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"Feuer dem Patriarchat": Eine Frau protestiert in Santiago de Chile gegen Sexismus.
© Luis Hidalgo/AP/dpa

Internationale Tagung in Berlin: Was Emanzipation heute bedeutet

Didier Eribon, Nancy Fraser und Seyla Benhabib in Berlin: Eine internationale sozialphilosophische Konferenz widmet sich dem Thema Emanzipation.

Emanzipation bezeichnete einst die Freilassung eines Sklaven aus dem Eigentum seines Herren. Mit der Aufklärung erfolgte ein Bedeutungswandel hin zu Emanzipation als Akt der Selbstbefreiung, als Kampf für mehr Freiheit, Gleichheit und Anerkennung. Was kann Emanzipation in der heutigen Zeit bedeuten, die einerseits von neoliberalen Individualisierungsprozessen und andererseits von dem Erstarken rechtsnationalistischer Bewegungen geprägt ist?

50 Jahre nach dem Mai 1968 veranstalten Humboldt-Universität, Technische Universität und die Menschenrechtsorganisation Medico International an diesem Wochenende eine sozialphilosophische Tagung, um diese Frage zu beantworten. Für die Konferenz, die am Freitag im Haus der Kulturen der Welt beginnt, kommen internationale Stars der Wissenschaft nach Berlin, darunter Wendy Brown, Didier Eribon, Seyla Benhabib und Nancy Fraser. In drei Plenarveranstaltungen und zwölf Kolloquien versuchen sie zu klären, was Emanzipation im Zusammenhang mit Themen wie Entfremdung, Revolution und Kreativität heute bedeuten kann.

Anlass für die Tagung sind neben dem 50. Geburtstag der 1968er aktuelle Debatten um den Sinn sogenannter „Identitätspolitik“, wie die Sozialphilosophin Rahel Jaeggi am Donnerstag im Vorfeld der Konferenz sagt. Dabei geht es auch um Forderungen innerhalb der Linken, zur sozialen Frage zurückzukehren und die Anliegen etwa von Frauen oder rassistisch diskriminierten Menschen hintenan zu stellen. Thomas Seibert, Philosoph und Mitarbeiter von Medico International, widerspricht dieser Auffassung: „Selbst in Katastrophen geht es nie um das bloße Überleben, es geht immer um das ganze Leben.“ Es gebe keine humanitäre Arbeit, in der nicht auch Fragen von Geschlecht oder Ethnizität eine zentrale Rolle spielen.

Neudefinition von Solidarität

Die Konferenz ist hauptsächlich euro-atlantisch geprägt. Doch bei drei von Medico organisierten Kolloquien sollen auch Dozierende aus dem globalen Süden teilnehmen. Visa für die Aktivisten zu bekommen, gestaltete sich wie berichtet jedoch als schwierig. Dieses Vorgehen zeigt für Seibert die immer stärkere Abschottung des Schengen-Raumes gegen den globalen Süden.

Angesichts solcher Entwicklungen soll es auch um eine Neudefinition von Solidarität gehen. Wichtig sei vor allem eine Rückkehr zur Kollektivität, jenseits von nationalistischen Vorstellungen von Gemeinschaft, betont Sabine Hark, die das Zentrum für Geschlechterforschung der TU Berlin leitet. Mit der Tagung wolle man einen Reflexionsraum schaffen und Begriffe bereitstellen, in denen politisch gedacht werden kann. „Emanzipieren müssen sich die Leute dann selber“, fügt Rahel Jaeggi noch hinzu.

Die Konferenz ist öffentlich, eine Anmeldung ist nicht nötig. Mehr unter http://criticaltheoryinberlin.de/emanzipation/

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