Huawei-Studie: Was Deutsche und Chinesen wirklich voneinander denken
Die dritte Huawei-Studie unter Deutschen und Chinesen liefert überraschende Ergebnisse -vor allem beim Thema Digitalisierung.
Manchmal dreht sich die Welt schneller als man glauben möchte, und Studien können naturgemäß mit dem Tempo der Entwicklung nicht immer mithalten. So liefert die Huawei-Studie 2016, die das GIGA Institut für Asien Studien, die Universität Duisburg-Essen und TNS Emnid nun zum dritten Mal vorgelegt haben und die von Huawai finanziert wurde, wieder hoch interessante Erkenntnisse, die allerdings bereits von der aktuellen dynamischen Entwicklung eingeholt worden sind. Verfasst wurde die Studie wie schon in der Vergangenheit von Margot Schüller, Yun Schüler-Zhou und Nele Noesselt, die mittlerweile an der Universität Duisburg-Essen lehrt.
Der Untersuchungszeitraum für die Berichterstattung in den maßgeblichen Medien beider Länder lag zwischen dem 1. Juli 2014 und dem 30. Juni 2015, befragt wurden neben Bürgern im Herbst 2015 auch politische und wirtschaftliche Entscheider beider Länder.
Wegen der wachsenden Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) wurde neben den traditionellen Feldern „Interesse und Kontakt“, „Politik und Staat“, „Wirtschaft und Innovation“, „Gesellschaft und Kultur“ sowie Fragen zur Soziodemografie erstmals die Sparte „Digitalisierung und digitale Innovation“ aufgenommen. Und hier zeigen sich überraschende Ergebnisse.
Deutsche sind deutlich skeptischer als Chinesen
82 Prozent der Chinesen stehen der digitalen Innovation eher positiv gegenüber und 81 Prozent der Chinesen glauben, dass die Deutschen genauso denken. Allerdings stehen nur 63 Prozent der Deutschen der digitalen Innovation positiv gegenüber, 33 Prozent sind skeptisch. 84 Prozent der Deutschen glauben jedoch, dass die Chinesen der Digitalisierung positiv gegenüber stehen. Deutsche politische Entscheider sehen nur zu 71 Prozent die digitale Innovation positiv, bei den Wirtschaftsentscheidern sogar nur 62 Prozent.
Bei den chinesischen politischen Entscheidern liegt die Zustimmung zur digitalen Innovation bei 90 Prozent, bei den Wirtschaftsentscheidern bei 89 Prozent. Nur fünf bis neun Prozent dieser Befragten äußerten sich den Neuerungen gegenüber ablehnend.
Nur 41 Prozent der Deutschen sehen einen Nutzen in der digitalen Innovation gegenüber 66 Prozent der Chinesen. An Gefahren bei der Entwicklung glauben 53 Prozent der Deutschen, während es bei den Chinesen nur 24 Prozent der Bevölkerung sind. Deutsche sind also deutlich skeptischer als Chinesen. Noch verhaltener äußern sich die deutschen politischen Entscheider. Sie glauben zu 65 Prozent, dass die Deutschen eher die Gefahren der Digitalisierung sehen, während 65 Prozent der chinesischen politischen Entscheider denken, dass die Deutschen auch in erster Linie den Nutzen sehen. Deutsche und Chinesen sind sich allerdings in einem einig: Sie glauben mit über 75 Prozent, dass vor allem die Chinesen die digitale Innovation als nützlich ansehen.
Chinesen gehen mit sensiblen Gesundheitsdaten freizügig um
Umgekehrte Präferenzen finden sich beim Smartphone-Besitz von Kindern. Sechs Prozent der Deutschen und 17 Prozent der Chinesen finden es in Ordnung, wenn Kinder – auch knapp unter zehn Jahren – ein eigenes Smartphone haben. 47 Prozent der Chinesen finden es besser, wenn die Kinder schon zu Jugendlichen gereift sind und halten das Alter von 16 bis 18 Jahren für das richtige.
