Coronavirus - was ist das eigentlich?: Von harmlosem Schnupfen bis zu tödlicher Lungenentzündung
Coronaviren wurden lange unterschätzt. Was über sie und ihre neuesten Vertreter bekannt ist.
Ihr kronenartiges Aussehen unter dem Mikroskop gab ihnen den Namen: Coronaviren galten lange als harmlose Verursacher von Erkältungen. Doch der Erreger aus Wuhan ist schon das dritte Beispiel, dass sie auch anders können. Hier beantworten wir ein paar der wichtigsten Fragen zu dieser Virusfamilie und ihrem jüngsten Spross.
Was sind eigentlich Viren?
Viren sind winzige Strukturen, die Erbgut (DNA oder RNA) enthalten, aber nicht als eigenständige Lebewesen gelten. Sie können sich nur in anderen Zellen vermehren und nutzen dafür deren Stoffwechsel. Wirtsorganismen können Bakterien sein, aber auch Archaebakterien, Pilze und andere kernhaltige Ein- und Mehrzeller – von Pantoffeltierchen und Pflanzen bis hin zum Menschen. Entdeckt wurden Viren Ende des 19. Jahrhunderts. Das erste war eines, das Tabakpflanzen befällt: das noch heute in der Forschung sehr bedeutsame Tabak-Mosaikvirus.
Warum lösen Viren Krankheiten aus?
Diese fast banal klingende Frage ist nicht leicht, und schon gar nicht umfassend, zu beantworten. Eine Infektion mit einem Virus kann für den befallenen Organismus unproblematisch sein, aber auch bedrohlich. So fangen sich Menschen im Laufe ihres Lebens jede Menge verschiedene Viren ein.
Selbst wenn das Immunsystem sie nicht sofort neutralisiert, haben viele keine oder kaum Auswirkungen. Andere, das Tollwutvirus etwa, sind in fast 100 Prozent der Fälle tödlich. Diese Unterschiede in der "Virulenz", zu der in manchen Definitionen neben dem krankmachenden Potenzial auch das gehört, auf andere Organismen übertragen zu werden, sind alles andere als komplett verstanden.
Eine Hypothese, warum manche Viren sehr krank machen, ist, dass dieses im Interesse des Virus ist, weil es seine Ausbreitung erleichtert – etwa durch Husten oder Ausscheidung über Geschwüre der Haut oder Durchfall. Dem widerspricht aber, dass ganz ähnliche Viren sich hier sehr unterschiedlich verhalten.
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So gibt es Magen-Darm-Viren, die massiven Durchfall und Erbrechen auslösen und andere, die gar keine Beschwerden machen, sich aber offensichtlich ebenso gut oder besser verbreiten können. Klar scheint zu sein, dass Proteine, die dem Virus helfen, dem Immunsystem des Wirtes auszuweichen, zur Virulenz beitragen.
Damit ein Virus sich verbreiten kann, muss es seine Wirtszelle zerstören, und viele zerstörte Zellen bedeuten Entzündung und meist auch erhöhte "Gift"-Konzentrationen, unter anderem ausgelöst durch das sterbende Gewebe, was zu Krankheitssymptomen führt.
Tatsächlich scheint eine so genannte evolutionäre Strategie von Viren zu sein, eine Balance zwischen Schädigung des Organismus und Schonung desselben zu finden, denn ein sofort sterbender Wirt ist kein gutes Vehikel für die Weiterverbreitung.
Zu wenig Zellzerstörung und damit Freisetzung von Viren ist aber ein ebenso limitierender Faktor. Hier könnte auch ein Grund liegen, warum neu vom Tier auf den Menschen übergesprungene Viren sehr gefährlich sein können, da sich eine solche Balance eben erst über lange evolutionäre Zeiträume ausbilden muss.
Was sind Coronaviren?
Coronaviren sind vergleichsweise große runde Viren, die eine Hülle besitzen. Der Name leitet sich vom lateinischen Wort für Krone ab, weil die Viren unter dem Elektronenmikroskop kronenartig aussehen. Forscher haben bereits hunderte Arten von Coronaviren beschrieben. Sie können bei Säugetieren, Vögeln und Fischen sehr unterschiedliche Arten von Krankheiten verursachen.
