Archäologie in Jordanien: Wehrhafte Gärtner in der Wüste
Eine Stadtmauer um eine Ansammlung kleiner Rundbauten, Gartenterrassen und die erste Staumauer: Deutsche Archäologen haben eine der ältesten befestigten Siedlungen in Vorderasien entdeckt.
Dicht beieinanderliegende große Steinbrocken, soweit das Auge reicht: Eine unwirtliche Gegend ist die Badia, die Basaltwüste im Nordosten Jordaniens, nicht weit von der irakischen und der syrischen Grenze. Kaum vorstellbar, dass Archäologen hier etwas finden können. Und doch ist den Wissenschaftlern des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) unter der Leitung von Bernd Müller-Neuhof eine kleine Sensation gelungen.
Sie entdeckten auf mehreren teilweise steilen Vulkanen befestigte Siedlungen aus dem 4. Jahrtausend vor Christus. Das ist die Zeit, in der sich Uruk im heutigen Irak zur ersten Megametropole der Menschheit entwickelte. Damit gehört die neue Fundstätte zu den ältesten befestigten Siedlungen in ganz Vorderasien.
Die Basaltwüste lebt: Immer wieder Spuren von Menschen
„Mich haben die Dürre-Gebiete abseits der großen antiken Metropolen schon immer interessiert“, sagt Müller-Neuhof. So ist er bereits im Jahr 2000 mit Ricardo Eichmann vom DAI in die Basaltwüste gefahren und hat in der östlich anschließenden Kalksteinwüste prähistorische obertägige Feuersteinminen entdeckt. In dieser und einer weiteren Minenregion in Südjordanien wurden charakteristische Feuersteingeräte produziert, die im 4. Jahrtausend v. Chr. eine weite Verbreitung im gesamten Nahen Osten gefunden haben.
Jetzt hat Müller-Neuhof die Basaltwüste im Rahmen eines von der DFG finanzierten Projektes erneut untersucht, auch das massiv befestigte Jawa. In dieser unwirtlichen Gegend haben die Forscher immer wieder Spuren von Menschen gefunden, entlang der Wadis müssen sie sich einen Weg durch das Steinchaos gebahnt haben. In Jawa wurde schon einmal in den 1970er Jahren gegraben. Die damals entdeckten Objekte datieren diese Siedlung in das 4. Jahrtausend vor Christus, was durch die Forschungen von Müller-Neuhof und seinem Team bestätigt werden konnte.
Ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem
Auf dem Hang gegenüber von Jawa hat Müller-Neuhof bei seiner jüngsten Expedition nun Gartenterrassen identifiziert, die von niedrigen Steinmauern gefasst sind und künstlich bewässert wurden. Sie dienten dem Anbau von Getreide. Das Regenwasser wurde hier aus der Umgebung über lange Kanäle in die Gärten geleitet und so verteilt, dass Landwirtschaft möglich war.
Bei Erkundungsflügen mit der jordanischen Luftwaffe entdeckte Müller-Neuhof zudem weitere befestigte Siedlungen auf erloschenen Vulkanen. An den Hängen und am Fuße der Hügel lassen sich wieder die Terrassengärten nachweisen. So fanden die Wissenschaftler auf dem Tulul al Ghusayn eine Siedlung, die mit einer Mauer umgeben war, die aus Zweischalenmauerwerk bestand. Der Zwischenraum zwischen zwei äußeren Mauerschalen wurde mit Steinmaterial verfüllt, sodass ein mächtiger Schutzwall entstand. In Khirbet al Ja’abariya wurden ebenfalls Gartenterrassen und vergleichbare Befestigungsmauern entdeckt.
Lassen sich die alten Gärten von Jawa zu neuem Leben erwecken?
„Wenn es in der Gegend regnet, dann aber auch sehr heftig“, erzählt Müller-Neuhof. Es wäre interessant zu sehen, ob man in den alten Gärten von Jawa das Wasser wieder speichern kann – wie vor 6000 Jahren – und sie so zu neuem Leben erwecken könnte. „Wir sind im Gespräch mit Prinz Hassan Ibn Talal, dem Onkel des Königs. Er ist an den archäologischen Projekten in dieser Region sehr interessiert.“
Müller-Neuhof fasziniert, dass die damaligen Bewohner dieses Gebietes rund 1000 Jahre vor den Gesellschaften Mesopotamiens es durch eine ausgefeilte Technologie geschafft haben, das Oberflächenwasser landwirtschaftlich zu nutzen. „Die Menschen haben ihre Landschaft gekannt und die Größe der Gärten an die Hangneigung angepasst und somit Terrassen gebaut, die das Wasser in ihren Sedimenten speichern konnten.“
Ob diese Siedlungen Kontakt mit Uruk hatten, ist noch reine Spekulation. Weiträumigen Handel hat man aber betrieben, wie die Feuersteingeräte aus den benachbarten Minen zeigen. Auch fand man jetzt einen Krug aus dem 4. Jahrtausend, der nicht aus der Region stammt.
Keine repräsentativen Gebäude, nur massive, aber winzige Häuschen
Auffällig ist, dass diese befestigten Siedlungen keine großen repräsentativen Gebäude kannten, sondern nur kleine, meist runde Bauten mit zwei Metern Durchmesser, in denen sich jeweils eine Feuerstelle befand. „Wir haben wenig Kleinfunde vorzuweisen, aber die Menschen haben damals viel Arbeit in die Befestigung und in die Anlage der Gärten investiert. Sogar ein mannshoher Staudamm wurde am Fuße Jawas gefunden, der älteste der Welt.“
Die spektakuläre Entdeckung wirft viele Fragen auf: Warum wurden diese Siedlungen befestigt? Gegen wen? Wer war der Gegner? Wie haben die Menschen gewohnt? Felszeichnungen von Rindern deuten auch auf Viehwirtschaft. Um diese Massen an Steinen zu bewegen und all diese Mauern um die Gärten und oben auf der Festung anzulegen, brauchte man viele Menschen.
Eine unbekannte Kultur hat hier Großes geleistet
Wie viele haben hier gelebt? All diese Fragen harren noch der Klärung, Ausgrabungen könnten weiterhelfen, Klarheit zu gewinnen. Tatsache ist, dass die bisher weitgehend unerforschte Wüstenregion nicht so bedeutungslos ist, wie es lange schien und dass vor 6000 Jahren hier eine bis heute unbekannte Kultur Großes geleistet hat, indem sie hier Landwirtschaft betrieben hat.
Daher wäre es reizvoll, in Jawa die Gärten teilweise zu rekonstruieren – wenn es schon vor 6000 Jahren gelungen ist, warum dann nicht heute? Und Jordanien hätte eine weitere touristische Attraktion, jenseits des Wüstenschlosses al-Azraq, in dem einst Lawrence von Arabien Unterschlupf gefunden hatte und dem Touristenmagnet Petra. Wenn der Tourismus wieder in Gang käme, könnte das helfen, Jordanien zu stabilisieren.
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