Einer Kfz-Versicherung persönliche Daten zu überlassen und dafür finanzielle Vorteile einzuheimsen, finden nur 36 Prozent der Deutschen gut, Chinesen würden dem mit 69 Prozent zustimmen. Bei sensiblen Gesundheitsdaten ist die Diskrepanz noch größer. Nur 23 Prozent der Deutschen würden die Weitergabe gegen finanzielle Vorteile befürworten – gegenüber 67 Prozent auf chinesischer Seite. Um sich professionelle Ratschläge zu sichern, würden 46 Prozent der Deutschen, aber 76 Prozent der Chinesen ihre Daten übermitteln.
Auch bei der Ortung des Aufenthaltes der eigenen Kinder mit Hilfe digitaler Technologien sind die Chinesen fortschrittsgläubiger, 79 Prozent würden dem zustimmen, die Deutschen lehnen dies zu 52 Prozent ab. Dass die digitale Innovation in China von der Politik „sehr stark“ unterstützt wird, sehen 40 Prozent der politischen und wirtschaftlichen Entscheider, während es in Deutschland nur rund acht Prozent sind. Dass durch die Digitalisierung Arbeitsplätze abgebaut werden, glauben 60 Prozent der Deutschen gegenüber 39 Prozent der Chinesen. Umgekehrt glauben 57 Prozent der Chinesen daran, dass durch Digitalisierung neue Arbeitsplätze geschaffen werden, was nur 33 Prozent der Deutschen für möglich halten.
Deutsche Automarken sind in China die bekanntesten Produkte
In beiden Ländern, so bilanziert die Studie, komme dem Ausbau der Infrastruktur für die Digitalisierung hohe Priorität zu, beide Länder erkennen aber auch, dass sich mit der Digitalisierung Fragen der Sicherheit, der Selbstbestimmtheit und des Datenschutzes stellen.
Wie sich die Gewichte in der Wahrnehmung verschieben, zeigt der Bereich Wirtschaft und Innovation. Deutsche Automarken sind mit über 80 Prozent in China die bekanntesten Produkte, während in Deutschland zu den bekanntesten Marken die IT-Unternehmen Lenovo, Huawei und Alibaba zählen, Tendenz steigend.
Der Bekanntheitsgrad von Persönlichkeiten beider Länder fällt hingegen sehr unterschiedlich aus. Auf die spontane Frage nach deutschen Persönlichkeiten kommt Adolf Hitler mit 36 Prozent auf Platz 1, gefolgt von Karl Marx (25 Prozent), Johann Wolfgang von Goethe (20 Prozent) und Angela Merkel auf 19 Prozent.
Bei Fragen zur Kultur sprechen aus den Zahlen Neugier und Vertrauen
Abräumer bei den Deutschen ist mit 54 Prozent Mao Zedong, dann folgt abgeschlagen auf Rang 2 der Künstler Ai Weiwei (8 Prozent), danach kommen Konfuzius und Deng Xiaoping mit jeweils fünf Prozent. Den aktuellen Staatspräsidenten und mächtigsten Mann Chinas, Xi Jinping, kennen nur zwei Prozent der Deutschen. Hier besteht deutlicher Nachholbedarf auf deutscher Seite. Die Zahlen könnten sich ändern, wenn die politische Annäherung zwischen China und Deutschland voranschreitet.
Bei Fragen zur jeweils anderen Kultur ist eine stabile Entwicklung festzustellen, wobei die chinesischen Werte bei der Zustimmung zur deutschen Kultur höher liegen als umgekehrt. Neugier und Vertrauen sprechen aus diesen Zahlen. Bewiesen ist auch, dass die Urteile bei jüngeren und besser ausgebildeten Menschen positiver ausfallen und dass ein Auslandsaufenthalt das Urteil meist positiv beeinflusst. Mehr Begegnungen scheinen ein Schlüssel zum besseren Verständnis zu sein.
Die komplette Studie im Internet: www.huawei-studie.de