Flut von Verpackungsabfall: Vor allem To-Go-Plastik vermüllt die Meere
Untersuchungen zeigen: 80 Prozent des jährlich anfallenden Abfalls, der über Europas Flüsse in die Meere gelangt, besteht aus schon aus Kunststoffteilchen.
Jedes Jahr gelangen zwischen 307 und 925 Millionen größere Müllteilchen aus europäischen Flüssen in die Meere. Etwa 80 Prozent der weltweit in die Ozeane gespülten und mehr als 2,5 Zentimeter großen Müllteile besteht aus Plastik, das wiederum hauptsächlich von Essen- und Getränkeverpackungen zum Mitnehmen stammt.
Das geht aus zwei Untersuchungen von Forschungsteams um Carmen Morales-Caselles und Daniel González-Fernández von der University of Cadiz und der European University of the Seas im spanischen Puerto Real hervor. Produktion und Nutzung von Plastik müssten dringend auf globaler Ebene reguliert werden, schreiben die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Sustainability“.
Der Massenkonsum und die schnelle Entsorgung von menschengemachten Produkten stellen den Forscher zufolge ein akutes weltweites Entsorgungsproblem dar. „Metall-, Textil-, Glas-, Papier-, Keramik-, Gummi- und insbesondere Kunststoffgegenstände sammeln sich weltweit an Küsten, in Gewässern und Meeresböden an“, schreibt das Forschungsteam um Morales-Caselles. In der einen Studie hatten sie vorhandene Verzeichnisse von Abfällen in den unterschiedlichen Bereichen der Meere vereinheitlicht und den Müll klassifiziert.
An Küsten sind Plastiktüten der häufigste Müll
Zusammengenommen dominierten Verpackungen von Speisen und Getränken zum Mitnehmen den Müll in den Ozeanen. An Küsten waren Plastiktüten am häufigsten, während im offenen Ozean knapp zwei Drittel des Makroabfalls mit Fischereiaktivitäten in Zusammenhang stehen, es waren also etwa Seile, Netze, Bojen und weiteres Fischereizubehör. Den geringsten Kunststoffanteil wies der Müll in Flussbetten auf, wo auch viel Holz, Metall, Gummi und Textilien zu finden waren. Der Abfall im Flusswasser bestand fast ausschließlich aus schwimmfähigem Kunststoff.
Aus der Verteilung des schwimmenden Abfalls im Meer schließen die Forscher, dass ein Großteil des vom Land eingetragenen Mülls zunächst einmal in den Küstenregionen festgehalten wird. Möglicherweise werde der Müll dabei wiederholt angespült und abgelagert. Dies verzögere die Aufnahme von Plastik in die Ansammlungszonen des offenen Ozeans, schreiben die Wissenschaftler. Mikroplastik entsteht ihrer Auffassung nach großenteils an den Küsten: „Die Zersetzung von Kunststoffartikeln, die hohen Temperaturen ausgesetzt sind, und die mechanischen Kräfte beim Brechen von Wellen beschleunigen die Rissbildung und Fragmentierung von Plastikmüll an der Küste.“
Dass die Meeresverschmutzung nicht nur ein Problem von Staaten mit einer unterentwickelten Müllentsorgung ist, zeigte das Team um Daniel González-Fernández in der zweiten Studie. Sie nahmen 710 Untersuchungen zur Sichtung von Makroabfall in verschiedenen europäischen Flüssen und meeresnahen Becken vor, darunter auch drei Gebiete an der deutschen Nordseeküste. Auf Basis dieser und älterer Daten ermittelten die Forscher mit Hilfe von Computermodellen, wie viel Müll über Flüsse sowie küstennahe Bäche und Becken ins Meer gelangt.
Müll-Eintrag über kleine Gewässer ist bisher unterschätzt worden
Eine wichtige Erkenntnis dabei war, dass der Eintrag von kleinen Gewässern (mit einem Wassereinzugsgebiet von weniger als 100 Quadratkilometern) bisher unterschätzt worden ist. Dabei seien die Einzugsgebiete dieser Flüsse und Becken mit durchschnittlich 217 Einwohnern pro Quadratkilometer deutlich dichter besiedelt als die großen Flüsse mit 87 Einwohnern pro Quadratkilometer. Außerdem halten Dämme und Wehre in den größeren Flüssen Abfall zurück, vermuten die Wissenschaftler.
Nach Ursprungsstaaten geordnet, sind die Türkei (16,8 Prozent), Italien (11,3 Prozent), Großbritannien (8,4 Prozent) Spanien (8,21 Prozent) und Griechenland (6,7 Prozent) die größten Verursacher von Abfällen im Meer. Deutschland, mit wesentlich weniger Küste als diese Länder, liegt mit weniger als zwei Prozent im Mittelfeld der untersuchten Staaten. Auf den obersten Plätzen seien viele reichere Länder mit guten Müll-Management-Systemen. Stefan Parsch (dpa)