Biodiversitätsforschung: Ein neues Haus für die Artenvielfalt
Die Freie Universität und das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei bauen gemeinsam ein Wissenschaftsgebäude in Dahlem.
Wie verändert sich die Artenvielfalt durch den Klimawandel? Oder durch gentechnisch veränderte Bakterien und Pflanzen? Landen kleinste Plastikteilchen, die sich im Boden anreichern, irgendwann in unserem Salat? Was muss die Politik tun, um Seen und Flüsse vor Überdüngung zu schützen? Und wie hängt das alles mit uns und unserer Gesundheit zusammen?
All das sind Fragen, die sich in der Biodiversitätsforschung stellen. Weltweit nimmt die Artenvielfalt ab, was die Menschheit vor große Herausforderungen stellt: Trinkwasser, Nahrung und Böden sind in Gefahr. Man weiß immer noch nicht genau, wie die heutige große Artenvielfalt entstanden ist, welche Rolle Biodiversität in Ökosystemen spielt und wie ihrem Verlust zu begegnen ist.
In Berlin gibt es verschiedene Einrichtungen und Gruppen, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Sie haben sich im Berlin-Brandenburgischen Institut für Biodiversitätsforschung zusammengeschlossen, arbeiten aber bisher jedoch weiter an ihren jeweiligen Standorten.
Ein Neubau in Berlin-Dahlem soll das nun teilweise ändern. Die Freie Universität Berlin und das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) errichten gemeinsam ein Wissenschaftsgebäude Biodiversität, das auf dem Campus der Freien Universität in Dahlem an der Königin-Luise-Straße 28-30 errichtet werden soll und in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus beiden Einrichtungen forschen wollen.
Gemeinsame Projekte fördern und voneinander lernen
Matthias Rillig, Professor für Biologie an der Freien Universität und Direktor des Berlin-Brandenburgischen Instituts für Biodiversitätsforschung, sagt, das Ziel sei es, gemeinsam zu neuen Forschungsansätzen zu kommen: „Wir von der Freien Universität beschäftigen uns mit der Artenvielfalt an Land, die Kollegen vom IGB erforschen die Artenvielfalt im Wasser. Durch die räumliche Trennung sind wir täglich von Kolleginnen und Kollegen umgeben, die an ähnlichen Projekten arbeiten wie wir selbst. Das führt zu einer immer stärkeren Fragmentierung der Forschung.“ Das neue Forschungszentrum solle das Entstehen gemeinsamer Projekte fördern – an erster Stelle stehe aber die Kommunikation. „Ich erhoffe mir, dass wir voneinander lernen werden“, sagt Matthias Rillig. Mark Gessner, Interimsdirektor am IGB und Professor für Gewässerökologie an der Technischen Universität Berlin, sieht eine große Chance darin, dass das neue Gebäude unterschiedliche Fachrichtungen zusammenbringt: „Das Haus ist quasi die Materialisierung unserer Kooperation.“ Er hofft, dass dort ein Zentrum des intensiven wissenschaftlichen Austauschs entsteht, auch mit Stipendiaten und Gastwissenschaftlern.
Ein Gremium aus Architekten und Vertretern der Freien Universität, des Leibniz-Instituts und des Bezirks Steglitz-Zehlendorf hat 20 eingereichte Entwürfe für das neue Haus gesichtet, die im Rahmen eines Wettbewerbs entstanden sind. Im Mai wurde über den Sieger abgestimmt: Gewonnen hat die Arbeit des Berliner Architekturbüros Glass Kramer Löbbert.
Der Entwurf sieht ein fünfeckiges Gebäude über drei Etagen vor. Die Fassade aus beigefarbenem Klinker wirkt sowohl edel als auch funktional und orientiert sich gleichermaßen an den Hochschulbauten auf dem Campus der Freien Universität und den Villen an der Königin-Luise-Straße. Dadurch, dass das Gebäude etwas zurückgesetzt zur Straße steht, wirkt der Zugang großzügig – und die fünfeckige Form ermöglicht es, die Bäume auf dem Gelände zu erhalten.
Labore werden in Büros umgewandelt und umgelehrt
Thomas Joeken, Architekt in der Technischen Abteilung, wird für die Freie Universität die Projektleitung des Neubaus übernehmen und dafür mit dem Bauherren, dem Forschungsverbund Berlin, zu dem das IGB gehört, sowie den beteiligten Wissenschaftlern eng zusammenarbeiten. Er lobt die flexible Laborplanung im Sieger-Entwurf, durch die Labore zu Büros umfunktioniert werden können – und umgekehrt, je nach den Bedürfnissen der jeweiligen Arbeitsgruppe. Außerdem gebe es eine gute Mischung aus Rückzugsmöglichkeiten und offenen Räumen, sagt der Architekt. Die Loggien, die an den Seiten des Gebäudes vorgesehen seien, eigneten sich für Gespräche mit Blick in den Garten und öffneten das Ensemble zu den Nachbarn: „Das neue Biodiversitätsgebäude wird ein Ort sein, an dem sich die Forscherinnen und Forscher wohlfühlen“, sagt Joeken.
Die Kosten von 18 Millionen Euro teilen sich die Freie Universität und der Forschungsverbund Berlin. 2018 soll mit dem Bau begonnen werden. Vorher muss noch ein altes Gebäude abgerissen werden, das als Provisorium in den sechziger Jahren gebaut wurde. Die Biologen, die zurzeit dort arbeiten, werden zum Teil in andere Gebäude umziehen, zum Teil lösen sich die Arbeitsgruppen aber auch auf, da einige Professoren in den Ruhestand gehen.
2021 soll das neue Wissenschaftsgebäude Biodiversität fertig sein – und damit ein Ort, an dem Forscherteams gemeinsam daran arbeiten können, Antworten auf drängende Fragen zum Erhalt der Artenvielfalt zu finden.
Katharina Frey