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Eine Biene sammelt Blütenstaub in einer Krokusblüte.
© Caroline Seidel/dpa

Insektengifte: Bienen und Hummeln harren ihrer Rettung

Neonikotinoide haben tödliche Folgen für Bienen und andere Insekten. Trotzdem zögert die Bundesregierung mit einem Verbot – und wartet auf die EU.

Hummeln und Menschen eint derzeit ein Wunsch: endlich wieder die Sonne sehen, Wärme spüren. Hummeln gehören zu den ersten Frühlingsboten. Wenn die Sonnenstrahlen den gefrorenen Boden erwärmen, gründen die Hummelköniginnen ihren neuen Hummelstaat. Die Menschen können ihnen dabei helfen, in dem sie etwa in ihren Gärten Holzhaufen für die Wildbienen anlegen, empfiehlt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Etwa die Hälfte der in Deutschland lebenden Wildbienen stehen auf der Roten Liste, rund 30 Arten sind vom Aussterben bedroht“, sagt BUND-Naturschutzexperte Magnus Wessel.

560 Wildbienenarten, zu denen auch die Hummeln gehören, gibt es in Deutschland, und sie haben es schwer. Die Monokulturen der Landwirtschaft machen ihnen und den Honigbienen zu schaffen, die Varroamilbe setzt ihnen zu, zudem machen ihnen Pflanzengifte den Garaus. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Artenvielfalt, sondern auch auf die Landwirtschaft. „80 Prozent unserer Pfanzen müssen bestäubt werden, damit wir Obst und Gemüse ernten können“, heißt es im Bundeslandwirtschaftsministerium. Die EU-Kommission beziffert den volkswirtschaftlichen Wert der fleißigen Bienchen und anderer Insekten auf jährlich 22 Milliarden Euro.

Streitpunkt Neonikotinoide

Deshalb will die EU Wild- und Honigbienen besser schützen und bestimmte Wirkstoffe verbieten: Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid. Sie gehören zur Gruppe der sogenannten Neonikotinoide und werden in der Landwirtschaft als Saatgutbeizmittel eingesetzt, um Schädlinge zu bekämpfen. Doch die tödliche Wirkung entfalten sie auch gegenüber Insekten, die keinerlei Gefahr für Nutzpflanzen darstellen – etwa den Bienen. Selbst in nicht unmittelbar tödlichen Mengen hat das Gift, das etwa von Bayer und Syngenta hergestellt wird, massive Auswirkungen auf die Fortpflanzung und Orientierung der Tiere.

So waren im Frühjahr 2008 in der Oberrheinebene rund 12 000 Bienenvölker zugrunde gegangen, nachdem sie in Kontakt mit Clothianidin gekommen waren. Bereits seit 2013 unterliegen die Substanzen aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf Bienen einem EU-Teilmoratorium. In Deutschland besteht seit 2015 ein Einfuhr- und Aussaatverbot von Getreidesaatgut, das mit Neonikotinoiden behandelt worden ist.

Schädlichkeit bestätigt

Ende Februar bestätigte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auf Grundlage von 1500 ausgewerteten Studien das Risiko für Wild- und Honigbienen, das von diesen Insektiziden ausgeht. Die EU-Kommission sieht sich durch das Gutachten in ihrem Vorgehen bestätigt. Eigentlich könnten jetzt Nägel mit Köpfen gemacht werden. An diesem Donnerstag tagt das Ständige Kommitee (SCAPAFF), das ein Verbot beschließen könnte. Doch stattdessen wird die Runde nur diskutieren und auf Vorschläge der Mitgliedstaaten warten. Showtime ist wohl erst beim nächsten Treffen des Kommitees im Mai.

Eine Schlüsselrolle kommt dabei Deutschland und seiner neuen Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) zu. Denn Deutschland hat den größten Stimmenanteil in der Abstimmung. Doch noch hält man sich im Ministerium bedeckt. Die EU-Kommission sei Herrin des Verfahrens, heißt es auf Anfrage. „Bislang hat die Kommission keine Vorschläge zum weiteren Verfahren unterbreitet“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. Daher könne man zum „jetzigen Zeitpunkt leider keinen neuen Sachstand mitteilen“.

Landwirtschaftsministerium zögert

Der bisherige Sachstand ist für Umweltschützer allerdings höchst unbefriedigend. Denn Klöckners Vorgänger, Christian Schmidt (CSU), spielte auf Zeit. Erst erklärte er öffentlich, wenn die EFSA feststelle, dass die Stoffe schädlich seien, „dann müssen sie komplett verboten werden“. Doch nach dem EFSA-Gutachten klang es plötzlich anders. „Das Ergebnis dieser Prüfung wird in die deutsche Position für die entscheidungsrelevanten Sitzungen einfließen“, sagte Schmidt in den letzten Tagen seiner Amtszeit und kündigte an, das Julius-Kühn-Institut in Berlin bei der Prüfung heranziehen zu wollen.

Harald Ebner hat für die erneute Prüfung der Überprüfung kein Verständnis. Er ist Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik von Bündnis 90/Die Grünen und sagt: "Die Bienengifte müssen jetzt schleunigst vom Acker." Mit ihrem Antrag "Ja zum EU-Freilandverbot für bienengiftige Neonikotinoide" konnten sich die Grünen im Agrarausschuss des Bundestags aber nicht durchsetzen. Lediglich die Vertreter der Linken stimmten am Mittwoch vergangener Woche dem Antrag zu.

Aktionsprogramm Insektenschutz

Die Sozialdemokraten wollen in der neuen Koalition eine gemeinsame Position mit dem Landwirtschaftsministerium anstreben. Die Union erklärte, statt eines „vorschnellen Verbots“ sei zunächst die Zulassung von zielgerichteten neuen Wirkstoffen nötig, um mögliche entstehende Lücken zu schließen.

Damit entfernen sich die Fraktionen schon jetzt vom Koalitionsvertrag. In dem haben sich die Regierungsparteien nämlich auf ein „Aktionsprogramm Insektenschutz“ verständigt. Versprochen wird ein „wirksames Engagement gegen Insektensterben“. Vor allem die Bienen liegen Union und SPD am Herzen, heißt es weiter. Holzhaufen in Gärten dürften damit aber wohl nicht gemeint sein.

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