Biodiversitätsforschung: Was die lebende Welt zusammenhält
Mehr Komplexität geht kaum: Tiffany Knight erforscht Ökosysteme, deren Stabilität und Anfälligkeit.
Vor drei Jahren kam Tiffany Knight, gerade 40 geworden, nach Halle. Ihr wichtigster Kollege dort ist deutlich älteren Jahrgangs. Er heißt Hermann Müller, geboren 1829. „Seine Arbeiten sind fantastisch“, sagt die Ökologie-Professorin.
Natürlich weilt Müller nicht mehr unter den Lebenden. Doch die Daten, die er vor anderthalb Jahrhunderten in den Alpen über Pflanzen und ihre Bestäuber gesammelt hat, sind Grundlage von Knights bislang wichtigstem Projekt als Humboldt-Professorin. Den Titel trägt sie seit 2015 an der Uni Halle und am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Leipzig-Jena. „Teilweise haben wir in denselben Pensionen übernachtet, in denen Müller damals abgestiegen war, und Wiesen, die er beschrieb, genau so wiedergefunden“, sagt sie. Ihr Team vergleicht die Arten, die der in Thüringen geborene Gymnasiallehrer zwischen 600 und 3200 Metern über dem Meer sammelte, mit dem, was dort heute blüht, fliegt und krabbelt. Das Projekt ist längst nicht abgeschlossen, doch es ist bereits klar, dass selbst jene aus Müllers Beschreibungen wiedererkennbaren Wiesen oft ganz und gar nicht mehr dieselben sind. Arten sind verschwunden, eingeschleppte hinzugekommen, der Klimawandel hat Spezies bergan getrieben. Vor allem da, wo der Mensch heute intensiv wirtschaftet, sind die Lebensräume auch anfälliger geworden.
Der Artenreichtum bringt Redundanz ins System
Auf Müllers Spuren unterwegs ist Knight auch inhaltlich. Denn der seinerzeit hoch angesehene Freizeitforscher, der auch mit Darwin kommunizierte, interessierte sich vor allem für die Wechselbeziehungen zwischen Blütenpflanzen und ihren Bestäubern. Diese Interaktionen untersucht Knight im Detail. Ihre Ergebnisse, aber auch die anderer Ökologie-Forscher, legen nahe, dass Artenreichtum deshalb wichtig für die Stabilität von Ökosystemen ist, weil er Redundanz ins System bringt: Wenn eine Art ausfällt, kann eine andere, die fast die gleiche ökologische Nische hat, einspringen. Wenn aber nur ein Bestäuber für eine Pflanze da ist und dieser verschwindet, hat auch die Pflanzenart kaum mehr eine Chance.
Speziell untersucht Knight die Frage, unter welchen Umständen eingeschleppte Arten zum Problem werden. „Ziel ist es, das vorhersagen zu können, dann könnte man nämlich etwa verhindern, dass bestimmte exotische Zierpflanzen überhaupt eingeführt werden, oder rechtzeitig versuchen, die Verbreitung einer Art einzudämmen“, sagt Knight.
„Man hat hier viel mehr Urlaub“
Dass sie diesen Fragen auch nach den fünf Jahren und fünf Millionen Euro Humboldt-Stipendium auf ihrer Professorinnenstelle weiter wird nachgehen können, gab für sie den Ausschlag, mit Familie aus den USA nach Deutschland zu kommen. Inzwischen weiß sie auch noch etwas anderes zu schätzen: „Man hat hier viel mehr Urlaub, und wir machen davon inzwischen auch Gebrauch – und ich glaube, das hat mich sogar produktiver gemacht.“
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