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Versickert. Marode Trinkwasserleitungen sind ein großes Problem. Schätzungen zufolge kommt rund ein Drittel des geförderten Wassers gar nicht bis zu den Häusern der Menschen, sondern geht vorher verloren.
© AFP

Wassermangel: Bis zum letzten Tropfen

In vielen Regionen der Erde geht das Grundwasser zurück, weil zu viel gefördert wird. Gegenmaßnahmen sind manchmal verblüffend einfach - doch sie allein werden das Problem auch nicht lösen.

Immer mehr Menschen, immer weniger Wasser. Wohin diese widerstrebende Entwicklung führen kann, lässt sich seit Jahrzehnten im Jordantal beobachten. Der einst große Fluss ist an manchen Stellen zum schmutzigen Rinnsal verkommen, noch immer sinkt der Spiegel des Toten Meeres jedes Jahr um etwa einen Meter. Mittlerweile ist dieser „Wasserstress“ auch in zahlreichen anderen Regionen dokumentiert. Satellitenmessungen zeigen, dass vielerorts der Grundwasserspiegel fällt. Vor allem im Nahen Osten und in Indien ist die Lage dramatisch. Das hat Folgen für die Wasserversorgung der Menschen und die Landwirtschaft.

So zeigte erst kürzlich eine Studie im Fachmagazin „Water Resources Research“, wie stark die Wasservorräte in den Becken der Flüsse Euphrat und Tigris zwischen der Türkei und dem Iran schwinden. Zwischen 2003 und 2009 gingen rund 144 Kubikkilometer verloren, berichten Katalyn Voss von der Universität von Kalifornien in Irvine und Kollegen. Zwei Drittel des Verlusts seien auf Grundwasserentnahmen zurückzuführen. Unwiederbringlich, denn der Wasserverbrauch steigt weiter, während die Region im Zuge des Klimawandels mit weniger Niederschlägen rechnen müsse, ergänzen die Forscher. „Grundwasser ist wie ein Bankkonto“, erläutert Koautor Matt Goddard. „Man kann durchaus etwas entnehmen, wenn es nötig ist, aber wenn das nicht ersetzt wird, ist es wahrscheinlich für immer verloren.“

Noch gravierender ist der Grundwasserrückgang im Norden Indiens. Dort werden jährlich 54 Kubikkilometer mehr aus dem Untergrund gepumpt, als durch Niederschläge neu gebildet werden. Das geht aus einer früheren Studie hervor, die ebenfalls Daten des Satellitenduos „Grace“ (Gravity Recovery And Climate Experiment) nutzte. Das Prinzip: Zwei Satelliten fliegen in engem Abstand über die Erde. Je nachdem, wie sich dabei die Erdanziehungskraft – etwa durch große Massen im Untergrund – ändert, variiert der Abstand zwischen beiden Satelliten. Indem sie das gleiche Gebiet über Jahre hinweg mehrfach überfliegen, lassen sich Masseänderungen im Untergrund aufspüren, die vor allem auf Grundwasserschwankungen zurückzuführen sind.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass viele Brunnen oftmals illegal gebohrt werden, so dass der tatsächliche Wasserverbrauch in einer Region überhaupt nicht erfasst werden kann. „Doch genau das ist nötig, um ein effektives Wassermanagement zu etablieren, das Angebot und Nachfrage in Einklang bringen soll“, sagt Jochen Klinger vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Er koordiniert das Forschungsprojekt „Smart“ (Sustainable Management of Available Water Resoures with Innovative Technologies), in dem Verfahren entwickelt wurden, um das verfügbare Wasser im unteren Jordantal besser auszunutzen. Die konzentrieren sich vor allem darauf, den Rohstoff mehrfach zu verwerten, indem zum Beispiel Abwässer aus Haushalten in Kleinkläranlagen gereinigt und nochmals zur Bewässerung genutzt werden. So wird das Grundwasser geschont.

Zudem untersuchen die Forscher, wie der natürliche Wasserspeicher im Untergrund wieder aufgefüllt werden kann. Dazu gibt es mehrere Varianten: Beispielsweise Infiltrationsbecken, in die Regenwasser eingeleitet wird, damit es gezielt in tiefere Schichten versickert und nicht ungenutzt an der Oberfläche abfließt. Die Passage durch die oberen Erdschichten ist zugleich eine natürliche Reinigungsstufe. Eine andere Möglichkeit sind Infiltrationsbohrungen. Sie funktionieren wie Trinkwasserbohrungen, nur dass das Wasser nicht heraufgepumpt, sondern in einem langen Rohr in die unterirdischen Speicherschichten gepresst wird.

Doch auch an der Oberfläche gibt es noch viele Möglichkeiten, das Wasser besser zu nutzen – etwa indem die Rohrleitungen instand gesetzt werden. „Schätzungsweise 40 Prozent des geförderten Wassers kommen gar nicht bis zu den Hähnen in den Häusern, sondern versickern zuvor an undichten Stellen des Leitungsnetzes“, sagt Klinger. Ein Problem, das keineswegs nur in der Jordanregion besteht.

In vielen trockenen Regionen werden unterdessen auch fossile Grundwasservorkommen erschlossen, um den steigenden Bedarf zu decken. Dabei handelt es sich um Wasser, das seit Jahrtausenden in der Tiefe lagert. Die Methode ist umstritten. Einerseits ist das Wasser infolge des langen Aufenthalts im Fels teilweise radioaktiv belastet. Zum anderen werden die tiefen Reservoirs nicht durch Niederschläge wieder aufgefüllt. Wie bei einer Erdöl-Lagerstätte gilt auch bei fossilem Grundwasser: Was heraufgepumpt wird, kann nur einmal benutzt werden und ist dann unwiederbringlich verloren.

„Die Förderung aus tiefen Schichten, wie sie auch in Jordanien betrieben wird, ist daher keine Lösung, sondern verschafft den trockenen Regionen allenfalls einen zeitlichen Aufschub“, sagt der KIT-Forscher Klinger. Langfristig, glaubt er, kann auch im Jordantal eine Versorgung aller Menschen durch oberflächennahes Wasser gelingen – wenn die Maßnahmen angewandt werden, die im Projekt Smart entwickelt wurden. „Es muss gelingen“, sagt Klinger. „Eine Stadt wie Amman mit 1,5 Millionen Einwohnern kann man nicht einfach umsiedeln.“

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