Mitbestimmung an Hochschulen: Warum Studierende keine Lust auf Unipolitik haben
Für Hochschulpolitik begeistern sich nur wenige Studierende. Woran liegt's? Und muss die Landespolitik womöglich für mehr Engagement werben? Im Berliner Abgeordnetenhaus wurde darüber jetzt heftig diskutiert.
Was ist los mit der politischen Kultur an den Berliner Hochschulen? Die Beteiligung an Gremienwahlen ist bei den Studierenden verschwindend gering, an den Unis geben nicht einmal mehr zehn Prozent ihre Stimme für das Studierendenparlament ab. Ähnlich schwach sind die Mobilisierungen bei den Wahlen zu den Akademischen Senaten, an der Freien Universität lag die Beteiligung der Studierenden bei zuletzt fünf Prozent. Auch in den anderen Gruppen – bei den Professoren und im Mittelbau – machen im Schnitt nur die Hälfte bis ein Drittel ihr Kreuzchen, wenn es um die akademische Selbstverwaltung geht. Gleichzeitig sinkt vor allem bei den Studierenden die Bereitschaft, sich in der Gremienarbeit zu engagieren.
Warum das so ist und wie es insgesamt um die Partizipationsmöglichkeiten steht, interessierte jetzt die Landespolitik. Auf Antrag der Piraten befragte der Wissenschaftsausschuss im Abgeordnetenhaus am Mittwoch Gremien- und Gewerkschaftsvertreter. Für Petra Jordan, Mitglied der Landesvertretung Akademischer Mittelbau und des Kuratoriums der Technischen Universität, liegt auf der Hand, was Hochschulangehörige am Engagement hindert. Die Studierenden könnten sich wegen des Leistungs- und Zeitdrucks in den verkürzten Studiengängen nicht engagieren. Im Mittelbau ließen kurze Vertragslaufzeiten keine Zeit, um sich um Mitbestimmung zu kümmern. Die Drittmittelbeschäftigten seien zudem darauf fixiert, ihre Verträge mit den Drittmittelgebern zu erfüllen.
Demotivierend wirkt die "Arroganz der Macht"
Der gremienerfahrene Studierendenvertreter Erik Marquardt, der lange im Kuratorium der TU saß und heute Bundessprecher der Grünen Jugend ist, beklagte die Überlastung der wenigen hochschulpolitisch aktiven Studierenden. Wer bereit sei, in Gremien zu sitzen, werde schnell für viele Aufgaben vereinnahmt. Demotivierend wirke aber auch die „Arroganz der Macht“, mit der Professoren den Studierendenvertretern begegneten.
Sie ernteten schnell „Hohn und Spott“, wenn sie einmal einen Verwaltungsparagraphen falsch auslegten. Außerdem sei studentisches Engagement auch politisch in Verruf gebracht worden – als angeblicher Störfaktor im universitären Getriebe. „Werben Sie für die politische Mitbestimmung an den Hochschulen“, appellierte Marquardt deshalb an die Abgeordneten im Wissenschaftsausschuss und an Staatssekretär Steffen Krach, der Senatorin Sandra Scheeres (SPD) vertrat.
Kooperatives Kuscheln im politischen Kampf?
Der wissenschaftspolitischen Sprecher der SPD, Lars Oberg, reagierte fassungslos: „Man kann nicht den politischen Kampf wollen, aber von der Gegenseite kooperatives Kuscheln verlangen.“ Es sei auch nicht die Aufgabe der Politik, für aktive Hochschulpolitik zu werben. Die Studierenden müssten schon selber „an der Tür rütteln und schreien, ,ich will da rein und mitbestimmen’“. Stattdessen würden durch die Politik gewährte Rechte, wie das unlängst eingeführte aktive Wahlrecht für Lehrbeauftragte, nicht wahrgenommen. „Lassen Sie uns über Rechte reden, nicht über das Klima“, rief Oberg aus.
Für Wolfgang Albers, Wissenschaftssprecher der Linken, geht beides gut zusammen: Das Instrument, mehr aktive Beteiligung in den Hochschulgremien zu erreichen, sei die Viertelparität, also eine Besetzung von Gremien, bei der Professoren, akademische Mitarbeiter, sonstige Mitarbeiter und Studierende die gleiche Anzahl von Sitzen und Stimmen haben. Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1973 gilt aber, dass Professoren in Hochschulgremien, die unmittelbar über die Lehre befinden, die Hälfte der Stimmen haben müssen. Geht es um Forschung und Berufungen, müssen sie die Mehrheit haben.
An der TU scheiterte vor zwei Jahren die Viertelparität
Dass eine an der TU 2013 bereits beschlossene Viertelparität vom Senat und der Hochschulleitung aus Verfassungsbedenken gleich wieder „kassiert“ wurde, empfindet Sonja Bolenius vom DGB-Bundesvorstand als verfehlt. Forschung und Lehre würden doch heute nicht mehr mehrheitlich von Professoren, sondern vom akademischen Mittelbau gestemmt.
Gewerkschafter und Mittelbauvertreter sehen die Gremien auch von zunehmenden „informellen Entscheidungen“ etwa in Beratergremien der Präsidien entmachtet. Dem widersprach der FU-Kanzler Peter Lange: Um die „Potenziale der Hochschulautonomie“ ausschöpfen zu können, habe „Verantwortung dezentralisiert“ werden müssen. Das habe den Erfolg der Berliner Unis etwa im Exzellenzwettbewerb begründet. Und neben den Gremien hätten auch die Personalräte und die Frauenbeauftragten weitgehende Eingriffsmöglichkeiten.
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