Steigende Trockenheit: Brandenburger Forstwirte machen den Wald fit für den Klimawandel
Forstwissenschaftler haben in Brandenburg damit begonnen, ein Netz "twitternden Bäumen" einzurichten. Damit wollen sie herausfinden, welche Baumarten für welches Klima geeignet sind.
Er bietet dem Menschen Erholung, liefert Holz, frische Luft und Grundwasser, sorgt für Artenvielfalt und kühlt das Klima. Doch der Wald, wie ihn die Deutschen lieben, ist in Gefahr. Mit dem Klimawandel wird für viele Bäume ein starker Trockenstress einhergehen, der ihren Fortbestand gefährden kann.
Naturschützer fordern deshalb, die Wälder naturnaher zu gestalten. Allerdings sind heute in Deutschland nur noch 0,3 Prozent des Waldes so naturbelassen, dass er sich völlig ungestört vom Menschen entwickelt. Der Großteil der 11,4 Millionen Hektar Waldfläche Deutschlands sind Wirtschaftswälder, die nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Bewirtschaftung durch den Menschen über die letzten Jahrhunderte erhalten blieben. Das wirtschaftliche Interesse hat den Wald vor der Abholzung und Umwandlung in Nutzflächen bewahrt.
Zudem weist jeder unbewirtschaftete Wald langfristig bestenfalls eine ausgeglichene Kohlendioxid-Bilanz auf, da das durch Photosynthese aufgenommene Kohlendioxid durch das Absterben der alten Bäume wieder freigesetzt wird und so nicht reduzierend auf die Treibhausgase wirkt. Nur wenn das Holz als Baumaterial verwendet wird, bindet es Kohlendioxid langfristig und entzieht es der Atmosphäre.
Die Vorstellung von Naturschützern, dem „Klima von morgen“ durch „Wälder von gestern“ zu begegnen, halten Forstwissenschaftler wie Andreas Bolte, Leiter des Thünen-Instituts für Waldökosysteme in Eberswalde, für rückwärtsgewandt. „Gerade die von Naturschützern favorisierten Buchen sind anfällig für Trockenstress, und genau der ist bei der prognostizierten Erwärmung in Deutschland zu erwarten“, sagt Bolte.
Ein Netz von „twitternden Bäumen“
Um herausfinden, welche Baumarten für welches Klima besonders gut angepasst sind, haben Forstwissenschaftler in Eberswalde angefangen, ein Netz von „twitternden Bäumen“ einzurichten. Sechs davon twittern bereits in Belgien und den Niederlanden, einer in Deutschland. Es sollen noch viel mehr werden, möglichst überall in Europa. „Wir wollen so herausfinden, welche Baumarten für welches Gebiet am besten geeignet sind und wie sie miteinander gedeihen können“, sagt Bolte. „Buchen in Spanien sind beispielsweise besser an Trockenheit gewöhnt als deutsche Buchen, obwohl es die gleiche Baumart ist.“
Brandenburg hat für Deutschland und weite Teile Mitteleuropas eine Vorreiterrolle, was die zu erwartende Trockenheit betrifft. Hier regnet es wenig und der wenige Regen sickert schnell durch die Brandenburger Sandböden. Deshalb herrschen hier schon Verhältnisse, wie sie durch den Klimawandel in anderen Bundesländern erst noch zu erwarten sind.
Die twitternden Kiefern schicken jeden Tag Daten über ihren Wasserhaushalt und Holzzuwachs. „Heute hat die Kiefer nur 1,7 Liter Wasser von ihren Wurzeln bis in die Krone transportiert, viel zu wenig für einen normalen Sommertag. Deshalb ist auch der Umfang der 44 Jahre alten Kiefer heute geschrumpft,“ sagt Bolte. Wenn ihm das Wasser fehlt, zieht sich das Holz des Baumes zusammen und der Baumumfang schrumpft, da das im Stamm gespeicherte Wasser genutzt wird, um den Wassermangel in der Baumkrone auszugleichen. An einem normalen Sommertag strömen etwa 20 Liter Wasser pro Tag im Stamm nach oben und werden über winzige Spaltöffnungen der immergrünen Nadeln ausgeschieden.
Fichten: Die häufigste Baumart in Deutschland und wichtige Rohstofflieferanten
Durch die Verdunstung an Blättern oder Nadeln entsteht ein Sog, der so lange neue Flüssigkeit nachzieht, wie der Boden welche hergibt. „Wenn es aber zu trocken ist, schließen sich die Spaltöffnungen, über die der Baum auch Kohlendioxid aufnimmt und Photosynthese betreibt“, erklärt Bolte. Der Baum fährt seinen Wassertransport und seine Photosynthese herunter.
Dauert die Trockenheit zu lange, kann der Baum absterben. Er verdurstet wegen Wassermangels oder verhungert aus Kohlendioxid-Mangel. „Wenn es hier immer trockener wird, müssen wir irgendwann damit anfangen, Bäume anzupflanzen, die damit besser zurechtkommen als unsere heimischen Arten. Das können südländische Herkünfte heimischer Baumarten oder Baumarten aus benachbarten trockeneren Regionen wie die Flaumeiche oder die Douglasie sein. Je mehr unterschiedliche Baumarten in Europa twittern, desto mehr können wir über ihre Anpassungsfähigkeit lernen“, hofft Bolte.
