. Die Viruserkrankung kommt bislang nur in Ostafrika vor, sollte sie sich jedoch auch nach Westafrika ausbreiten, wären mit Ghana und Nigeria die größten Produzenten von Cassava betroffen – und ein Hauptnahrungsmittel von etwa 600 Millionen Menschen weltweit bedroht.
Am Donald Danforth Plant Science Center in St. Louis, Missouri, änderte die Arbeitsgruppe von Nigel Taylor mit Hilfe von Crispr zwei Gene im Erbgut der Pflanze, sodass sich die Viren nicht mehr ausreichend vermehren können. „Die Viruslast ist komplett reduziert“, sagt Taylor, Direktor am Institut für Internationale Nutzpflanzenverbesserung des Danforth Centers.
In einem anderen Projekt wird die Crispr-Gen-Schere benutzt, um Ghanas wichtigste Nutzpflanze resistent gegen eine Pilzerkrankung zu machen: Kakao. Ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts hängt von diesem Baum ab. Das Land ist der weltweit zweitgrößte Kakao-Lieferant. Allerdings gehen in manchen Jahren bis zu 30 Prozent der Schoten verloren, da die gängigen Sorten des Kakao-Baums Theobroma cacao anfällig für eine Reihe von Krankheitserregern sind.
So hatten etwa in der 2014/15er-Saison ungewöhnlich heftige Regenfälle die Blüte der empfindlichen Pflanzen gestört und zu Infektionen, vor allem mit dem Pilz Phytophthora tropicalis geführt. Statt einer Million Tonnen konnten am Ende nur 700 000 geerntet werden. Das trifft vor allem die etwa eine Million Kleinbauern des Landes, die mit kleinen Plantagen von ein bis fünf Hektar ohnehin kaum genug zum Überleben ernten.
An der Penn State University in den USA hat 2017 ein Forscherteam um Mark Guiltinan Crispr benutzt, um das Immunsystem des Kakaos zu stärken. Dazu schleusten sie die Gen-Schere zunächst versuchsweise in Blattgewebe des Kakaos ein, um ein Gen zu zerschneiden, das die Abwehrreaktionen der Pflanze normalerweise hemmt.
Das sorgte dafür, dass die Immunabwehr dieser Zellen, also die Reaktion gegen Viren- und Bakterienbefall, heftiger ausfiel und die Zellen in Tests widerstandsfähiger gegen Phytophthora tropicalis waren. Derweil sind in Guiltinans Labor aus den Zellen komplette Kakao-Pflanzen herangewachsen, an denen nun überprüft wird, ob auch der ausgewachsene, Crispr-optimierte Baum besser gegen diesen und andere Erreger gewappnet ist.
"Europa behindert, was wir mit der Technik tun könnten"
Ob und wann solche Entwicklungen tatsächlich auf den Markt kommen und ob sie von Ländern wie Ghana dann auch gepflanzt werden, ist ungewiss. Denn es ist abhängig von den Regeln für genomeditierte Pflanzen, die sich die Staaten erst noch geben müssen. „Alle agieren unter der Annahme, dass das regulatorische Klima es erlauben wird, dass diese Produkte auf den Markt kommen“, sagt Mat Müller.
In den USA sind einige genomeditierte Pflanzen bereits ohne Gentechnik-Regulierung für den Markt zugelassen worden – sie gelten nicht als gentechnisch verändert, weil über die Genomeditierung nur solche Erbgutveränderungen durchgeführt wurden, die in der jeweiligen Pflanze auch natürlicherweise vorkommen könnten.
Sollten Länder wie Ghana jedoch Gesetze verabschieden wie sie in der Europäischen Union gelten, wo Crispr-editierte Pflanzen seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs EuGH im Juli 2018 genauso reguliert werden wie klassisch gentechnisch veränderte und der Zulassungsprozess daher mindestens sieben Jahre dauert und viel Geld kostet, dann werde die Technologie die Erwartungen nicht erfüllen können, sagt Müller: „Europas Entscheidung behindert, was wir mit der Technik tun könnten.“
Noch ist Müller optimistisch, dass es zu einer Neuregelung der europäischen Gentechnikgesetze kommt. Die EuGH-Erklärung entziehe sich „dem gesunden Menschenverstand“. Wie kann es sein, dass das Gesetz zufällige Mutagenese erlaubt, deren Veränderungen im Erbgut zufällig und nicht nachzuvollziehen sind, aber präzise, nachweisbare Modifikationen nicht, fragt Müller.
„Um aus dieser Zwickmühle zu kommen, muss das Gesetz geändert werden.“ Eine Regulierung auf Basis des individuellen Risikos eines konkreten Produkts sei nötig.
Noch ist offen, wie Entwicklungsländer Genome Editing regulieren werden
„Die letzten 30 Jahre haben gezeigt, dass Risiken, die durch neue Sorten entstehen, unmittelbar mit der Eigenschaft verknüpft sind, aber nichts damit zu tun haben, ob sie natürlich, durch klassische oder gentechnisch gestützte Züchtung zustande gekommen sind“, sagt Matin Qaim.
Er verweist auf eine Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die eine wissenschaftsbasierte und merkmalorientierte Gentechnikregulierung in der Pflanzenzüchtung fordert. „Denn es sind die Merkmale, die Risiken mit sich bringen können: Bauen Sie ein Gift ein, dann ist die Pflanze giftig – egal ob Sie es per klassischer Züchtung oder Gentechnik oder Genome Editing machen.“
Wie Ghana oder andere Länder, in denen die Landwirtschaft und Exporte in die EU eine große wirtschaftliche Rolle spielen, genomeditierte Pflanzen regulieren werden, ist offen. Klassisch gentechnisch gezüchtete Pflanzen (GVO), bei denen also anders als bei Crispr Genabschnitte von anderswo ins Pflanzenerbgut versetzt und eben nicht editiert werden, durchlaufen in Ghana ein ähnlich strenges Zulassungsverfahren wie in der EU.
[Die Recherche in Ghana ist in Teilen von der Impfallianz GAVI mitfinanziert.]
Auch andere Länder Afrikas folgten in ihrer Gesetzgebung den strengen europäischen Regeln, sodass sie derzeit nur in Südafrika und dem Sudan GVO regulär angebaut werden. Im Frühjahr hat Nigeria erstmals einen GVO zugelassen, der für den Nahrungsmittelmarkt vorgesehen ist: eine dank eines Gens aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis schädlingsresistente Kuhbohne.
Zuvor hatte Burkina Faso bereits den Anbau einer GVO-Baumwolle genehmigt. Beide Sorten sind infolge des westafrikanischen Saatgutabkommens künftig auch in Ghana verkehrsfähig. Wie das Land allerdings genomeditierte Pflanzen regulieren werde, sei noch völlig offen, sagt Erik Okoree, Leiter der National Biosafety Authority: Ghanas modernes Biotech-System sei bereit, sich mit den neuen Technologien auseinanderzusetzen. „Sobald sie kommen.“