Wenn sie sich vermehren, verändert sich jedes Mal ihr Erbgut. Das kann dazu führen, dass sie von einer Art auf eine andere übergehen können – und plötzlich für Menschen gefährlich werden, obwohl sie bisher nur Tiere infiziert haben. Coronaviren, die Menschen gefährlich werden können, tragen die Abkürzung HCoV (humanpathogene Coronaviren).
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Vier dieser HCoV kommen weltweit vor. Wissenschaftler schätzen, dass sie für etwa zehn bis dreißig Prozent aller Infektionen der oberen Atemwege verantwortlich sein könnten. Die größte Vielfalt von Coronaviren haben Forscher bei Fledermäusen gefunden. Daher gehen sie davon aus, dass die Tiere ein Reservoir für viele Coronaviren sind. Als Zwischenwirte können Haus- und Nutztiere fungieren, in denen sich die Viren weiter vermehren und dabei ihr Erbgut verändern.
Was sind die bekanntesten Coronaviren und woher kommen sie?
Lange glaubten Mediziner und Virologen, dass Coronaviren bei Menschen ausschließlich normale Erkältungskrankheiten verursachen. Das änderte sich mit zwei besonders krankheitserregenden Virusvarianten, die Epidemien auslösten: dem Sars-Coronavirus (Severe acute respiratory syndrome) und dem Mers-Coronavirus (Middle east Respiratory Syndrome).
In den Jahren 2002 und 2003 infizierten sich während des bisher einzigen größeren Ausbruchs des Sars-Virus mehr als 8000 Menschen, 774 starben an den Folgen einer schweren Lungenentzündung – die meisten in China, wo das Virus seinen Ursprung hatte.
Mit Mers, das vor allem auf der arabischen Halbinsel auftritt, haben sich seit 2012 etwa 2500 Menschen infiziert, etwa jeder Dritte ist gestorben. Beide Viren haben ihren Ursprung in Tieren. Als wahrscheinlichstes Reservoir des Sars-Erregers gelten Fledermäuse oder Larvenroller, eine Schleichkatzenart, die in China als Delikatesse gilt. Das Mers-Coronavirus stammt ursprünglich aus Fledermäusen und wird von Dromedaren auf den Menschen übertragen.
Wie infektiös sind Sars und Co.?
Da genaue Daten zum Wuhan-Virus bislang fehlen, beziehen Experten sich in ihrer Beurteilung bislang meist auf Sars. Hier scheinen Patienten relativ spät im Verlauf der Erkrankung besonders infektiös gewesen zu sein. Damit wird auch erklärt, warum sich sehr viele Ärzte und Pflegekräfte ansteckten, denn diese Patienten waren meist in Krankenhäusern untergebracht.
Zudem, so schreiben Anthony Fauci vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases im US-amerikanischen Bethesda und zwei seiner Kollegen in einem aktuellen Artikel im "Journal of the American Medical Association", könnten die Viren aufgrund der seinerzeit bei mehr als einem Viertel der Patienten nötigen Eingriffe – wie etwa maschinelle Beatmung – gute Verbreitungsbedingungen vorgefunden haben.
Denn dabei entstehen Aerosole, also Tröpfchenwolken in der Luft, die leicht eingeatmet werden können. Tatsächlich waren bei Sars die meisten dokumentierten Fälle von Ansteckungen von Mensch zu Mensch solche bei Krankenhauspersonal.
Dass Sars – anders als normale Corona-Erkältungsviren – schwere Symptome in der Lunge auslöste, sei, so die Forscher, möglicherweise auf die "grundlegende Virologie" zurückzuführen: Jene Moleküle auf Zelloberflächen, die das Virus zum Andocken braucht, kämen bei Menschen vor allem in tieferen Regionen der Atemwege vor. Fauci schreibt aber auch, dass viele Aspekte bei der Übertragung des Sars-Virus auch heute noch nicht verstanden sind.
Wie wurde das neue Coronavirus entdeckt?
Das neue Coronavirus, das erstmals Ende Dezember 2019 im zentralchinesischen Wuhan auftrat, trägt den vorläufigen Namen 2019-nCoV. Schon wenige Tage nach den ersten offiziellen Meldungen gelang es Wissenschaftlern aus Shanghai, das Erbgut des Virus zu entschlüsseln.
Auf dieser Basis entwickelte ein Team um den Virologen Christian Drosten von der Charité den ersten diagnostischen Test, der seither eingesetzt wird, um Infektionen festzustellen. Nach ersten Analysen scheint das neue Virus strukturelle Ähnlichkeiten mit dem Sars-Virus zu haben und könnte auch ähnliche Bindungsstellen im Körper zum Andocken benutzen.
