Müller besucht Berlins Forschung: Jeden Tag ein bisschen exzellenter
Vor der Exzellenz-Entscheidung: Michael Müller besucht die Flagschiffe der Berliner Forschung - und verkündet täglich neue Vorhaben für die Wissenschaft.
Die Aussicht für den Regierenden am Dienstag ist schon mal exzellent. Michael Müller (SPD) steht auf dem Wetterturm des Instituts für Meteorologie der FU auf dem Fichtenberg in Steglitz. Trotz Wolken ein herrlicher Panoramablick über Berlin, man kann bis zum Roten Rathaus schauen. Der Institutsdirektor erklärt, bald werde die Wetterantenne mit Satellitenschüssel durch ein neues Radargerät ersetzt. Das ermögliche noch viel genauere Vorhersagen. „Damit können Sie vor hier aus das ganze Stadtgebiet abdecken?“, fragt Müller. Ja, klar, lautet die Antwort. „Nicht schlecht“, lobt Müller.
Die ganze Stadt im Blick: So hat es Müller gerne, umso mehr in der Wissenschaft, für die er als Senator ja auch zuständig ist. Müller ist an diesem Vormittag zu einer kleinen Wissenschaftstour aufgebrochen, kurz vor der Entscheidung in der Exzellenzstrategie am Freitag. Da wollen die drei großen Berliner Universitäten und die Charité bekanntermaßen im Verbund gemeinsam den Titel erringen. „Hoffnungsfroh gespannt“ sei er, was die Berliner Chancen angeht, wird Müller zum Abschluss der Tour sagen.
Die Stationen sind natürlich sorgsam ausgewählt: Sie sollen zeigen, wo Berlins Forschung exzellent und gesellschaftlich relevant ist. Die FU-Meteorologen dürften den meisten Laien bekannt sein, weil sie Patenschaften für die Hochs und Tiefs vergeben, die in Europa das Wetter bestimmen. Geforscht wird hier aber auch zu im wahrsten Sinne des Wortes heißen Fragen der Zeit.
Der Wandel des Stadtklimas ist so ein Beispiel. Institutsdirektor Uwe Ulbrich wirft während seines einleitenden Vortrags ein Chart an die Tafel. Es zeigt die Fieberkurve der Stadt: 2018 war es an den meisten Tagen deutlich wärmer als im Durchschnitt der lang zurückreichenden Messungen. „Eine Hitzewelle hatten wir auch im Dezember“, sagt Ulbrich. „2019 geht es genauso weiter.“
Müller sitzt gemeinsam mit FU-Präsident Günter Ziegler in der ersten Reihe des Hörsaals, beide nicken während des Vortrags eifrig. Müller hakt ab und an interessiert nach – etwa, wie sich die Meteorologen mit Kollegen im Ausland vernetzen, um ihre Befunde international zu erhärten. Für Ulbrich eine Gelegenheit zu erwähnen, dass ein Kollege am Bericht des Weltklimarats mitgeschrieben hat: „Dafür gab’s den Friedensnobelpreis, der hängt hier im Büro.“ Beim Gang durch das Institut konnte Müller indes wahrnehmen, dass die Exzellenz etwas Farbe gebrauchen könnte: Das 1991 eröffnete Gebäude wirkt im Inneren renovierungsbedürftig.
Ein Feuerwerk der Vorhaben
Zweite Station: Das gemeinsame Mathematik-Cluster der Universitäten stellt sich an der TU vor. Der Forschungsverbund wird in der Exzellenzinitiative bereits mit Millionen gefördert, er ist ein bewährtes Flaggschiff der Wissenschaftsstadt Berlin. Die Mathematiker haben sich schon vor 20 Jahren berlinweit zusammengetan, lange bevor die Unis auch nur an den Verbund gedacht haben. Allein 200 Doktoranden arbeiten hier, man spiele international in der Spitze mit, sagt Co-Sprecher Christof Schütte. „Wir sind in der Lage, mit Stanford und Berkeley um Doktoranden zu konkurrieren.“ Und: „Wir wollen etwas in der Welt verstehen – und nicht nur in unserer eigenen Disziplin.“
[Die Exzellenzentscheidung naht - wie sind die Chancen des Berliner Verbundes? Lesen Sie hier unsere Analyse.]
Die Forscherinnen und Forscher brennen ein regelrechtes Feuerwerk ab, was sie mithilfe komplexer Modellierungen alles angehen wollen. Da sind Schmerzmittel, die mit mathematischen Verfahren am Rechner entwickelt werden; insgesamt wollen sie Prävention und Frühdiagnostik in der Medizin verbessern. Verkehrsprobleme gilt es zu lösen, das Mobilitätsverhalten aller Haushalte in Deutschland zu verstehen. Was sind die entscheidenden Hebel, die das Weltklima kippen lassen könnten? An einer Stelle erwähnt ein Forscher, dass man mit dem Handy bereits sein eigenes Genom analysieren könnte. Müller schüttelt fast ungläubig den Kopf.
Ein kleines Feuerwerk zündet Müller in dieser Woche auch selbst: An jedem Tag vor der großen Exzellenzentscheidung wird ein Vorhaben bekannt gegeben, das den Verbund der Berliner Unis weiter stärken soll. Am Sonntag sind es sechs Millionen Euro, die das Land dafür zusätzlich zur Verfügung stellt. Am Montag ist es ein neues gemeinsames Zentrum zum Klimawandel – auch als Reaktion auf den gesellschaftlichen Handlungsdruck, der von den Schülerprotesten der „Fridays for Future“ ausgeht. Die drei großen Unis und die Charité wollen laufende Projekte aus unterschiedlichen Disziplinen bündeln und mit Klimaaktivisten auch von „Scientists for Future“ zusammenarbeiten.
45 Millionen für die Einstein-Stiftung
Am Dienstag verkündet Müller einen weiteren Millionensegen für die Berliner Wissenschaft. Die private Damp-Stiftung gibt der Einstein-Stiftung bis 2030 weitere dreißig Millionen Euro, der Senat packt noch einmal 15 Millionen Euro drauf. Davon sollen internationale Spitzenberufungen in Berlin finanziert werden. Das sei ein weiterer „großer Schritt für eine starke Wissenschaft in Berlin“, sagt Müller.
Auch unabhängig vom Ausgang der Exzellenzinitiative sei ihm wichtig, die Wissenschaft in der Stadt bestmöglich aufzustellen. Er sei überzeugt, dass der Verbund der Berliner Universitäten richtig ist: „Das ist der einzige Weg, um die großen Probleme wirklich angehen zu können.“