Die Anpassungsfähigkeit testen Bolte und Kollegen auch in Laborversuchen mit jungen Waldbäumen. Dieses Jahr haben die Forstwissenschaftler ihr „Trockenstress-Labor“ mit jungen Fichten aus unterschiedlichen Herkunftsgebieten bestückt. Fichten sind die häufigste Baumart in Deutschland und vor allem als Rohstofflieferanten wichtig. Fast 50 Prozent des Nutzholzes hierzulande kommt von Fichten.
„Um den Wald der Zukunft anzulegen, braucht man Jungbäume"
Im „Trockenstress-Labor“ werden die Jungbäume starker Trockenheit ausgesetzt, bis ein Teil der Pflanzen abstirbt. Eine Vergleichsgruppe wird weiter bewässert, um den Unterschied zu testen. Durch Bestimmung des Pflanzenwassergehaltes und der Bodenfeuchte wird ermittelt, bei welchem Bodenwassergehalt die Fichten sterben. Daraus lassen sich Vorhersagen zu zukünftigen kritischen Trockenheiten für junge Waldbäume ableiten. Gerade junge Bäume haben eine besondere Aussagekraft, da sie schnell wachsen und mit ihrem flachen Wurzelsystem extrem empfindlich sind. „Um den Wald der Zukunft anzulegen, braucht man Jungbäume“, sagt Bolte. „Damit die uns dann nicht an Trockenstress eingehen, testen wir das hier vorher aus.“
Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Fichten aus geografisch entfernten Regionen vertragen den Trockenstress tatsächlich auch unterschiedlich gut. „Am Ende wird genau das entscheidend für die Empfehlungen sein, die wir Waldbetrieben und Forstbetrieben geben können“, sagt Bolte. „Für die ökonomischen und ökologischen Ansprüche an unsere Wälder ist es neben dem Ziel, eine größere Vielfalt von Bäumen und Arten zu erreichen auch wichtig, heimische Baumarten neben den neu eingeführten Arten zu erhalten.“ Wenn man das Risiko des Klimawandels unter möglichst verschiedenen Baumarten und für Trockenstress geeigneten Gewächsen streue, sei dies die beste Lebensversicherung für die Wälder der Zukunft.
Die Wissenschaftler stehen vor einem Dilemma
Ganz anders und trotzdem in die gleiche Richtung arbeitet Ralf Kätzel vom forstlichen Kompetenzzentrum Eberswalde. Er und seine Kollegen haben in der Schorfheide junge Eichen aus den verschiedensten Gegenden unter einem Kiefernschirm angepflanzt. Ziel des Versuches ist es, zu prüfen, ob beim Anpflanzen von Mischbeständen künftig bevorzugt Saatgut aus Ländern verwendet werden sollte, die bereits heute Klimabedingungen haben werden, wie sie in Brandenburg für die nächsten 50 bis 100 Jahre prognostiziert werden.
Die Traubeneichen stammen aus sechs europäischen Herkunftsgebieten: Brandenburg, Österreich, Bulgarien, Ukraine, Griechenland und Rumänien. Eine Fragestellung, die die Forstwissenschaftler untersuchen wollen, ist das Anpassungsspektrum gegenüber verschiedenen Witterungsfaktoren. Doch die Wissenschaftler stehen vor einem Dilemma. Da der Klimawandel wahrscheinlich Extremwetterlagen mit mehr Trockenheit bringt, es aber in unseren Breiten trotzdem weiterhin Wintertage und Frost geben wird, brauchen sie anders als in den mediterranen Ursprungsgebieten für den Wald der Zukunft Bäume, die beides überleben können. „Deshalb erscheint es auch sinnvoll, in Zukunft einen Wald mit einer Vielfalt von verschiedenen Baumarten und Herkünften anzulegen“, sagt Kätzel. „Er ist mit Sicherheit widerstandsfähiger und stabiler gegen jede Art von äußerem Einfluss als Reinbestände aus nur einer Baumart, da einige Baumarten mit hoher Wahrscheinlichkeit überleben werden.“
Der Frost fungiert hier als eine Art Scharfrichter
Um zu prüfen, ob Bäume südlicher Herkunft der gleichen Baumart besser an Trockenheit angepasst sind, nehmen die Forscher Blattproben von den Traubeneichen. Die Blattproben werden dann im Labor auf bestimmte Merkmale, Biomarker genannt, hinsichtlich ihrer physiologischen Stressbelastung untersucht. „Eichen aus Bulgarien treiben zum Beispiel jedes Jahr viel zeitiger aus als die heimischen Pflanzen aus Brandenburg,“ sagt Kätzel.
In Jahren ohne späten Frost profitieren Gewächse aus dem Süden von der längeren Vegetationsperiode. In Frostjahren dagegen frieren sie zurück. Der Frost fungiert also hier als eine Art Scharfrichter. „Welche Herkunft also letztendlich gewinnen wird, hängt von der Kombination der Extremwetterlagen und dem jeweilig mehr oder weniger gut angepassten Genotyp ab“, sagt Kätzel. „Es ist wie ein Hindernisrennen, bei dem jeder Läufer sein Lieblingshindernis natürlich perfekt überwindet, aber bei den anderen Hindernissen auch nicht komplett scheitern darf.“
Eckart Granitza