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Beate Salje zur Metropole Uruk: „Schrift, Keramik, Großbauten – alles wurde dort erfunden“

Die Berliner „Uruk“-Ausstellung rekonstruiert die Anfänge der Metropole. Heute wird dort der 250 000. Besucher erwartet. Museumschefin Beate Salje über die Kulturen des Nahen Ostens, Grabungsstätten in Syrien und die Zukunft des Pergamon-Museums.

Frau Salje, die Uruk-Ausstellung erwartet heute ihren 250 000 Besucher. Überrascht Sie der Publikumszuspruch? Die Schau präsentiert ja neben einigen spektakulären Original-Exponaten vor allem anschauliche Informationsmaterialien?

Ich bin hoch erfreut. Nach den Erfolgen der Babylon- und der Tell-Halaf-Ausstellung konnte man beinahe wieder mit einer solchen Akzeptanz rechnen. Auch diese waren ja aus unseren eigenen Beständen erarbeitet worden.

Warum eigentlich erst jetzt eine große Uruk-Ausstellung, 100 Jahre nach Grabungsbeginn?

Wir wollten mit den passenden Partnern kooperieren, außerdem sind in den letzten 15 Jahren in Uruk etliche naturwissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt worden, so dass sich erst jetzt ein Gesamtbild ergibt.

Wie viel Zeit in Ihrem Berufsleben haben Sie eigentlich selber mit Uruk verbracht?

Schon mein Studium an der Freien Universität begann mit einem Seminar über Uruk. Anfangs verstand ich nicht sehr viel davon, weil dort Studenten aller Semester saßen und man sich einarbeiten musste. Glücklicherweise konnte ich 1989 an einer Grabungskampagne teilnehmen, einen Tag vor dem Mauerfall reiste ich nach Bagdad. Uruk ist ein fantastischer Platz, aber es gab noch kein fließendes Wasser und keinen Strom, es war ein bisschen wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auch das Grabungshaus befand sich noch in jenem Zustand, in dem Agatha Christie es für ihren Roman „Tod in Mesopotamien“ vorfand. Seit 1984 haben wir am Deutschen Archäologischen Institut die alten Grabungen dann aufgearbeitet, auch in Zusammenarbeit mit dem Vorderasiatischen Museum.

Warum ist der Kulturraum des Nahen Ostens so wichtig?

Es ist die Wiege der Menschheit. Alles was dort erfunden wurde, die Schrift, die Keramik, die frühesten Großbauten – es ist bis heute von großer Bedeutung. Viele wissen gar nicht, dass die städtische Entwicklung aus Mesopotamien kommt, weil man das meist der Antike zuschreibt.

"Ich denke an die Menschen in der Region"

Die Erfindung der Großstadt. Religionsstätte im alten Uruk: Tempel der Göttin Ischtar, 3. Jahrtausend vor Christus, digital auf der Basis von Untersuchungen des Deutschen Archäologischen Instituts rekonstruiert.
Die Erfindung der Großstadt. Religionsstätte im alten Uruk: Tempel der Göttin Ischtar, 3. Jahrtausend vor Christus, digital auf der Basis von Untersuchungen des Deutschen Archäologischen Instituts rekonstruiert.
© artefacts-berlin.de/Staatliche Museen zu berlin

Wenn man die aktuellen Bilder aus Syrien und dem Irak sieht, denken Sie dann auch an die archäologischen Stätten?

In erster Linie denke ich an die Menschen in der Region, mit denen wir bei den Grabungen ja zusammengearbeitet haben. Was diese Menschen ertragen müssen, wie sich die Region verändert, das macht mich betroffen. Tragisch sind die Unruhen auch für die archäologischen Stätten. Durch Raubgrabungen gehen Schätze und wertvolle Informationen für immer verloren. Gerade im Irak sind viele Stätten wie ein Schweizer Käse durchlöchert. Es ist zu befürchten, dass es in Syrien bald ähnlich aussieht.

