Aufbau der Berlin University Alliance: Wie die Vier unter ein Dach passen sollen
Nach dem Exzellenzerfolg wird es kompliziert: Die Berliner Universitäten müssen entscheiden, wie sie ihren Verbund eigentlich steuern wollen.
„Los gehts!“: So meldete sich die Berlin University Alliance, der Verbund der drei großen Berliner Universitäten und der Charité, unlängst auf Twitter. Gemeint war mit dem aufmunternden Aufruf, dass die Allianz aus FU, HU, TU und Charité jetzt – einen Monat nach dem großen Sieg in der Exzellenzinitiative – erstmals Fördermittel für Forschende ausschreibt.
Der Aufruf könnte sich auch an die Universitäten selber richten. Denn nicht nur die Forschungsvorhaben, die der Verbund beackern will, müssen anlaufen. Klären müssen sie auch, wie das Zusammenspiel der vier Einrichtungen im Alltagsgeschäft organisiert wird. Dass sich so große Universitäten zusammentun, ist ein Novum – und ein heikles Unterfangen, nicht nur wegen der Eigenarten der beteiligten Einrichtungen.
Schon die Exzellenz-Gutachten waren neugierig bis skeptisch
Die Gutachter sollen bei der Begehung des Berliner Exzellenzprojekts sehr genau nachgefragt haben, und beim Bonner Finale am 19. Juli war es die große Frage an den Regierenden Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD): Wie genau wollen die Berliner eigentlich ihren Verbund steuern? Inhaltlich soll überzeugt haben, in welcher Breite und Tiefe der Verbund die „Great Challenges“ angehen will, also große drängende Forschungsthemen. Doch ausgerechnet die Struktur, die sich die Alliance geben will, um ihre Vorhaben gemeinsam zu bearbeiten, soll Verständnisfragen aufgeworfen haben. Gleich nach der Entscheidung mahnte der Regierende: „Wir sind jetzt in der Verantwortung, eine überzeugende Idee auch überzeugend umzusetzen.“
Dass die drei Unis ihre Eigenständigkeit behalten sollen, haben alle Unileitungen klargestellt: Die BUA sei als Dach nicht mit der Gründung einer „University of Berlin“ gleichzusetzen. „Es wird keine Fusion geben“, betont auch Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach. „Wie der Verbund umgesetzt und weiter mit Leben gefüllt wird, hängt von den Unileitungen und den Unigremien ab.“ Von Vorbildern aus dem Ausland könne man nur bedingt lernen. Die Unis in Helsinki etwa seien unlängst viel enger zusammengebunden worden als es für Berlin wünschenswert wäre. Die Hochschulen unter dem Dach der University of California dagegen arbeiteten lockerer zusammen, als es jetzt in Berlin geplant sei.
Die Umsetzungsphase ist angelaufen - "in Ruhe"
Grundzüge für die Governance sind im Antrag der BUA festgelegt. „Wir haben uns sofort nach dem Entscheid in die Umsetzungsphase begeben“, sagt Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität und Sprecher der BUA. Die wesentlichen Gremien seien konzipiert, der Antrag enthalte allerdings noch keine Details. Es gehe als Nächstes also um Geschäftsordnungen und Statuten. „Die arbeiten wir jetzt in Ruhe aus. Bei dem Prozess werden wir flexibel vorgehen, um die besten Lösungen zu definieren.“
Schon die Übersicht über die geplanten Gremien macht klar: Das dürfte eine komplexe Sache werden.
