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Werden große Mengen Grundwasser abgepumpt, wirkt sich das auf Flüsse aus – in Zukunft womöglich auch auf die Elbe.
© imago/Robert Michael

Unterirdische Wasserknappheit: Von Grund auf ausgetrocknet

Weltweit werden riesige Mengen Grundwasser abgepumpt. Dadurch sinken die Pegel der Flüsse. Die Folgen sind noch in großer Entfernung zu spüren.

In trockenen Regionen müssen Landwirte ihre Felder bewässern. Rund 40 Prozent dieses Wassers stammt aus dem Untergrund. Und weil an der Oberfläche meist mehr verdunstet als in Form von Niederschlägen wieder versickert, schwindet das Grundwasser – mit Auswirkung auf Flüsse und Gewässer sogar noch in größerer Entfernung. Das berichten Laura Condon von der University of Arizona in Tucson und Reed Maxwell von der Technischen Universität Colorado School of Mines in der US-Stadt Golden in der Zeitschrift "Science Advances". Ihrer Untersuchung zufolge fließt etwa östlich der Rocky Mountains in den USA heute in etlichen Flüssen weniger als die Hälfte des Wassers als noch am Anfang des 20. Jahrhunderts. Dort trocknen einige Seitenflüsse in der trockenen Jahreszeit sogar vollständig aus. Aber auch in den anderen Regionen der USA führen viele Flüsse seither zehn bis fünfzig Prozent weniger Wasser.

Sterben die Flüsse, verstärken sich die Dürren

Allein im 20. Jahrhundert gingen in den USA ungefähr 800 Kubikkilometer Grundwasser verloren, so die Berechnungen der Forscher, die mit den Abschätzungen der Geologie-Behörde des Landes übereinstimmen. Diese gewaltige Wassermenge würde reichen, um den Bodensee mehr als 16 Mal zu füllen. Ein sehr großer Teil dieses Wasserverlustes betrifft die riesigen Prärien Nordamerikas im Regenschatten östlich der Rocky Mountains. Dieses Land wurde in Viehweiden und Felder umgewandelt, die mit Grundwasser aus Brunnen versorgt werden.

Die größten Verluste konzentrieren sich dabei auf die besonders trockenen und bis zu 1.600 Meter hoch gelegenen Ebenen am Fuß der Rocky Mountains. "Dieses Grundwasser speist aber die Quellen und hält so die Flüsse am Leben", erklärt Eva Hernández von der Naturschutzorganisation WWF in Spanien. Diesen Zusammenhang können Condon und Maxwell vor allem in Nebraska, Kansas, Oklahoma und Colorado beobachten: Dort fließt oft erheblich weniger Wasser als früher. Das belegen nicht nur die Computermodelle des Forscherteams, sondern auch historische Beobachtungen und heutige Messungen. Dieses Wasser fehlt flussabwärts. Da in den trockenen Jahreszeiten auch weniger Wasser verdunstet, verstärken sich die Dürren im Westen der USA auf den einstigen Prärien weiter und der Nachschub für das Grundwasser sinkt noch stärker.

Artensterben und leere Supermarkregale

Die gleichen Zusammenhänge beobachtet Eva Hernández auch im Süden und im Südosten Europas. So werden im Südwesten Spaniens im Becken des Flusses Guadalquivir sehr viele Erdbeeren und einige Himbeeren und Heidelbeeren vor allem für den Export, etwa an deutsche Supermärkte, angebaut. In dieser trockenen Region müssen die Kulturen bewässert werden. Dafür zapfen die Bauern das Grundwasser mit tiefen Brunnen an, die oft genug von den Behörden nicht genehmigt sind und illegal betrieben werden. "In gerade einmal 30 Jahren hat sich die bewässerte Fläche dort verdoppelt", sagt Hernández, die bis Ende 2018 das Süßwasser-Programm des spanischen WWF geleitet hat und seither die "Living European Rivers Initiative" koordiniert.

Die Folge des Beeren-Anbaus: Im gesamten Guadalquivir-Becken sinkt der Grundwasserspiegel. Mittlerweile haben sowohl der WWF als auch die Europäische Union und die Welt-Kultur-Organisation UNESCO gegen die illegale Grundwasserentnahme protestiert. Denn gleich neben der Mündung des Guadalquivir liegt der Nationalpark Coto de Doñana, der nicht nur UNESCO-Weltnaturerbe, sondern auch ein weltweit bekanntes Feuchtgebiet ist. Dort rasten zweimal im Jahr sechs Millionen Zugvögel, und vom Kaiseradler bis zum Iberischen Luchs leben dort auch Arten, die zu den besonders gefährdeten gehören. Zusammen mit den klimawandelbedingt häufigeren Dürren lässt der sinkende Grundwasserspiegel die Coto de Doñana zunehmend vertrocknen. „Einige stark gefährdete Arten von Fischen und von Libellen sind bereits verschwunden“, sagt Hernández.

Wassermangel nicht nur im Süden – auch Deutschland ist betroffen

„Ähnliches passiert auch in Italien, Griechenland, auf dem Balkan und in Ungarn“, ergänzt Philipp Wagnitz, der das Süßwasser-Programm des WWF in Deutschland leitet. Auch dort beanspruchen Bauern das Grundwasser, um damit ihre Felder zu bewässern. Aufgrund des Klimawandels ist auch in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten mit häufigeren Trockenzeiten zu rechnen. In einigen Regionen, etwa im Osten des Landes, könne das dazu führen, dass künftig häufiger bewässert werden muss, vermutet der WWF-Experte. Auch hierzulande könnten also die Grundwasserspiegel sinken und dabei den Wasserhaushalt an der Oberfläche und die Pflanzen in Mitleidenschaft ziehen.

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