Woher stammt das Coronavirus und wie kann es übertragen werden?
Ursprünglich ist das Virus wohl von einem Tier auf den Menschen übertragen worden. Vermutlich begann der Ausbruch auf einem Markt in Wuhan, wo Fische und Meeresfrüchte, aber auch Schlangen, Fasane und andere Tiere verkauft wurden.
Unhygienischer Kontakt mit infizierten Tieren dürfte fast alle der anfänglichen Fälle ausgelöst haben. Mittlerweile gilt aber als sicher, dass das Virus auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Am Donnerstag gab die Weltgesundheitsorganisation WHO bekannt, dass es schon mindestens vier Generationen des Virus geben müsse.
Das heißt, es sprang wohl von einem infizierten Tier auf einen Menschen über, der dann wiederum einen anderen Menschen ansteckte, der den Erreger erneut weitergab. Wahrscheinlich passiert dies sowohl durch Tröpfchen- als auch Schmierinfektion. Ersteres bedeutet, dass das Virus über eingeatmete Aerosole, die etwa beim Niesen entstehen, aufgenommen wird.
Eine Schmierinfektionen kann dann auftreten, wenn jemand vor allem mit den Händen kontaminierte Oberflächen oder Personen und danach die eigenen Schleimhäute berührt, vor allem Mund, Nase und Augen. Am Donnerstag gab die WHO die erste Schätzung der "Basisreproduktionszahl" des Virus bekannt: Demnach steckt ein Infizierter durchschnittlich etwa 1,4 bis 2,5 andere Menschen mit den Viren an.
Um einen Ausbruch zu stoppen, muss sie unter Eins gebracht werden. Michael Osterholm, Direktor des Center for Infectious Disease Research and Policy in Minnesota, sagte gegenüber dem US-Internetmagazin Stat: "Das gibt mir wenig Hoffnung, dass alles, was im Moment geschieht, den Ausbruch bald unter Kontrolle bringen wird."
Wie bedrohlich ist das Coronavirus für Infizierte?
Hierzu lässt sich nach wie vor nichts Genaues sagen. Bis Freitag, 31. Januar, waren etwa 10.000 Fälle bekannt, 213 Menschen sind infolge der Infektion gestorben.
Nach Behördenangaben betrafen die ersten gemeldeten Todesfälle vor allem ältere Menschen mit teils schwerwiegenden Vorerkrankungen.
Am Freitag, dem 24. Januar, veröffentlichte ein chinesisches Forschungsteam jedoch klinische Daten (hier als PDF) zu den ersten 41 Patienten des Ausbruchs, die dieser ersten Einschätzung widersprechen. Demnach hatte nur jeder Dritte eine Begleiterkrankung, etwa Diabetes, Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das mittlere Erkrankungsalter war 49 Jahre.
Zwar hatten viele Experten zuerst vermutet, dass das neue Coronavirus weniger tödlich ist als Sars und Mers. Um das aber genau analysieren zu können, sind weitere Auswertungen der Infektionsfälle nötig. Man muss nicht nur wissen, wie viele Menschen sterben, sondern auch, wie viele wieder gesund geworden sind – und idealerweise auch, wie viele die Infektion überstehen, ohne erkennbar zu erkranken.
Welche Behandlungen wären möglich?
Derzeit sind, anders als etwa gegen Herpesviren oder HIV, keine spezifisch wirksamen Medikamente gegen Coronaviren zugelassen. Die Behandlung erfolgt symptomatisch, etwa durch intravenöse Flüssigkeitsgabe, Kortisonpräparate gegen Entzündungen und Schwellungen und – wenn nötig – Beatmung. Zudem werden Personen mit einer Kombination von zwei aus der HIV-Therapie bekannten antivaralen Mitteln behandelt, eine Studie dazu läuft. Zudem laufen derzeit Studien mit antiviralen Arzneimitteln, die im Tierversuch gegen Mers-Coronaviren gewirkt haben.
Außerdem prüfen Wissenschaftler, ob Impfstoffkandidaten, die gegen Mers und Sars entwickelt wurden, auch gegen 2019-nCoV helfen könnten. Ergebnisse werden in den kommenden Wochen erwartet, dann könnten Sicherheits- und klinische Tests starten. Solange aber bleibt konsequente Hygiene die beste Vorsichtsmaßnahme gegen das neue Virus.