Leitung: Klar ist, dass die Chefs von FU, HU, TU und Charité in der BUA gemeinsam den Hut aufhaben sollen. Sie bilden zusammen den bereits bestehenden BUA-Vorstand, der im Exzellenz-Verbund die Entscheidungen fällt. Grundsatzbeschlüsse müssen sie einstimmig fassen. Das zweijährlich rotierende Sprecheramt ist repräsentativ und vertritt die Allianz nach außen, Ziegler nimmt es bis Herbst 2020 wahr. Die BUA wird also keine zusätzliche Leitungsfigur bekommen, die in Konkurrenz zu den Uniführungen treten könnte. „Wir wollen keinen Überpräsidenten. Aber die Partnerinnen müssen über professionelle gemeinsame Strukturen die BUA-Ziele effizient umsetzen“, sagt Staatssekretär Krach. Betreffen Vorstandsentscheidungen unmittelbar die Unis, müssen zudem deren Akademische Senate zustimmen.
Gremien: Wie komplex das BUA-Gebilde ist, zeigt sich an der Vielzahl der Gremien, die die Vorstandsarbeit begleiten sollen. So sollen ein wissenschaftlicher und ein internationaler Beirat eingerichtet werden. Daneben steuern acht „Steering Committes“ aus je vier Forscherinnen und Forschern die großen Vorhaben, die sich die BUA zum Ziel gesetzt hat. Um das Management des Tagesgeschäfts wird sich eine Geschäftsstelle kümmern.
Kommt doch noch die "University of Berlin"?
Eine neue Plattform: Eigentlicher Kern des Verbundes könnte eine „Collaboration Platform“ werden, die als weitere Einheit geschaffen werden soll – kein Gremium, sondern eine juristische Struktur, wie BUA-Sprecher Ziegler sagt. Die Plattform soll die Wissenschaftler über institutionelle Grenzen hinweg unterstützen: Forschende, die in BUA-Projekten arbeiten, sollen „für einen festgelegten Zeitraum eine Zweitmitgliedschaft in der Collaboration Platform“ erwerben. Erst dies ermögliche die Nutzung von Infrastrukturen und Dienstleistungen an allen Einrichtungen des Verbunds. Diese bereitzustellen, sei ebenfalls Aufgabe der Plattform. Sie soll als Körperschaft öffentlichen Rechts gegründet werden. Dafür ist ein Landesgesetz notwendig, das laut Staatssekretär Krach 2020 stehen könnte.
Könnte die Plattform durch die Hintertür doch die Basis für eine University of Berlin werden? „Die Collaboration Platform soll keine übergeordnete Struktur der Berlin University Alliance werden, sondern, als gemeinsame Tochter der Universitäten, eine Ebene bilden, auf der die Zusammenarbeit im Verbund stattfindet“, entgegnet Ziegler. Eine langjährige Diskussion wie beim Berlin Institute of Health, das zuerst als eine „Mutter“ von MDC und Charité konzipiert war, drohe nicht. „Aus der mühseligen Umstrukturierung am BIH haben wir gelernt.“
Das Gespenst der Super-Uni
Warum aber soll die Plattform als Körperschaft des öffentlichen Rechts gegründet werden? Ausschlaggebend sei die Schaffung einer soliden Basis zur Erleichterung der intensivierten Zusammenarbeit. Dabei gebe es auch steuerrechtliche Fragen zu beachten, sagt Ziegler. Wenn zum Beispiel die Universitäten gemeinsam Großgeräte für die Forschung anschaffen, bringe eine gemeinsame Rechtsform durchaus Vorteile.
Eine Tochterinstitution der Berliner Universitäten, in der Wissenschaftler Mitglied sind und die für die wichtigen, großen Forschungsvorhaben zuständig ist – das könnte bei den Uniangehörigen Erinnerungen wecken. Einen solchen Vorschlag hatte der damalige Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner 2007 gemacht. Die damaligen Pläne zur „Super-Universität“ wurden von den Unis heftig bekämpft, fürchteten sie doch, ihnen würden die Filetstücke entrissen. Für Ziegler ist das nicht vergleichbar. Die Forschenden würden ja jetzt nicht bei der neuen Plattform angestellt: „Diese bleiben bei ihren Institutionen und schärfen dort das Profil.“ Es werde in Projekten zusammengearbeitet, Ressourcen geteilt.
