Akkus & Energienetze: Vom Ballon zur Batterie
Was genau passiert im Innersten der Akkus im Detail? Die Antwort lieferten die Matheon-Forscher mit Hilfe von Luftballons.
Was haben Luftballons und Akkus für Smartphones, Laptops oder Elektrofahrzeuge miteinander zu tun? „Beide funktionieren offensichtlich nach ähnlichen Prinzipien, die man mit denselben Gleichungen berechnen kann“, erklären Wolfgang Dreyer und Clemens Guhlke vom Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik in Berlin. Die beiden Wissenschaftler waren von Chemikern aus Slowenien um mathematische Hilfe bei der Lösung einer wichtigen Frage zu Lithium-Ionen-Batterien gebeten worden: Was genau passiert im Innersten der Akkus im Detail?
Die Antwort lieferten die Matheon-Forscher mit Hilfe von Luftballons, die sich ähnlich wie die winzig kleinen Nanoteilchen verhalten, die in den Elektroden des Akkus während des Ladens und im Betrieb Lithium-Atome speichern. Bisher hatte man angenommen, dass die Nanoteilchen gleichzeitig gefüllt werden. „Unsere Gleichungen zeigten aber rasch, dass es so nicht sein konnte“, erklärt Wolfgang Dreyer. Erst eine weitere, spezielle Differentialgleichung verriet dann, dass die Nanoteilchen nicht gleichzeitig, sondern eines nach dem anderen mit Lithium-Ionen gefüllt werden. „Noch aber war das Ergebnis nur Theorie“, fasst Clemens Guhlke die anfängliche Skepsis der Chemiker zusammen. Und da ein praktischer Beweis direkt an einer Batterie nicht möglich schien, griffen die Matheon-Forscher zu einem System, für das ihre Differentialgleichungen genauso gelten: eine Reihe von Luftballons, die über eine gemeinsame Leitung aufgepustet werden.
Wie lassen sich die Energienetzwerke für Elektrizität und Gas miteinander verknüpfen?
„Am Anfang muss man seine Backen kräftig aufblasen, um den Luftballon zu füllen. Danach geht es viel leichter“, erklärt Dreyer ein Phänomen, das viele von Kindergeburtstagen kennen. Ähnliches geschah auch mit den Versuchsballons der Forscher. Der erste Ballon, der den Anfangswiderstand überwunden hatte, wurde schnell größer und holte sich die dazu notwendige Luft einfach aus den anderen Ballons, die so ein klein wenig schrumpften.
Dann kam der nächste Ballon an die Reihe. Am Ende waren alle der Reihe nach gefüllt – und die beiden Mathematiker hatten gezeigt, dass die Nanoteilchen in den Akkus nach dem gleichen Prinzip mit Lithium-Atomen gefüllt werden. „Dieses Wissen über die Vorgänge in Batterien erleichtert die Konstruktion effektiver Akkus und hilft, Fehlfunktionen wie jüngst beim Samsung Galaxy Smartphone zu vermeiden“, fasst Clemens Guhlke die praktische Bedeutung zusammen.
Ebenfalls mit Differentialgleichungen geht Mathematik-Professorin und Matheon-Vorstand Caren Tischendorf von der Berliner Humboldt-Universität völlig andere Probleme der Energiewende an: Wie lassen sich die beiden bisher weitgehend unabhängigen Energienetzwerke für Elektrizität und Gas miteinander verknüpfen? Eine solche Vernetzung könnte ein zentrales Problem der Energiewende lösen.
Die Stromnetze arbeiten nämlich nur dann stabil, wenn in einem Stromverbund die gleiche Menge Elektrizität produziert und genutzt wird. Der Verbrauch schwankte schon immer stark. Daher muss die Elektrizitätswirtschaft bei steigendem Verbrauch mehr Kraftwerke laufen lassen, die sie bei sinkender Nachfrage wieder abschaltet. Mit der Energiewende wird dieser Prozess noch viel schwieriger, denn auch das Angebot an Wind- und Sonnenenergie variiert stark. Und das meist in einem völlig anderen Rhythmus als der Verbrauch.
Die Lösung klingt bestechend einfach, ist aber keineswegs trivial: Steigt der Verbrauch, springen Gaskraftwerke ein, die schnell gestartet werden können und zusätzlichen Strom liefern. Und gibt es gerade Strom im Überfluss, spaltet diese Elektrizität Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff, der wiederum direkt gelagert wird und bei Bedarf in einer Brennstoffzelle wieder Strom liefern kann. Wasserstoff kann aber auch zu Methan, dem wichtigsten Bestandteil von Erdgas weiterverarbeitet und so in das Erdgasnetz eingespeist werden
„Das Gas in der Pipeline bewegt sich mit dem Tempo eines Radfahrers“
Das klingt einfacher als es ist, denn es gibt große Unterschiede bei den Geschwindigkeiten. Zum Vergleich: Ein über elektrische Signale geführtes Telefongespräch aus München kommt im Festnetz mit einer kaum merklichen Verzögerung in Berlin an. „Das Gas in der Pipeline bewegt sich dagegen gerade einmal mit dem Tempo eines Radfahrers“, sagt der Mathematiker Thorsten Koch, der am Zuse-Institut Berlin (ZIB) und der Technischen Universität Berlin ebenfalls an Energienetzen forscht. Solche riesigen Geschwindigkeitsunterschiede unter einen Hut zu bringen, ist weder in der realen Welt, noch in der Mathematik ein einfaches Unterfangen.
Genau daran arbeiten die Berliner Forscher im Rahmen großer Verbundprojekte: „Zusammen mit Ingenieuren und Netzbetreibern entwickeln wir neue Methoden und Schnittstellen, über die Strom- und Gasnetze miteinander verknüpft und gemeinsam gesteuert werden können“, erklärt Caren Tischendorf. Nur mit dieser Verknüpfung gelingt es, elektrischen Strom im allein in Deutschland mehr als 50 000 Kilometer langen Gasnetz zu speichern oder den in Gas umgewandelten elektrischen Strom durch längst vorhandene Pipelines aus dem Norden des Landes mit Windkraft-Überschuss in die energiehungrigen Zentren in Bayern und Baden-Württemberg zu leiten. Auf diese Weise liefern Mathematiker zentrale Komponenten der Energiewende.
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