Sie gehen Ende Februar 2014 in den Ruhestand. Ihr Lieblingsprojekt während Ihrer Zeit im Vorderasiatischen Museum?

Das ist ausnahmsweise keine Ausstellung mit unseren eigenen Beständen wie die zu Assur oder „Babylon“, sondern die Jordanien-Ausstellung, „Gesichter des Orients – 10 000 Jahre Kunst und Kultur in Jordanien“. Da konnten wir eine Kultur vom 8. Jahrtausend v. Chr. bis in die Spätzeit darstellen und dank der sehr guten Kontakte zu Fawaz Al Khraysheh, dem Direktor der Antikenverwaltung in Amman, 700 Objekte von dort in Berlin präsentieren. Es war ein fantastisches Erlebnis.

Und Ihr Lieblingsobjekt in der Sammlung?

Mein Herz hängt am Ischtar-Tor und der Prozessionsstraße. Und einem kleinen Relief aus Assyrien mit der sehr anschaulichen Darstellung einer Lagerszene.

Überzeugungsarbeit für Kulturen Mesopotamiens nötig

Inwieweit haben die großen Ausstellungen der letzten Jahre die Bedeutung der altorientalischen Kulturen mehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt?

Wir merken, dass dieser Kulturraum nicht so bekannt ist wie Ägypten oder die klassische Antike, wo noch vieles vor Ort zu sehen ist. Das macht die Existenz dieser Kulturen sinnfälliger, während man bei den Lehmziegelbauten Mesopotamiens meist nur noch Reste der Grundmauern vorfindet. Unsere Ausstellungen tragen sicherlich dazu bei, dass es mehr Kenntnis über diese Kulturen gibt, aber es erfordert immer wieder Überzeugungsarbeit, für die Kulturen Mesopotamiens und des gesamten Mittelmeerbereichs zu werben.

Wie wird sich das Vorderasiatische Museum denn nach der Sanierung des Pergamon-Museums präsentieren?

Seit 2000 sind wir mit der Raumplanung befasst. Oswald Mathias Ungers hat damals fantastische Pläne entworfen, mit einem vierten gläsernen Flügel, der die Großarchitekturen auf der Hauptgeschossebene verbindet. Dort wird sich der neue Zugang zum Vorderasiatischen Museum befinden, die Tell-Halaf-Fassade. Der Kopfraum zum Kupfergraben wird Tell Halaf gewidmet sein, von dort gelangt man dann direkt in die Prozessionsstraße – der gesamte Südflügel wird für Vorderasien zur Verfügung stehen. Während Walter Andraes wunderbare Konzeption in den Haupträumen weitgehend erhalten bleibt, sollen jene Bereiche neu gestaltet werden, bei denen die Forschung der letzten Jahrzehnte neue Erkenntnisse brachte, etwa bei Assur oder bei Babylon.

Wie ist ungefähr der zeitliche Rahmen?

Das Vorderasiatische Museum wird bis 2019 geöffnet bleiben. Ich hoffe, dass der Zugang von der James-Simon-Galerie vielleicht ab 2017 möglich ist. Ganz wichtig ist für uns, dass wir nach 2019 weiterhin adäquate Ausstellungsräume für die Kulturen des alten Vorderen Orients bekommen. Tell Halaf, Uruk, Babylon, Assur, das sind Orte von Weltbedeutung! Deren Schätze müssen zugänglich bleiben, auch wenn sich die Sanierung des Südflügels einige Jahre hinziehen wird.

Werden Sie Ihrem Arbeitsgebiet nach der Pensionierung verbunden bleiben?

Ich bin so von Uruk und dem Alltagsgeschäft eingenommen, dass ich noch nicht darüber nachdenken konnte. Ich bin gerne weiter tätig; ob hier im Museum oder mit dem Deutschen Archäologischen Institut, wird sich ergeben. Und vorher bitte eine kurze Phase des Aufatmens!

– Das Gespräch führte Rolf Brockschmidt.

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