Weitere Unterschiede sind zu erkennen. Die „Super-Uni“ sollte einen eigenen Chef bekommen, ein eigenes Promotionsrecht, einen eigenen Campus, selber Studierende und Doktoranden ausbilden. All das ist für die BUA und ihre Collaboration Platform im Antrag nicht geplant.
Beim Geld mischt auch die Einstein-Stiftung mit
Ein Beispiel, wo der Verbund schon im Vorfeld ein Zusammengehen angekündigt hat, ist das geplante Zentrum für Klimaforschung. „Folgerichtig“ nennt das Staatssekretär Krach: Wenn man die großen gesellschaftlichen Fragen der Zeit gemeinsam erforschen wolle, müsse man die Kompetenzen bündeln, bei solchen Fragen machten getrennte Zentren keinen Sinn mehr. Krach nennt weitere Beispiele, wo das Land Berlin eine enge Zusammenarbeit erwartet. Etwa eine gemeinsame Berufungsstrategie: Die Unis sollten sich bei zentralen Themen also absprechen, in welchen Bereichen eine Berufung erfolgt, mit welchem Profil und für welche Hochschule. Bei Dual Career Couples sei eine starke Zusammenarbeit wünschenswert, ebenso bei zentralen internationalen Partnerschaften, wie es schon mit Oxford geschehen ist.
Bleiben die Finanzen der BUA. Hier könnte es ebenfalls kompliziert werden. Das BUA-Budget wird über die FU abgewickelt, aber auch die Einstein-Stiftung mischt beim Geld mit. Sie verwaltet und vergibt den jährlichen Sechs-Millionen-Euro-Zuschuss, den Berlin dem Verbund zusätzlich gewährt, etwa für Spitzenberufungen.
Die 2009 gegründete Stiftung sollte in erster Linie als Inkubator für die Projekte fungieren, mit denen sich die Hauptstadtunis seitdem im Exzellenzwettbewerb beworben haben. Und als Geldquelle für Cluster, die aus der Bundesförderung herausfallen oder – wie die Digitalisierungsforschung – ganz oben auf der Prioritätenliste des Landes stehen. Finanziert wird die Einstein-Stiftung hauptsächlich aus dem Berliner Haushalt. Wird die Stiftung jetzt noch gebraucht, da FU, HU, TU und die Charité gemeinsam den Exzellenzstatus erreicht haben? Verkompliziert es nicht zusätzlich die Arbeit des Verbundes, wenn die Stiftung mitmischt?
Noch viel Arbeit auf der Exzellenzbaustelle
Diese Grundsatzfragen wollen die Unis derzeit offenbar nicht aufwerfen. Die Einstein-Stiftung sei „über zehn Jahre ein Erfolgsmodell gewesen“, sagt Günter Ziegler. Das Renommee der Einstein Center und der Einstein-Professuren habe aufgrund der streng wissenschaftsgeleiteten Auswahl maßgeblich zum Berliner Erfolg in der Exzellenzstrategie beigetragen. Gleichwohl wünschen sich die Unis nun mehr Einfluss in der Stiftung. Durch die Zusammenarbeit der Universitäten im Verbund, „muss sich künftig auch ihr gewachsenes Gewicht als Berlin University Alliance mit einer angemessenen Beteiligung in der Einstein-Stiftung abbilden“, so Ziegler. „Darüber, wie das künftig ausgestaltet werden soll, wird derzeit zwischen der Stiftung, den Unis und der Senatskanzlei gesprochen.“
Alle Beteiligen haben also noch viel Arbeit auf der Berliner Exzellenzbaustelle vor sich. Die Unis stehen umso mehr unter Druck, als jährlich Expertinnen und Experten vom Wissenschaftsrat vorbeikommen werden, um die Fortschritte der BUA zu prüfen. Eine Fortsetzung der Förderung in sieben Jahren schließlich wird auch davon abhängen, wie gut der Verbund funktioniert.